Drei Sandspielförmchen aus Plastik (ein dunkelgrüner Krebs, ein weißer Seestern und eine hellgrüne Muschel) liegen auf Sand. Die Werkstoffe können vielfältig eingefärbt werden, wie am Sandspielzeug zu sehen ist.

Die Werkstoffe können vielfältig eingefärbt werden, wie am Sandspielzeug zu sehen ist. (Bild: Poracomp)

Immer häufiger formulieren OEMs Anforderungen an die Recyclingquote in ihren Produkten. Beispielsweise hat sich Mercedes-Benz zum Ziel gesetzt, den Anteil von Sekundärrohstoffen für die Pkw-Flotte bis 2030 auf durchschnittlich 40 % zu erhöhen. Volvo hat die Ambition für 2025, den Anteil an recycelten oder biobasierten Kunststoffen auf 25 % zu steigern. Aus diesen wenigen Beispielen sind schon die unterschiedlichen Strategien erkennbar, allen gemein ist jedoch, dass der Anteil an Rezyklaten in Bauteilen erhöht werden soll. Auch auf europäischer Ebene wird das Thema Recyclingquote intensiv diskutiert – insbesondere bei den Anteilen an Post-Consumer-Rezyklaten (PCR). Die Firma Poracomp mit Sitz in Schlüsselfeld bietet über ihre speziellen Poraver-Blähglasfüllstoffe hierzu neue Möglichkeiten, den Sekundärrohstoff-Anteil im Compound zu erhöhen.

Mit Blähglas eine Lücke schließen

Mikroskopie-Aufnahme. REM-Mikroskopie-Aufnahme eines eingebetteten Blähglas-Korns.
REM-Mikroskopie-Aufnahme eines eingebetteten Blähglas-Korns. (Bild: Poracomp)

Poraver stellt seit Anfang der 80er Jahre Blähglasgranulat wirtschaftlich und im industriellen Maßstab auf Basis von 100 % Recyclingglas bei moderaten Temperaturen um die 800 °C her. Normalerweise gelingt die Herstellung nur über Verwendung eines Spezialglases, das hierfür jedoch bei über 1.400 °C geschmolzen werden muss und damit sehr viel Energie benötigt. Umweltschonendes Recyclingglas jedoch steht weltweit mit Millionen Tonnen zur Verfügung, ist vergleichsweise preiswert und in stets der gleichen Qualität verfügbar. Mit einem Anteil von über 80 % Altglas wird dieses gerne von der Glasindustrie für das Herstellen neuer Flaschen und Trinkgläser wieder eingesetzt. Poraver besteht aus ausgewählten Glasfraktionen, die zur Produktion von Flaschen und Gläsern nicht mehr eingesetzt werden können. Somit schließt Blähglas eine Lücke im Recyclingkreislauf und schont gleichzeitig Ressourcen und Naturraum. Die Blähglasfüllstoffe werden nach einem selbstentwickelten Verfahren hergestellt. Dazu wird das Recyclingglas fein gemahlen, gemischt und geformt. Im Drehrohrofen wird das Rohkorn anschließend bei circa 800 °C aufgeschäumt und gesintert. Dieser Prozess erzeugt leichtes, kugelförmiges Blähglasgranulat mit einer weitgehend geschlossenen, feinen Porenstruktur. Das Rundgranulat wird anschließend in verschiedene Korngrößen fraktioniert.

Eigenschaften der Compounds

Die Kombination aus Blähglas und Kunststoff vereint zwei Materialwelten und erschafft Compounds, die leicht, nachhaltig und ressourcenschonend sind. Die Compounds verfügen über eine geringere Dichte als vergleichbare Compounds auf Basis von Standardfüllstoffen wie Vollglaskugeln, Kreide oder Talkum. Ursächlich hierfür sind die betreffenden Rohdichten der benutzten Füllstoffe. Neben dem Einsparen von Kunststoffen und dem erhöhten PCR-Gehalt bietet der Füllstoff Vorteile hinsichtlich seiner CO2-Bilanz. Das relative Treibhauspotenzial oder CO2-Äquivalent ist eine Maßzahl für den relativen Beitrag eines Stoffes zum Treibhauseffekt über einen bestimmten Zeitraum. Sie gibt an, wie viel eine bestimmte Menge des Stoffes im Vergleich zur gleichen Menge CO2 zur globalen Erwärmung beiträgt. Das CO2-Äquivalent von Blähglas Poraver liegt bei vergleichsweise niedrigen 0,52 kg CO2eq/kg [1] und von Glasmehl Mikrover nur bei 0,079 kg CO2eq/kg [1]. Die Compounds lassen sich mit allen gängigen Verarbeitungsverfahren verarbeiten, insbesondere im Spritzguss sowie der Extrusion. Darüber hinaus lassen sich die Compounds einfärben, was die Einsatzmöglichkeiten gegenüber PCR-Kunststoffen deutlich erweitert. Aufgrund seiner weiten Verbreitung und der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten wurde zunächst ein Compound-Portfolio auf Basis von Polypropylen (PP) entwickelt. Durch die Wahl geeigneter Basispolymere, Füllstoffe und Additive lassen sich Materialien mit den unterschiedlichsten Eigenschaften kreieren, die den verschiedenen kundenspezifischen Anforderungen gerecht werden. Darüber hinaus ist eine Vielzahl an PP-Rezyklaten, sowohl PCR- als auch PIR-basiert am Markt erhältlich, welche die Möglichkeiten für Compounds darüber hinaus noch erweitern. Ein Auszug aus dem aktuellen PP-Portfolio ist Tabelle 1 zu entnehmen.

Tabelle: Auszug aus dem PP-Portfolio
Tabelle 1: Auszug aus dem PP-Portfolio (Bild: Poracomp)

Wie lässt sich das Compound verarbeiten?

Brauner Verteilereinsatz: Er besitzt durch die Glaszugabe einen geringeren Verzug.
Der Verteilereinsatz besitzt durch die Glaszugabe einen geringeren Verzug. (Bild: Poracomp)

Die Compounds bieten trotz ihres Recyclinganteils ein gutes Verarbeitungsverhalten bei einem breiten Prozessfenster. Unter Beweis gestellt hat sich dies zum einen beim Herstellen von Musterbauteilen aus einem PP-Compound bei Positive Plastics. „Bei der Verarbeitung von Poracomp rPP 800072 mit Mikrover lief direkt im ersten Testlauf alles gut, die Verarbeitung des Materials ist einfach. Es gab keine Probleme mit dem Füllen der Kavität, dem Anhaften von Material an der Form, der Kristallisation oder dem Verzug. Das Verarbeitungsfenster ist in jeder Hinsicht recht breit. Poracomp wird mit zwei Materialien im nächsten Positive Plastics Kit 3 vertreten sein, das auf der Fakuma 2023 vorgestellt wird“, berichtet Markus Paloheimo, Mitbegründer von Positive Plastics. Zum anderen hat sich auch Stettler Kunststofftechnik aus Burgwindheim beim Herstellen eines Verteilereinsatz-Bauteils von den Materialvorteilen im Praxiseinsatz überzeugt. Insbesondere der reduzierte Verzug ist für dieses Bauteil aus PP relevant. Die mit dem Basismaterial auftretenden Verzugsprobleme konnten bereits mit einer Füllstoffzugabe von 10 % verringert werden. „Es konnte nicht nur der Bauteilverzug reduziert werden – durch den Füllstoffanteil wurde zudem die Fließfähigkeit des Materials und damit der Fertigungsprozess optimiert“, so Michael Lämmlein, Teamleiter Projektmanagement bei Stettler Kunststofftechnik.

Was ist das Positive Plastics-Kit?

Material Kit von Positive Plastics.
Material Kit von Positive Plastics. (Bild: Positive Plastics)

Positive Plastics zielt darauf ab, Desi-gnern, Ingenieuren und Produktmanagern eine bessere Einstellung zu Kunststoffen zu vermitteln. Das Positive Plastics-Kit ist eine Mustersammlung verschiedener innovativer, im Handel erhältlicher Polymere, die ein Werkzeug für das Materialverständnis und die Kommunikation zwischen nicht-technischen und technischen Teammitgliedern darstellt. Das Kit umfasst Post-Consumer-Recyclate (PCR), Post-Industrial-Recyclate (PIR), massenbilanzierte Materialien, biobasierte Materialien und Biokomposite. Alle Typen eignen sich für das Spritzgießen zum Herstellen langlebiger Produkte wie im Bereich von Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräten, Sportartikeln, Automobil-Innenausstattung und weitere mehr. Positive Plastics erweitert das Kit kontinuierlich um interessante Rezyklat- oder biobasierte Compounds.

In diesen Polymeren ist der Einsatz auch möglich

Der verstärkte Rezyklateinsatz auch bei Polymeren wird kontinuierlich vorangetrieben mit dem Ziel, Compounds mit nahezu 100 % Rezyklatanteil und niedrigen CO2-Äquivalenten zu entwickeln. In diesem Bereich stellt jedoch die konstante Sicherstellung der benötigten Mengen in ausreichender Qualität noch eine Herausforderung dar. Um das Portfolio zukünftig breiter aufzustellen, wird aktuell zudem die Verwendung von Blähglas und Glasmehl in weiteren Polymeren angestrebt. Erste Compounds auf Basis von PE und PA6 sind bereits entwickelt und befinden sich in der Erprobung. Darüber hinaus sind insbesondere weitere technische Thermoplaste denkbar.

Quelle: Poracomp

Fakuma 2023: Halle A5, Stand 5104

Quelle:

[1] Ökobilanz Poraver nach ISO 14040/44:2006 erstellt durch Intechnica Consult, Nürnberg

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Sie möchten gerne weiterlesen?