Mann mit Kreislauf-Symbol

(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Eine schier endlose Zahl an Produkten des täglichen Bedarfs und darüber hinaus bestehen aus Kunststoff. Galt der Werkstoff lange Zeit als innovatives Material der Zukunft, hat sich diese Sichtweise in der öffentlichen Wahrnehmung der vergangenen Jahre gewandelt. Zugemüllte Strände, aufgehäufte Berge an Plastikmüll oder Kunststoffeintrag in der Umwelt: Kunststoff per se ist nicht „böse“, nur wir allein sind verantwortlich, wie wir mit diesem wertvollen Werkstoff umgehen. Eine Welt in Zeiten der Corona-Pandemie ganz ohne Kunststoff? Sicherlich undenkbar. Und dennoch stellt sich die Frage: Wohin mit dem Kunststoff? Unternehmen haben sich hier auf das Recycling von Kunststoffen spezialisiert – mit unterschiedlichen Verfahren und Herangehensweisen. In unserem großen Überblick zum Fokusthema beleuchten wir die unterschiedlichen Aspekte dieses vielschichtigen Themas und geben Einblicke zum heutigen Stand der Technik und zukünftigen Trends.

Sie haben wenig Zeit? Hier geht es direkt zu den einzelnen Textabschnitten:

Welche Arten von Recycling gibt es?

Das Recycling bezeichnet den Prozess der Wiederaufbereitung von Werkstoffen zu einem neuen Produkt. Dafür gibt es verschiedene Verfahren, um Kunststoffe entsprechend zurückzuführen.

Werkstoffliches (mechanisches) Recycling: Beim mechanischen Recycling werden Kunststoffabfälle zu Sekundärrohstoffen verarbeitet. Post-Industrial-Abfälle (PIR) und Post-Consumer-Abfälle (PCR) werden sortenrein getrennt, mechanisch zerkleinert, aufbereitet und in den Wertstoffstrom zurückgeführt. Die Qualität hängt hier stark von der genauen Sortierung und Sauberkeit des Abfallstromes ab.

Rohstoffliches (chemisches) Recycling: Beim chemischen Recycling werden Kunststoffe in ihre ursprünglichen Bausteine (Polymere, Monomere, Atome) aufgespalten. Mit den Bausteinen lassen sich neue Kunststoffe, Chemikalien oder auch Kraftstoffe hergestellt werden. Man unterscheidet hier zwischen den Verfahren:

  • Depolymerisation: Unter Energiezufuhr werden Polymere in ihre Monomore zerlegt.

  • Solvolyse: Polymere werden mithilfe von Lösungsmitteln in ihre Grundbausteine (Monomere) zerlegt.

  • Pyrolyse: Unter Ausschuss von Sauerstoff werden organische Materialien (Kohlenwasserstoffe) thermisch zersetzt.

  • Vergasung: Organische Materialien werden thermisch unter Sauerstoffmangel behandelt. So wird aus festen Stoffen, wie Kunststoffabfällen, Synthesegas erzeugt. Der Grundstoff für die Herstellung chemischer Produkte.

Enzymatisches Recycling: Bei dieser Art des Recyclings zersetzen Enzyme den Kunststoff in seine Bestandteile. Die Enzyme wirken dabei als bakterieller Katalysator. Beispielhaft werden so etwa Polyethylenterephthalat (PET) in die beiden Bausteine Terephthalsäure und Ethylenglykol zerlegt. Das Enzym PHL7, das Forscher der Universität Leipzig entdeckt haben, baut PET in Rekordzeit ab. Eine PET-Verpackung lässt sich damit in unter 24 h vollständig zersetzen. Andere Enzyme brauchen dafür Tage oder gar Wochen.

Das französische Biochemieunternehmen Carbios ist eines der Unternehmen, welches im Umfeld des enzymatischen Recyclings aktiv ist. Zusammen mit Solvay, Brüssel, Belgien arbeitet man beispielsweise technologisch eng zusammen, um PET/PVDC-Barrierefolien recyceln zu können. Verpackungsabfälle oder andere Altkunststoffanwendungen mit biorientierter PVDC-Beschichtung lassen sich mithilfe des enzymatischen Recyclings wirksam wiederverwerten, ohne die sehr guten Barriereeigenschaften des Polymers zu beeinträchtigen. Carbios plant zugleich auch, gemeinsam mit dem Kunststoffkonzern Indorama Ventures, Thailand, den Bau einer enzymatischen PET-Bio-Recycling-Anlage in Frankreich.

Einen Einblick, welche Möglichkeiten das Enzymatische Recycling eröffnet und weitere Forschungen in diesem Bereich erfahren Sie in diesem Artikel.

SAVE THE DATE: Praxisforum Kunststoffrezyklate 2025

Banner zum Praxisforum Kunststoffrezyklate in Darmstadt
(Bild: Fraunhofer LBF)

Merken Sie sich schon mal den 26. und 27. März 2025 vor, denn dann steht wieder das Fachforum zum Werkstofflichen Recycling in Darmstadt an.

Das Praxisforum Kunststoffrezyklate bietet geballtes Expertenwissen auf internationaler Ebene: Neben aktuellen Marktentwicklungen, Forschungsansätzen und technischen Lösungen liegt der Fokus verstärkt auf praktischen Anwendungen in den unterschiedlichsten Branchen.

Überzeugen sie sich selbst und werfen Sie einen Blick auf das vorläufige Programm.

Reservieren Sie sich den Termin in Ihrem Kalender für zwei intensive Tage, die mit neuen Erkenntnissen und Erfahrungen zum Austausch und zur Vernetzung gefüllt sind. Zur Anmeldung gelangen Sie hier.

Kunststoffgranulat in verschiedenen Farben
(Bild: Gerhard Seybert - stock.adobe.com)

Kunststoffrezyklat – Was ist das?

Was verbirgt sich hinter dem Begriff "Kunststoffrezyklat"? Wie wird es hergestellt und was heißt eigentlich PIR oder auch PCR in diesem Zusammenhang? Die Antworten auf diese Fragen und weitere Hintergründe haben wir für Sie in diesem Artikel zusammengefasst.

Warum werden Kunststoffrezyklate nicht überall eingesetzt?

Der Wiedereinsatz von Rezyklaten beim Herstellen neuer Produkte ist mit technischen Herausforderungen verbunden. Neben fehlenden finanziellen Anreizen ist dies eine der Hauptursachen für die – gemessen an der Recyclingquote – vergleichsweise geringe Rezyklateinsatzquote. Der folgende Beitrag beleuchtet die Herausforderungen bei Einsatz und Verarbeitung von Post-Consumer-Rezyklaten aus einer Praxisperspektive, leitet verschiedene Anforderungen an Rezyklate ab und zeigt Lösungsansätze aus der aktuellen Forschung.

Kann sich Post-Consumer-Rezyklat mit Neuware messen?

Das Image der Rezyklate bei den Kunststoffverarbeitern war lange Zeit geprägt von Feuchtigkeit im Material, Farb- oder Fließschwankungen und nach dem Verarbeiten von Stippen im Folienprodukt. Deshalb wurden beispielsweise in den Rezepturen der Folienhersteller Rezyklate lediglich zu einem geringen Anteil eingesetzt. Außerdem wurden aufbereitete Kunststoffabfälle trotz steter Verbesserung mit verminderter Qualität assoziiert und widersprachen so dem Qualitätsverständnis vieler Verarbeiter. Der zuvor beschriebene Blickwinkel besteht heute glücklicherweise nur noch zum Teil, denn das Image von recyceltem Kunststoff wandelt sich langsam. In folgendem Artikel erfahren Sie, wie das Unternehmen LH-Plastics das Thema Post-Consumer-Rezyklate (PCR) handhabt.

Kunststoffabfälle in Ballen gepresst
Kunststoffabfälle werden als Ballen oder Rollen gelagert, bis es in die Aufbereitung geht. (Bild: LH-Plastics)

Welche Mengen an Kunststoffen werden jährlich verarbeitet?

Laut der Studie "Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2019", die industrieseitig alle zwei Jahre durchgeführt wird, verarbeitete die Kunststoffindustrie 2019 gut 12,3 Mio. t Kunststoffe aus Primärrohstoffen (Neuware) zu werkstofflichen Anwendungen. Im Vergleich zu 2017 bedeutet das einen Rückgang von 0,9 %.

Und auch beim Rezyklateinsatz tut sich was: So wurden mehr als 1,9 Mio. t ⁠Kunststoffrezyklate⁠ verarbeitet – ein Anstieg um 10,2 % im Vergleich zu 2017. Der Gesamtanteil von Kunststoffrezyklat an der verarbeiteten Kunststoffmenge betrug 13,7 %. Der deutsche Kunststoffverbrauch lag demnach nach Bereinigung um Im- und Exporte bei 12,1 Mio. t. Im gleichen Zeitraum nahm die Menge der Kunststoffabfälle um 2 % auf 6,28 Mio. t zu.

Insgesamt entfielen 69,2 % der verarbeiteten Kunststoffe auf die folgenden fünf Thermoplaste – inklusive ⁠Rezyklate⁠:

  • Polyethylen (PE) mit 3,94 Millionen Tonnen (Mio. t)
  • Polypropylen (PP) mit knapp 2,41 Mio. t
  • Polyvinylchlorid (PVC) mit 1,82 Mio. t
  • Polyethylenterephthalat (PET) mit 957.000 t
  • Polystyrol und expandiertes Polystyrol (PS/PS-E) mit 727.000 t

Etwa 14 % der produzierten Gesamtmenge waren andere Thermoplaste wie Polykarbonat (PC), Polyamid (PA) oder Styrol-Copolymere wie Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) und Styrol-Acrylnitril (SAN). Die restlichen 17 % waren sonstige Kunststoffe, etwa Duroplaste wie Epoxid-, Phenol- und Polyesterharze sowie Polyurethane und Mischkunststoff-Rezyklate.

Hauptanwendungsbereich ist die Verpackungsbranche. 30,7 % der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe wurden im Jahr 2019 hier eingesetzt. Gefolgt vom Bausektor mit 25,2 %. Dahinter folgen die Fahrzeugindustrie mit 10,6 % sowie Elektro- und Elektronikgeräte mit 6,2 %.

Insbesondere im Automobilbau werden Rezyklate vermehrt eingesetzt – doch wo eigentlich genau? Und wie sieht es mit der Verfügbarkeit geeigneter Rezyklate und deren Qualität aus? Der PLASTVERARBEITER hat sich in der Branche zu dieser Thematik umgehört. Doch lesen Sie selbst.

Anteil der Kunststoffsorten an der Verarbeitungsmenge Kunststoffe 2019
(Bild: Umweltbundesamt / Conversio Market & Strategy GmbH)

Wie hoch sind die Verwertungsquoten von Kunststoffabfällen in Deutschland?

Insgesamt 6,28 Mio. t Kunststoffabfälle fielen 2019 in Deutschland an. Davon entstammen 85,2 % aus Post-Consumer-Abfällen. 14,8 % fielen beim Herstellen beziehungsweise beim Verarbeiten von Kunststoffen an.

In Deutschland wurden im Jahr 2019 99,4 % aller gesammelten Kunststoffabfälle verwertet. Ein genauer Blick auf die Daten zeigt: 2,93 Mio. t, das entspricht 46,6 % der Kunststoffabfälle wurden werk- und rohstofflich genutzt. 3,31 Mio. t, also 52,8 %, wurden energetisch verwertet. Davon landeten wiederum 2,15 Mio. t in Müllverbrennungsanlagen. 1,16 Mio. t der Kunststoffabfälle ersetzten als Ersatzbrennstoff fossile Brennstoffe etwa in Zementwerken oder Kraftwerken. 40.000 t, also 0,6 %, wurden davon beseitigt, also deponiert oder in Anlagen verbrannt. Die Daten wurden vom Umweltbundesamt auf Basis des "Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2019" erhoben.

Entwicklung der Verwertung der Kunststoffabfälle
(Bild: Umweltbundesamt / Conversio Market & Strategy GmbH)

Lässt sich Kunststoff auch in infrastrukturarmen Gegenden recyceln?

In europäischen Gefilden ist das das Recycling von Kunststoffen im Vergleich zu Ländern des globalen Südens respektive des asiatischen Raumes recht fortgeschritten. Aufgrund fehlender Infrastruktur, angefangen von Sammelstellen über Anlagentechnik zum Recycling von Kunststoffen, stehen diese Länder vor kaum zu überwindbaren Herausforderungen. Welche Möglichkeiten gibt es hier? Wie lassen sich dort dennoch gewisse Strukturen und Technologien fördern?

Einen niederschwelligen und kostengünstigen Zugang zu Kunststoffrecycling schaffen – das ist das Ziel des österreichischen Social & Green Tech-Unternehmens Plasticpreneur. Um das zu realisieren, hat das Unternehmen small-scale Kunststoffrecycling-Maschinen und dazugehörige Werkzeuge entwickelt. Das Team möchte aber nicht nur den Zugang zu Kunststoffrecycling ermöglichen, sondern auch zu dem entsprechenden Know-how und dabei gleichzeitig das Bewusstsein der Menschen bilden, um verantwortungsbewusst und nachhaltig mit dem Material im Sinne einer Kreislaufwirtschaft umzugehen. Wie das funktioniert, das lesen Sie in diesem Artikel.

ein kunststoffgegossener Kamm wird aus einem Werkzeug entnommen
Kunststoffrecycling hands-on erleben, Kreativität fördern und Bewusstsein bilden – das sollen die Maschinen und Werkzeuge von Plasticpreneur ermöglichen. (Bild: Plasticpreneur/Dennis Diatel)

Wie lassen sich farbige Kunststoffe recyceln?

Eine noch nicht (gänzlich) geklärte Frage ist die, wie sich auch farbige Kunststoffe in einen Kreislauf überführen lassen. Denn wer beispielswese Produkte aus rotem, blauem und grünem Kunststoff schreddert und als Rezyklat nutzt, wird voraussichtlich mit einer Farbe enden, die für den Konsumentenbereich ungeeignet ist. Weshalb farbige Kunststoffe in der Vergangenheit nicht selten als Parkbank endeten. Um mit solchen Kunststoffen ein möglichst hochwertiges Recycling betreiben zu können, gibt es Ansätze wie eine möglichst sorten- und farbereine Sortierung. Aber auch die verwendeten Masterbatches könnten eine entscheidende Rolle spielen.

Können Kunststoffrezyklate unangenehm riechen?

Die Antwort lautet: ja. Kunststoffrezyklate können von Natur aus unangenehm riechen. Grund sind die flüchtigen organischen Verbindungen (VOC). Damit sind die Rezyklate lediglich für minderwertige Anwendungen einsetzbar. Gilt es, höherwertige Produkte zu erzeugen, so muss der Geruch verschwinden. Der Anlagenbauer Zeppelin Systems aus Friedrichshafen hat hierfür sogenannte Desodorierungsanlagen, welche Rezyklate entgasen, indem sie die VOC in einem thermisch-physikalischen Reinigungsprozess kontinuierlich oder diskontinuierlich eliminieren. Wie genau das funktioniert, lesen Sie in diesem Artikel.

Wie hoch ist die Recyclingquote bei Kunststoffverpackungen?

Laut Angaben der Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) hat das Recycling von Kunststoffverpackungen im Gelben Sack im Jahr 2020 die gesetzliche Zielvorgabe von 58,5 % überschritten und liegt aktuell (Stand 2021) bei 60,6 %.

Quellen des Umweltbundesamtes/GVM zufolge nahm der Verbrauch von Kunststoffverpackungen 2019 gegenüber dem Vorjahr um 56.000 t beziehungsweise 1,7 % ab. Für 2020 weisen erste Zahlen ebenfalls in diese Richtung – trotz Sondereffekten der Corona-Pandemie. Zurückzuführen ist die Mengenabnahme auf weniger Ressourceneinsatz bei Kunststoffverpackungen, mehr Folien- statt starrer Verpackungen sowie auf die Substitution durch andere Materialien und hier vor allem zumeist schlecht recyclingfähige Papier-Kunststoff-Verbunde.

Das Recycling von Kunststoffverpackungen findet zu 80 % in Deutschland und zu knapp 20 % in Europa statt. Unter 3 % der Gelbe-Sack-Abfälle werden außerhalb Europas exportiert – überwiegend in die Türkei und die Schweiz. Das geht aus Quellen des ZSVR hervor.

Was ist Greenwashing?

Die Kunststoffindustrie leidet unter den Auswirkungen von Greenwashing. Doch was wird überhaupt unter dem Begriff verstanden? Greenwashing zielt darauf ab, ein Unternehmen oder dessen Produkte und Dienstleistungen umweltfreundlicher darzustellen als diese tatsächlich sind. Vom Aufwand den einige betreiben, etwa um umweltverträglich zu produzieren, profitieren also Akteure, die sich diese Investitionen sparen und so höhere Gewinne erwirtschaften können. Wenn solche Schummeleien dann öffentlich werden, tragen absurderweise den Schaden auch diejenigen, die tatsächlich Wert auf Nachhaltigkeit legen.

In folgendem Artikel werden die Problemstellungen des Greenwashing insbesondere für die Kunststoffindustrie dargelegt. Dieser umfasst die Fragestellungen:

 

 

  • Was ist das Problem mit Greenwashing?
  • Was sind die Unterschiede zwischen Green Marketing und Greenwashing?
  • Welche unmittelbaren Auswirkungen hat Greenwashing auf die Kunststoffindustrie?
  • Wie geht der Gesetzgeber künftig gegen Greenwashing vor?
  • Wie kann man als Unternehmen Greenwashing vermeiden?
Recycleye Vision verwendet künstliche Intelligenz, um Materialien identifizieren und den jeweiligen Materialströmen zuordnen zu können. (Bild: Recycleye)

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz für das Kunststoffrecycling?

Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt zunehmend sämtliche Bereiche unseres Lebens. Auch in der Entsorgungswirtschaft nimmt sie mittlerweile eine gewichtige Rolle ein. KI-basierte Software, Algorithmen respektive maschinellem Lernen unterstützen dabei, Abfallströme zu sortieren. Dabei gehen diese Entwicklungen Hand in Hand mit modernen Automatisierungslösungen. Bestes Beispiel: Roboterbasierte Sortieranlagen, gestützt durch Künstliche Intelligenz.

Welche Möglichkeiten sich insbesondere in der Robotik dadurch ergeben, lesen Sie in den folgenden Artikeln:

Wie sich Künstliche Intelligenz in der Entwicklung von Rezyklatcompounds einsetzen lässt und welche Vorteile sich dadurch ergeben, das lesen Sie hier.

Ein Roboter und Phiolen, die bunten Nebel ausströmen
(Bild: Dalle 3 / Open AI)

Am TITK, Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung und dem FZMB, Forschungszentrum für Medizintechnik und Biotechnologie wurde ein labortaugliches Messsystem entwickelt, welches mithilfe selbstlernender Algorithmen die Informationen aus dem GC-IMS-Probenspektrum einer Geruchsnote zuordnen kann und damit das Potenzial zur objektiven Geruchsprüfung bietet. Die Ergebnisse lesen Sie hier.

Ein Kreislaufsymbol umringt von Bauteilen respektive Komponenten aus Kunststoff
(Bild: Dalle 3 / Open AI)

Was ist Design for Recyling?

"Design for Recycling" ist ein Ansatz in der Produktentwicklung, der darauf abzielt, Produkte von Beginn an so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus leicht recycelt werden können. Kerngedanke ist es, bereits in der Designphase eines Produktes Recyclingaspekte zu berücksichtigen. Das umfasst verschiedene Strategien:

  1. Materialauswahl: Einsatz von Materialien, die leichter recycelbar sind: Monomaterial/Standardkunststoffe anstelle von Verbundmaterialien.

  2. Produktdesign: Konstruktion des Produkts auf eine Weise, die das spätere Zerlegen und Sortieren der Materialien erleichtert. Beispielsweise kann das Vermeiden von Klebstoffen und das Verwenden von leicht lösbaren Verbindungselementen das Recycling fördern.

  3. Kennzeichnung: Klare Kennzeichnung der verwendeten Materialien, um das effektive Sortieren und Wiederverwerten zu erleichtern. Beispiel Tracer-Technologien.

  4. Modularität: Gestaltung des Produkts in modularen Einheiten, die einfach ausgetauscht oder recycelt werden können, wenn sie defekt sind oder das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht haben.

  5. Reduzierung von Schadstoffen: Vermeidung von Stoffen, die das Recycling verkomplizieren oder die Wiederverwertbarkeit des recycelten Materials einschränken.

Durch "Design for Recycling" können Unternehmen nicht nur die Umweltbelastung ihrer Produkte reduzieren, sondern auch die Kosten für die Entsorgung und Materialwiedergewinnung senken. Es trägt dazu bei, den Kreislauf der Ressourcennutzung zu schließen und unterstützt die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft.

Joachim Becker, Designer und Erfinder der kreislauffähigen Leuchten bei Beolum
Joachim Becker, Designer und Erfinder der kreislauffähigen Leuchten. (Bild: Beolum)

Design for Recycling, aber auch Langlebigkeit von Produkten verringern den Ressourcenverbrauch. Ein Elektroingenieur hat eine Leuchtengeneration entwickelt, die diese beiden Gesichtspunkte vereint. PLASTVERARBEITER sprach mit ihm über deren Entwicklung und die Philosophie dahinter. Neugierig? Zum Interview gelangen Sie hier.

Was ist Upcycling?

Upcycling wird sicherlich zunächst nicht Jedem ein Begriff sein. Dennoch hat höchstwahrscheinlich jeder schon einmal etwas upgecycelt: sei es die Milchtüte als hängender Vogel-Futtertrog für den Garten oder die alte Klopapierrolle für das Basteln mit den Kindern. Aus vielen alltäglichen Gegenständen und Materialien lässt sich irgendetwas verarbeiten. Doch was ist Upcycling nun genau?

Upcycling versteht sich als Form des Recyclings. Hier werden Gegenstände, Rohstoffe – zumeist Abfallprodukte – in eine neue Form von Produkt umgewandelt beziehungsweise zweckentfremdet. Es kommt also zu einer stofflichen Aufwertung. So können beispielsweise auch PET-Flaschen als Grundlage für zahlreiche neue Produkte dienen. Ein weiteres Beispiel hierfür kommt auch aus der Automobilindustrie. Der Automobilzulieferer Borgers aus Bocholt (Teil der Autoneum Gruppe) verwendet beispielsweise meeresgebundene Abfälle wie PET-Flaschen als Basis für textile Radlaufschalen für das Automobil. Diese werden abfallfrei gefertigt und sind am Ende der Fahrzeuglebensdauer wieder komplett recycelbar.

Was ist Downcycling?

Beim Downcycling werden Produkte oder auch Rohstoffe wiederverwertet, es sinkt jedoch die Qualität des Endproduktes bzw. Rohstoffs. Hier erfolgt eine stoffliche Abwertung. So werden beispielsweise Abfallprodukte aus Kunststoffen in ihre Grundbestandteile zerlegt, mit neuen Stoffen vermischt und in neuer Form in den Kreislauf zurückgeführt.

Beispiele für das Downcycling sind Altkleider, die geschreddert und dann zu Dämmmaterial verarbeitet werden. Auch Kunststoffe lassen sich downcyceln, das trifft insbesondere auf komplexe technische Produkte zu, deren sortenreine Trennung meist mit hohem Aufwand verbunden ist. Beim Kunststoffrecycling bleiben beispielsweise Additive im Materialstrom meist als Verunreinigungen zurück. Sie beeinträchtigen die technischen Eigenschaften der recycelten Kunststoffe. Aus diesem Downcycling-Material lassen sich oftmals nur noch qualitativ minderwertigere Produkte fertigen. Beispiel dafür sind die bekannten Standfüße für Straßenschilder, welche oftmals bei Straßenarbeiten zu sehen sind. Werden Additive hinzugesetzt, lassen sich die downgecycelten Materialien aber auch weiterhin zu höherwertigen Produkten verarbeiten.

Welche Verbände sind im Umfeld des Kunststoffrecycling aktiv?

Plastics Europe: Der paneuropäische Verband der Kunststofferzeuger unterhält Büros in mehreren Ländern Europas. Mit rund 100 Mitgliedern, die für über 90 % der Kunststoffproduktion in ganz Europa stehen will man einen Beitrag für mehr Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz in einer nachhaltigen Kunststoffindustrie leisten.

Auf globaler Ebene ist Plastics Europe im World Plastics Council (WPC) und in der Global Plastics Alliance (GPA) aktiv und leistet so einen Beitrag zum breiten Akteursdialog über UNEA5 und den globalen Verhandlungen zum nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen.

Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV): Als Dachverband bündelt und vertritt der GKV die gemeinsamen Interessen seiner Trägerverbände und agiert dabei als Sprachrohr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.

VDMA Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen: Der Verband vertritt als Interessengemeinschaft mehr als 200 europäischen Hersteller von Kunststoff- und Gummimaschinen. Innerhalb Deutschland vertritt man, laut eigenen Angaben, über 90 % der Branchenunternehmen.

Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE): Der BVSE vertritt rund 980 mittelständisch geprägte Unternehmen der Sekundärrohstoff-, Recycling- und Entsorgungswirtschaft.

Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE): Die Mitgliedsunternehmen des BDE repräsentieren laut eigenen Aussagen 75 % des privatwirtschaftlich erbrachten Umsatzes in den Wirtschaftszweigen „Abwasserentsorgung“, „Sammlung, Behandlung, Beseitigung und Recycling von Abfällen“ sowie „Beseitigung von Umweltverschmutzungen und sonstige Entsorgung. Insgesamt bilden rund 750 Mitglieder die gesamte Wertschöpfungskette der Kreislauf- und Ressourcenwirtschaft ab.

 

Warum sowohl mechanisches, als auch chemisches Recycling wichtig sind

Das mechanische Recycling hat in der jüngeren Vergangenheit eine Vielzahl an Innovationen hervorgebracht. Zwar ist das Verfahren großtechnisch etabliert, technische und auch ökonomisch stößt es aber an seine Grenzen. Die Qualität mechanischer Rezyklate hängt dabei stark von der Sortier- und Trenntechnik der vorgeschalteten Aufbereitungsverfahren ab. Für Sortieraufgaben kommen dabei auch Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Meist werden die Abfallströme noch nach Hauptpolymeren und Monomaterialien sortiert, nicht aber nach den Unterklassen, was zusätzlich die Rezyklatqualität mindern kann. Tracer-basierte Sortieransätze können dabei helfen, die Abfalltrennung im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Beim mechanischen Recycling dreht sich in der öffentlichen Wahrnehmung vieles um das Verwerten von Verpackungsabfällen. Wie aber ist es beispielsweise um das Aufbereiten der Produktionsabfälle bestellt, die beim Herstellen von Gebrauchsgütern und technischen Teilen anfallen? Exklusive Einblicke darüber gibt ein Recycler. Wie es beispielsweise beim Wiederverwerten von PIR-Abfällen von POM-Halbzeugen zugeht, die bis zu 150 kg wiegen, zeigt dieser Beitrag, der Einblicke in das Aufbereiten solcher Produktionsabfälle gewährt.

Lassen sich alle Kunststoffabfälle mechanisch recyceln?

Die Homogenität von Abfallströmen leidet aber auch unter der zunehmenden Verwendung von Verbundmaterialien. Sie mindern die Sortenreinheit des Materials und limitieren auch das Weiterverarbeiten des gewonnenen rezyklierten Materials. Wo das  mechanische Recycling an seine Grenzen stößt, eröffnet das chemische Recycling völlig neue Potenziale. So lassen sich beispielsweise PET-haltige, mehrlagige Verpackungsprodukte wie Multilayerfolien oder Tiefziehschalen lediglich thermisch verwerten. Ein Problem für den Kreislaufgedanken. Eine Chance, diese Produkte in eine zirkuläre, stoffliche Wertschöpfung zu überführen bietet die Revol-PET-Technologie. Ebenso setzt Südpack für das Wiederverwerten flexibler Mehrschichtfolien auf das chemische Recycling. Der Hersteller von Hochleistungsfolien sieht das Verfahren als komplementäre Technologie zum mechanischen Recycling und kooperiert hierfür mit Carboliq. Wie genau diese Partnerschaft aussieht, das können Sie hier erfahren. Weitere Einblicke gewährt Südpack außerdem in diesem Artikel, der die Carboliq-Technologie erneut aufgreift.

Eine Herausforderung, insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie, stellt aber auch das Recycling von medizinischen Einmal-Produkten dar. Darunter fallen auch medizinische Einmal-Gesichtsmasken. Diese landen zumeist jedoch im Restmüll, wie es auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vorschreibt. Wie aber lassen sich diese Produkte wieder in den Verwertungskreislauf zurückführen? Das Fraunhofer-Institut Umsicht kooperiert dafür mit dem Chemieunternehmen Sabic und dem US-amerikanischen Konsumgüterkonzern Procter & Gamble (P&G) und demonstriert mithilfe der I-Cycle-Technologie, die auf dem chemischen Recycling basiert, wie dies gelingen kann.

Ebenfalls schwieriger zu recyceln sind gemischte Kunststoffabfälle, wie sie auch im Hausmüll auftreten. Diese landen zu einem Großteil in Betonwerken und Müllverbrennungsanlagen (MVAs) oder werden deponiert. Das im Recycling aktive Unternehmen Tubis hat ein Pyrolyse-Verfahren auf Basis „Plastic to Oil“ entwickelt. Dieses trennt gemischte Kunststoffabfälle in schwefelarmes Öl, Koks und Gas. Das Öl dient als Ausgangsstoff für industrielle Anwendungen wie Kunststoffe, Schmierstoffe, Gummi oder Düngemittel. Das Gas wird zum fortwährenden Aufheizen der Anlage genutzt, der laufende Pyrolyse-Betrieb braucht kein externes Gas mehr. Mit dem Verfahren lassen sich dem Unternehmen nach die Anteile des unsortierten Hausmülls, die bisher als Ersatzbrennstoff (EBS) genutzt werden, verwerten.

Dass man beispielsweise aber auch nicht-recycelbare Altkleidern und Kunststoffabfälle zu wiederverwendbaren Materialien verarbeiten kann, zeigt das Start-up Crcl. Dieses hat aus den zuvor genannten "Abfällen" ein spritzgießfähiges Granulat entwickelt. Das Material eignet sich für Anwendungen in Branchen wie der Möbel- und Automobilindustrie. Wie das funktioniert und wer hinter dem Start-up steht, erfahren Sie hier.

Darüber hinaus ist die Vielfalt von chemischen Recyclingverfahren groß.

 

Wie werden lackierte Kunststoffbauteile recycelt?

Was aber, wenn Kunststoffbauteile lackiert sind, so wie es häufig im Automobilbereich der Fall ist? Das Recycling von lackierten Kunststoffteilen ist immer noch eine große Herausforderung für die Entsorgungsindustrie, denn die Lackierung erschwert dieses massiv, was wiederum das sortenreine Recycling beeinträchtigt. Um lackierte thermoplastische Teile wie Stoßfänger, Kotflügel oder Kühlergrills ohne Qualitätsverlust des polymeren Materials im Kreislauf zu halten, ist es unerlässlich, die duroplastische Schicht vor der Wiederverwendung zu entfernen. Wie genau das technologisch machbar ist, lesen Sie hier.

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt auch das Recyclingunternehmen Wipag, das sich automobilen Bauteil wie Stoßfängern widmet. Um aus diesen hochwertige Recycling-Compounds zu gewinnen, greift das Unternehmen auf spezielle, eigene Verfahren zurück, die es ermöglichen, komplexe Materialverbunde zu separieren. So wird ein Closed-Loop-Recyclingkreislauf realisierbar. Sprich: Aus den Produktionsabfällen werden Rezyklate gewonnen, die wieder in neuen Stoßfängern der Hersteller zum Einsatz kommen. Wie das funktioniert und mehr.

Verchromte Kunststoffbauteile auf einem Haufen
Verchromte Kunststoffbauteile bieten ein hohes Recyclingpotenzial. (Bild: BIA)

Wie werden verchromte Kunststoffbauteile recycelt?

Ein typisches Bauteil aus verchromtem Kunststoff besteht zu circa 75 % aus Kunststoff und 25 % aus Metall, das wiederum zu 66 % aus Kupfer, 33 % aus Nickel und maximal 1 % aus Chrom besteht. Da man verchromte Kunststoffabfälle nicht sauber vom Metall trennen konnte, wurden bislang lediglich die Metalle wiederaufbereitet und die Kunststoffe in der Regel thermisch verwertet.

Das Unternehmen BIA hat mit Partnern ein Verfahren zur Trennung, Reinigung und Wiederverwertung sowohl der Metalle als auch der Kunststoffe entwickelt. Dabei werden die metallbeschichteten Kunststoffbauteile in einem wenig Energie benötigenden, mechanischen Prozess zerkleinert, wobei das Metall sich von der Kunststoffoberfläche ablöst. Die Metallschicht wird aufgrund des Nickels einfach per Magnetabscheidung vom Kunststoff getrennt und wiederaufbereitet. Der Kunststoff kann zu 100 % wiederverwertet werden und in die Herstellung neuer Bauteile einfließen. Wie das funktioniert? Lesen Sie selbst.

Worauf ist beim Inline-Recycling zu achten?

Was ist eigentlich beim direkten Rückführen und Zudosieren von Mahlgut technischer Kunststoffe, etwa aus Ausschussteilen oder auch Angüssen aus aus Polyamid (PA), Polycarbonat (PC), Polyoxymethylen (POM) oder Polybutylenterephthalat (PBT), in den Produktionsprozess von Spritzguss- und Extrusionsanwendungen zu beachten? Antworten darauf bietet das Unternehmen Digicolor, Herford, in diesem Artikel.

Manfred Hackl, CEO der Erema Group
(Bild: Erema)

Chemisches Recycling: Technologisch ausbau- aber zukunftsfähig

"Kunststoff ist nicht nur der vielseitigste, sondern, bei objektiver Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, in vielen Anwendungsbereichen auch der nachhaltigste Werkstoff, wenn der Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft gelingt. Um diesen Wandel zu geschlossenen Kunststoffkreisläufen zu schaffen, müssen die technischen Möglichkeiten des Mechanischen Recyclings durch den Ausbau der entsprechenden Sammel-, Sortier- und Recyclinginfrastruktur sowie durch die Weiterentwicklung der Technologien und der Endanwendungen für recycelte Kunststoffe zu 100 Prozent ausgeschöpft werden. Für Materialströme, bei denen dieser Verwertungsweg nicht mehr möglich ist, gilt es, zusätzliche Verfahren zu nutzen. Chemisches Rohstoffrecycling kann eine sinnvolle Ergänzung zum Mechanischen Recycling werden muss technologisch aber noch weiterentwickelt werden. Erema trägt dazu mit Know-how über die Aufbereitung der Inputströme vor dem eigentlichen Chemischen Recyclingprozess bei." Manfred Hackl, CEO Erema Group

Welche Alternativen zum chemischen Recycling gibt es?

Eine Alternative bietet die lösemittelbasierte Newcycling Technologie des in Merseburg ansässigen Unternehmens APK. Bei diesem neuartigen Verfahren werden die Polymerketten eines Kunststoffs gelöst, bleiben ansonsten aber nahezu unverändert, wodurch sich dieses Verfahren klar vom chemischen Recycling abgrenzt. In einer entsprechenden Anlage, deren Testbetrieb im Pilotmaßstab 2013 gestartet wurde, werden transparente und bunte Post-Industrial-Abfälle, wie Randbeschnitt, Ballen, Umstellrollen, aus PE/PA von europäischen Verpackungsfolienherstellern, mithilfe eine speziellen Lösemittels, recycelt.

Die Kapazitäten der Anlagen im Bereich des chemischens Recyclings sind heute noch gering und die Wirtschaftlichkeit wird stark vom Ölpreis beeinflusst. Um jedoch die Kreisläufe im Bereich des Kunststoffrecyclings schließen zu können, werden sowohl das mechanische, als auch das chemische Recycling gleichermaßen gebraucht.

Es gibt aber auch Ansätze, wie Cradle-to-Cradle, die ein komplettes Umdenken fordern. Hier werden der biologische und der technische Kreislauf mit einbezogen. Prof. Dr. Michael Braungart, Mitinitiator des Cradle-to-Cradle-Konzepts, weiß den Wert von Kunststoffen zu schätzen, ist aber ein scharfer Kritiker der Anwendung von Kunststoffen in ihrer heutigen Form. Statt alleine auf Recycling zu setzen, das in der aktuellen Praxis meistens ein Downcycling bedeutet, fordert er ein grundsätzliches Umdenken.

Prof. Dr.-Ing. Dieter Stapf
(Bild: KIT)

Chemisches oder mechanisches Recycling? Die Mischung macht's

„Eine klimaneutrale und ressourcenarme Kreislaufwirtschaft erfordert in großem Maße das Recycling der Kunststoffe, um den Kohlenstoffkreislauf zu schließen. Ein großer Teil der Kunststoffabfälle kann gar nicht oder nur mit Qualitätsverlusten mechanisch recycelt werden, sei es dass die Kunststoffe nicht schmelzbar sind oder als Verbundmaterialien vorliegen, oder aber als stark verschmutzte und heterogene Abfälle. Hier kann das chemische Recycling in Ergänzung zum mechanische Recycling eine Lösung bieten. Durch Pyrolyse oder Gasifizierung oder bei manchen Kunststoffarten auch durch Solvolyse werden die mechanisch vorbehandelten Abfälle in Rohstoffe für die chemische Produktion umgewandelt und Störstoffe werden abgetrennt. Dadurch werden fossile Rohstoffe ersetzt und die Abfälle wieder zu Neuware umgewandelt. Die ökologische Vorteilhaftigkeit entsteht vor allem dadurch, dass die energetische Verwertung (die Verbrennung) der Abfälle vermieden wird, die den hohen Energiebedarf mit den verbundenen Klimagasemissionen der Kunststoffherstellung nur zu einen kleineren Teil kompensiert. Die chemischen Recyclingverfahren befinden sich in der Entwicklung. Gerade für die gemischten Kunststoffabfälle sind technologieoffene Demonstrationsvorhaben notwendig, um die neuen Technologien zu skalieren und sie in die Produktionsketten der Industrie zu integrieren und um die Daten zu ermitteln, die für gesetzgeberische Entscheidungen für eine klimaneutrale Industrie notwendig sind.“ Prof. Dr.-Ing. Dieter Stapf, Head of Institute, Chair of High Temperature Process Engineering, Karlsruhe Institute of Technology (KIT)

Welche technologischen Sprünge sind beim chemischen Recycling noch zu erwarten?

Im Bereich des chemischen Recyclings bewegt sich so einiges: Neue Kooperationen und Anlagenprojekte befeuern technologische Sprünge und Innovationen. Dass hier noch weitere Potenziale zu heben sind, beweist auch das folgende Beispiel eine noch recht neuen Verfahrens:

Dr. Thomas Maschmeyer, Professor an der Sydney University, Australien
Dr. Thomas Maschmeyer, Professor an der Sydney University, Australien. (Bild: Thomas Maschmeyer)

Chemisches Recycling – Wie in 20 Minuten aus Kunststoffflakes Öl wird

Im ersten Moment klingt es unglaublich, dass chemisches Recycling so einfach und schnell funktionieren kann. Es ist jedoch mit der Erfindung von Dr. Thomas Maschmeyer, einem aus Hamburg stammenden Chemie-Professor, möglich. PLASTVERARBEITER sprach mit dem Erfinder, der unter anderem für das Verfahren Ende 2020 in Australien mit dem „Prime Minister’s Prize for Innovation“ ausgezeichnet wurde.

In 20 Minuten vom nicht recycelbaren Kunststoffabfall zum Rohöl. Wie ist dies möglich?

Dr. Thomas Maschmeyer: Möglich ist es mit der katalytischen, hydrothermalen Reaktor-Technologie (Cat-HTR), so der Name des chemischen Recyclingverfahrens, das wir 2007 mit meinem Start-up Licella entwickelt haben. Mit dieser Technologie lässt sich aus jeder organischen Materie Öl gewinnen. Im Fall der Kunststoffabfälle werden gereinigte Kunststoffflakes mit einer maximalen Größe von 5 mm und Wasser als Trägermaterial dem Reaktor zugeführt. Dort wird dieses Gemisch mit superkritischem Wasser – Wasserdampf unter sehr hohem Druck – beaufschlagt. In diesem oliophoben Zustand kann das aktivierte „Wasser“ kein Salz mehr aufnehmen, sondern nun aber Öl binden und Wasserstoff in das entstehende Produkt transferieren.

Betrieben wird die Anlage mit dem Abfall selbst, denn ein Teil des Kunststoffs wird in Gas umgewandelt und direkt in den Heizkessel zurückgeführt, der den Reaktor, die Destillationssäule sowie, bei sehr kaltem Wetter, die Produkttanks versorgt. Bis auf die elektrischen Komponenten der Anlage ist somit keine weitere Energiezufuhr nötig. Die entstehenden flüssigen Produkte werden durch die Destillationssäule kontinuierlich in Naphtha, leichtes Öl, industrielle Wachse und Bitumen getrennt. In der Raffinerie können die gewonnenen Produkte 1:1 Fraktionen aus fossilem Rohöl ersetzen und dann zu neuen Kunststoffen, Schmiermitteln oder auch Chemikalien verarbeitet werden. Das Bitumen, in dem sich auch die Additive, Füllstoffe, Druckfarben der Kunststoffprodukte sowie das Aluminium aus Mehrschichtverpackungen als Aluminiumoxid befinden, kann im Straßenbau eingesetzt werden. Auf Kohlenstoffbasis liegt der im Kreislauf geführte Anteil somit größtenteils als Flüssigprodukte vor.

Das Verfahren lässt sich wirtschaftlich betreiben und ist seit Jahren verfügbar. Warum wird es erst jetzt industriell eingesetzt?

Maschmeyer: Die Bilder vom Kunststoffmüll im Meer hat die Konsumenten wachgerüttelt und somit das Thema in den Fokus gerückt. Hinzu kam, dass die Länder in Südostasien signalisiert haben, keinen weiteren Kunststoffabfall mehr aufzunehmen und so wurde das Cat-HTR für das Recycling von Mischabfällen und Multilayern interessant. Wir haben die Rechte zur Anwendung von Cat-HTR im Plastikbereich an unser Joint Venture Mura Technology vergeben, die dann im Anschluss strategische Partnerschaften begründet hat, unter anderem mit KBR, einem US-amerikanischen Ingenieur- und Bauunternehmen sowie Dow Chemical. Mitsubishi Chemical hat eine Lizenz erworben mit der Absicht eine Anlage in Japan bis 2023 zu errichten. In Wilton, Großbritannien, entsteht derzeit im europäischen Raum die erste kommerzielle Anlage mit einer Jahreskapazität von 20.000 t, die in der Endausbaustufe 80.000 t betragen wird. In diese Anlage hat die Mura Geld durch Beteiligungsverkäufe an Dow, KBR sowie auch an das deutsche Unternehmen Igus investiert.

Wo positionieren Sie die Cat-HTR-Technologie?

Maschmeyer: Ich sehe die Technologie als Ergänzung zum mechanischen Recycling, denn der Anspruch ist bei beiden Technologien, aus Lebensmittelverpackungen wieder Lebensmittelverpackungen herzustellen und keine Parkbänke. Diesen geschlossenen Kreislauf können die mechanischen Verfahren für Multilayer- und Mischabfälle nicht leisten. Hier setzt Cat-HTR an, indem wir die Abfälle aufbereiten, die als unsortierte Kunststoffabfälle die Anlagen der Entsorgungsunternehmen verlassen und dem thermischen Verwerten zugeführt würden. So ergänzen sich die Recyclingtechnologien sinnvoll und treten nicht in Konkurrenz. Rohöl und CO2-Emissionen können eingespart werden, da die Polymere mit unserem Verfahren beliebig oft im Kreis geführt werden können.

Welche Standards existieren im Umfeld der Kreislaufwirtschaft?

Wie in vielen anderen Bereiche auch, bedarf es auch beim Kunststoffrecycling entsprechender Qualitätsstandards. Das betrifft auch Kunststoff-Rezyklate. Denn Kunstststoffabfälle qualitativ so aufzubereiten, dass sie in gleich- oder höherwertigen Produkten eingesetzt werden können, kann sich als Herausforderung darstellen. Gründe sind hier meist eine schwankende Materialqualität sowie eine fehlende Informationsdichte. Wie es wiederum gehen kann, zeigt beispielsweise das Unternehmen Duo Plast, Lauterbach, Gründungsmitglied der Initiative ERDE, die Agrarfolien dem Kreislauf zurückführt: Aus daraus gewonnenem hochwertigen Rezyklat, lassen sich Stretchfolien mit PCR-Anteil produzieren.

Standards, wie die neue DIN SPEC 91446 sollen dabei helfen, eine gemeinsame Sprache und klare Definition von Rezyklaten zu etablieren. Der Weg zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft führt über ein konsequentes Design for Recycling, umfassende Qualitätsstandards für die entstehenden Rezyklate und eine Produktdesign for Recyclates, um deren Wiedereinsatz zu ermöglichen. In unserer Bestandsaufnahme finden sich die wichtigsten Standards im Überblick.

Michael Wittmann, Geschäftsführer der Wittmann Group, und Dr. Alexander Kroniums (rechts).
Michael Wittmann, Geschäftsführer der Wittmann Group, und Dr. Alexander Kroniums (rechts). (Bild: Plastics Europe Deutschland)

Warum ist die Digitalisierung für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft wichtig?

Die Digitalisierung ist entscheidend für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft, da sie effiziente Prozesse, Ressourcenschonung und nachhaltige Wertschöpfungsketten ermöglicht. Technologien wie KI-gestützte Sortierung, Automatisierung und digitale Produktpässe verbessern Recyclingprozesse und die Materialrückgewinnung. Sie beschleunigt zudem die Transparenz und Nachverfolgbarkeit von Materialien, was den Übergang von linearen zu zirkulären Wirtschaftssystemen fördert. Gerade im Kunststoffsektor hilft die Digitalisierung, den Einsatz von Primärrohstoffen zu reduzieren und den Weg zu geschlossenen Kreisläufen zu ebnen.

Auf den Wittmann Competence Days 2024 des österreichischen Spritzgießmaschinenherstellers Wittmann, hatte die Redaktion des PLASTVERARBEITER Gelegenheit mit Dr. Alexander Kroniumus, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, über die Rolle der Digitalisierung für die Kunststoffkreislaufwirtschaft zu sprechen. Seine Meinung dazu lesen Sie in diesem Interview.

Was sind die wichtigsten Handelsplattformen für Kunststoffe?

In den vergangenen Jahren haben sich eine Vielzahl an digitalen Handelsplattformen für Rohstoffe am Markt etabliert – auch für Kunststoffe. Angebot trifft hier auf Nachfrage. Der vielerorts noch immer analoge Einkaufs- und Vertriebsprozess soll digitalisiert werden. Die Plattformen nehmen Materialanfragen entgegen und suchen den passenden Anbieter. Man kann auch von der digitalen Transformation von Kunststoffen sprechen, deren Potenzial insbesondere im Bereich der Kreislaufwirtschaft besonders zukunftsträchtig erscheint. Digitale Angebote verschmelzen mit den Möglichkeiten der Künstlicher Intelligenz, vereinfachen Prozesse und beschleunigen beispielsweise auch die grundlegende Kunststoffentwicklung.

Doch was sind die wichtigsten Anbieter beziehungsweise Plattformen am Markt?

  • Cirplus: Die digitale Handelsplattform will Rezyklaten aus dem Nischendasein in der kunststoffverarbeitenden Industrie verhelfen – unterstützt vom Leiter des Instituts für Kunststoff- und Kreislauftechnik, Prof. Dr. Ing. Hans-Joses Endres. Die Redaktion sprach 2020 mit Unternehmensgründer Christian Schiller und Prof. Dr. Ing. Hans-Joses Endres. Wie sich die das noch junge Unternehmen seit dem entwickelt hat und welchen Herausforderungen beispielsweise die Branche respektive Kunststoffverarbeitende Industrie stellen muss, das erfahren Sie in unserem exklusiven Interview mit Herrn Schiller (Oktober 2022).
  • Polymore: Der Marktplatz und Startup wurde von Krauss Maffei ins Leben gerufen. Als europaweites Netzwerk für Reycling-Kunststoffe vertreibt man nicht nur Rezyklate, Verarbeiter von Kunststoffen können hier auch Reste aus ihrer Produktion verkaufen.
  • Plastship: Das Portal für recycelte Kunststoffe und Kunststoffrecycling ist seit 2018 im Aufbau und hat sich zum Ziel gesetzt, Rezyklate digital zu vermarkten. Mit Erfolg? Der PLASTVERARBEITER hat bei Plastship-Geschäftsführer Andreas Bastian nachgefragt.
  • Cyrkl: Das internationale Technologie- und Beratungsunternehmen hat sich auf das Thema Kreislaufwirtschaft spezialisiert. Produktionsabfälle, Restposten, Reyzklate oder Verpackungsmaterialien können hier an- und verkauft werden.
  • D-Link: Das Projekt entwickelt und verbreitet innovative digitale Systeme sowie ergänzende Kooperationskonzepte zur Unterstützung der Kreislaufschließung in der Kunststoffwirtschaft und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. So werden Technologien entwickelt und Infrastrukturen aufgebaut, um Potenziale zum Einsatz von Kunststoffrezyklat auszuschöpfen.

 

Mann vor gebrauchten Maschinenkomponenten
Michael Köhnhofer, Umac-Standortleiter, vor einem gebrauchten Laserfilter. (Bild: Redaktion)

Lassen sich auch Maschinen wiederverwerten?

Ohne entsprechende Technologien wäre ein Recycling, ganz egal ob Kunststoff, Metalle oder auch andere Rohstoffe, nicht möglich. Doch was passiert eigentlich mit den Anlagen, die nicht mehr dem technischen Standard entsprechend oder einfach nicht mehr die geforderten Kapazitäten decken können? Auch hier gilt: ganzheitliches Kreislaufdenken. Denn nicht nur Rohstoffe gilt es zu recyceln, in gebrauchten Anlagen respektive Maschinen stecken Potenziale für die Kreislaufwirtschaft. So können ganze Maschinen aber auch einzelne Komponenten in den Produktionskreislauf zurückgebracht werden. Wie das funktioniert und warum es sich letztendlich lohnen kann, das erfahren Sie in diesem Beitrag.

Welchen Stellenwert nimmt die Kunststoff-Kreislaufwirtschaft aus Sicht der Generation Z ein?

Nachhaltigkeit, Recycling, Kreislaufwirtschaft: öffentlich-medial wird viel um das vorherrschende Meinungsgut diskutiert, gesprochen aber auch vorverurteilt. Was aber denken beispielsweise Personen darüber, die zur sogenannten Generation Z, also ab dem Jahrgang 1996 Geborene, dazugehören? Insbesondere die jüngere Generation engagiert sich hier aktiv - seien es "Letzte Geration", Fridays for Future" oder andere Bewegungen oder Initiativen. Was bewegt diese Leute? Und ist ist diese Generation grundsätzlich gegen Kunststoff oder nur verzweifelt ob ihrer Zukunftsperspektiven? Im Exklusiven Interview sprach der PLASTVERARBEITER mit Johanna Hackl, Tochter des Erema-CEO Manfred Hackl, die bei Fridays for Future Schüler-Workshops zum Thema Kunststoff und Recycling durchführt.Wir sprachen auch mit jungen Leuten, die sich etwa bei der "letzten Generation" engagieren. Wie blicken Sie auf das Thema Klimawandel oder beispielsweise den Umgang mit Kunststoffabfällen? Antworten darauf erhalten Sie in diesem Interview. Die Redaktion sammelt natürlich auch Stimmen aus anderen Bereichen. So beantwortet auch ein Student der Hochschule Fulda aus dem Studium der Lebensmitteltechnologie, drängende Fragen zum Thema der Kreislaufwirtschaft und darüber hinaus - aber lesen Sie selbst.

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