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Wenn Kunststoff im Kreislauf geführt wird oder aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt, verbessert sich seine Ökobilanz erheblich. (Bild: Art Gallery – Stock.adobe.com)

Ein wesentlicher Hebel liegt dabei im eingesetzten Material. In der Kunststoffindustrie stehen grundsätzlich zwei Wege zur Verbesserung der Klimabilanz von Rohstoffseite zur Verfügung: Die Verwendung biobasierter Werkstoffe oder von Sekundärmaterialien. Prof. Christian Bonten, Leiter des IKT an der Universität Stuttgart erklärt, wie man sich der Entscheidung nähern kann: „Ob recycelte oder biobasierte Kunststoffe besser für die Umwelt sind, lässt sich mit Hilfe von Ökobilanzen bewerten. Teil einer Ökobilanz ist die CO2-Bilanz, auch Carbon Footprint genannt. Bei diesem werden beide Gruppen von Kunststoffen recht gut abschneiden, da sie keinen „neuen“ fossilen Kohlenstoff benötigen, sondern bereits in der Umwelt befindlichen im Kreis führen.“

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

Biobasiert ist nicht automatisch nachhaltig

Portraitfoto mann mit Brille
Prof. Henning Wilts leitet die Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut. (Bild: Philipp Lubos)

Bei mechanisch recycelten Kunststoffen aus fossilen Quellen sind die Auswirkungen auf Umwelt und Klima relativ unkompliziert zu erfassen. Prof. Holger Ruckdäschel, CEO der Neuen Materialien Bayreuth erklärt: „Heute operieren wir sehr stark mit CO2-Äquivalenten, um die Auswirkungen auf den Treibhauseffekt und das Klima zu bewerten. Ich erwarte allerdings absehbar, dass auch andere Faktoren, wie der Wasserverbrauch, stärker in den Vordergrund rücken werden.“

Schwieriger gestaltet sich die Einschätzung bei den biobasierten Polymeren. Pflanzen wachsen zwar grundsätzlich klimaneutral. Aber für Ihren Anbau werden Felder benötigt, die gedüngt und häufig bewässert werden müssen. Prof. Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut: „Der Vergleich zwischen biobasierten und mechanisch recycelten Kunststoffen ist extrem komplex und hängt speziell davon ab, welche Ausgangsmaterialien für die Biokunststoffe verwendet werden. Hier kann es durch den Anbau zu hohen Wasserverbräuchen und der Nutzung von Agrarflächen kommen; das kann für Reststoffe aus der Agrarproduktion aber ganz anders aussehen. Das Joint Research Centrum der Europäischen Kommission hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass „biobasiert“ nicht zwangsläufig auch nachhaltiger heißen muss, speziell wenn es um den Vergleich zu hochwertigem Recycling geht.“

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Relevante Vergleichsbasis entscheidet

Die tatsächlichen Auswirkungen der eigenen Aktivitäten realistisch zu erfassen und so Alternativen vergleichbar zu machen, ist ein wesentlicher Schritt zum umweltverträglichen Wirtschaften. Dies erfordert aber aufgrund der vielen Einflussgrößen eine komplexe Rechnung. Henning Wilts rät dennoch in den meisten Fällen dazu, für den konkreten Anwendungsfall eine umfassende Lebenszyklusanalyse zu erstellen, um die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Optionen tatsächlich abbilden und verstehen zu können. „Solche LCAs sollte man allerdings nicht leichtfertig vergleichen – die Ergebnisse hängen immer sehr stark von den getroffenen Annahmen und Systemgrenzen ab; sie könnten aber eine große Hilfe sein, für ein konkretes Produkt oder Unternehmen die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

Andreas Bastian ist Gründer und Geschäftsführer von Plastship, einem Distributor für Kunststoffrezyklate und Betreiber einer digitalen Plattform, die verfügbare Materialqualitäten und Kapazitäten im Bereich Kunststoffrecycling abbildet. Als Auditor für Recyclass ist er unter anderem persönlich an der Bewertung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen beteiligt. Er kennt also die Herausforderungen umweltverträglichen Wirtschaftens mit Kunststoff aus seiner täglichen Praxis und fügt hinzu: „Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen und Dimensionen, über die sich Umweltauswirkungen für Prozesse und Güter messen lassen. Wenn ich etwas messe, möchte ich natürlich den Wert auch vergleichen können. Daher müssen zum Beispiel bei einer LCA Systemgrenzen und Allokationsverfahren so gewählt sein, dass das Endergebnis möglichst alle Faktoren berücksichtigt, sinnvoll interpretierbar ist, einen Vergleich zulässt und vor allem auch das Lebensende des Produktes mit betrachtet wird.“

Daher ist es entscheidend, Kunststoffe so einzusetzen, dass am Ende des Produktlebenszyklus ein möglichst hoher Anteil hochwertig im Kreislauf gehalten werden kann.

Andreas Bastian sagt: „Die Frage ist, was eigentlich mit den Materialien nach Lebensende passiert. Für mich ist eine Verpackung, die aus erdölbasierten Kunststoffen hergestellt wurde und danach recycelt und in hochwertigen Anwendungen wiedereingesetzt werden kann und womöglich danach noch länger dem Kreislauf zur Verfügung steht, wahrscheinlich nachhaltiger, als eine Verpackung aus biobasierten Materialien, die nach Ende der Nutzung entweder durch Zugabe von Energie zersetzt wird oder als EBS dient. Das soll nicht heißen, dass biobasierte Kunststoffe nicht recycelt werden können, es geht um die Einbeziehung der bestehenden Lösungen, was das Lebensende angeht.“

Nachhaltige Verpackungen: der große Überblick

Grafik von Lebensmitteln im Supermarktregal
(Bild: sabelskaya - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema nachhaltige Verpackungen wissen? Klar ist, dass der Bedarf an nachhaltigen Verpackungen in den kommenden Jahren stark steigen wird. Aber das Thema ist komplex: Wann gilt denn überhaupt eine Verpackung als nachhaltig und welche Kriterien müssen dabei künftig erfüllt sein? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

 

Regularien behindern teilweise den Rezyklateinsatz

Mann mit Glatze im hellblauen Hemd
Andreas Bastian ist Gründer und Geschäftsführer von Plastship. (Bild: Plastship)

Prof. Wilts gibt zu bedenken, dass viele der gesetzlichen Regulierungen, genauso aber auch Normen und Standards noch immer stark auf primäre Kunststoffe ausgelegt sind. Damit erschweren sie sowohl den Einsatz von biobasierten Kunststoffen als auch von Kunststoffrezyklaten. Unklare Vorgaben, wann ein recycelter Kunststoff aufhört, ein Abfall zu sein und wieder zum Produkt wird machen den Rezyklateinsatz unnötig kompliziert.

Gleiches gilt auch für Nachweisverfahren und Qualitätsstandards: „Natürlich weisen hier sowohl biobasierte als auch recycelte Kunststoffe andere Schwankungen für einzelne Parameter auf – ohne dass das aber notwendigerweise die Qualität des Materials beeinflussen muss. Umgekehrt sehen wir aber, dass die Kommission stark auf das Instrument der Mindestrezyklatquoten setzt, um damit einen Pull-Effekt für Investitionen in Sammlung und hochwertiges Recycling zu setzen.“

Kohlenstoff, der einmal in einem Stoffkreislauf gebunden ist, sollte möglichst verlustfrei dort gehalten werden. Dabei ist es unwesentlich, ob dieser direkt aus Biomasse eingespeist wurde oder mittelbar über fossile Quellen. Recyclinggerechtes Produktdesign und geregelte Stoffströme erleichtern die Erzeugung hochwertiger Rezyklate für hochwertige Produkte.

Prof. Wilts sieht biobasierte Kunststoffe für viele Bereiche als wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Nutzung von Kunststoffen. „Wir müssen mit Sicherheit weg von den klassischen erdölbasierten Kunststoffen; gleichzeitig wird alleine eine Änderung des Ausgangsmaterials nicht ausreichend sein – wir brauchen auch intensive Debatten, wo der Einsatz von Kunststoffen tatsächlich zur Nachhaltigkeit beiträgt und wo es auch ökonomische Anreize zur Vermeidung braucht.“

Andreas Bastian sieht das ähnlich: „Ich sehe biobasierte Kunststoffe als Substitut für erdölbasierte Kunststoffe und das Recycling grundsätzlich als die Maßnahme, diese schon hergestellten Rohstoffe so lange wie möglich im Kreislauf zu halten.“

Das mechanische „im Kreislauf halten“ sei mit Sicherheit nicht so ressourcenintensiv, wie die eigentliche Herstellung. Um einen Vergleich anstellen zu können, müsse man eine LCA durchführen und am Ende beispielsweise den CO2-Fussabdruck von Rezyklaten aus erdölbasierten gegenüber biobasierten Quellen betrachten und dabei die Logistik und Aufbereitungsschritte konstant halten.

„Ich würde davon ausgehen, dass sich der Wert zwischen beiden Alternativen nicht groß unterscheidet, da die Aufbereitungstechnik im Groben die gleiche sein kann. Maßgeblich wäre dann die Umweltverträglichkeit im Primärprozess.“

Was ist also zu tun?

Beim Einsatz von biobasierten Kunststoffen, sollten zusammenfassend solche genutzt werden, die keine Probleme im konventionellen Recyclingprozess verursachen. Dann können diese eine sinnvolle Alternative darstellen. Jedoch können sie Rezyklate nicht ersetzten, sondern ergänzen. Ressourcenschonung durch Wiederverwendung ergibt immer Sinn. Natürlich bestehen gerade im Food-, Pharma-/Medical- und Kosmetikbereich starke Limitationen beim Einsatz von Rezyklaten durch legale und normative Vorgaben. Ähnlich sieht es auch bei manchen industriellen Anwendungen, gerade im Packmittelbereich, aus. Diese Problematik wird aktuell von mehreren Stellen mit noch offenem Ausgang bearbeitet.

Andreas Bastian rät: „Fokussieren sollte man deshalb den Einsatz von Rezyklaten dort, wo dies grundsätzlich möglich ist – unter Beachtung der potenziellen Zielkonflikte zu Materialeinsparungen, Funktionalität und Sicherheit. Oft gibt es tatsächlich Rezyklatqualitäten, die bereits auf die Anforderungen bestimmter Anwendungen passen. In den Bereichen, in denen Rezyklate nicht einsetzbar sind, halte ich biobasierte Rohstoffe durchaus für eine sinnvolle Alternative, sofern die Lieferketten umweltschonend ausgerichtet sind und die Rohstoffe nach Verwendung im Kreislauf gehalten werden können.“

Wenn Kunststoffverarbeiter entscheiden wollen, ob ein biobasierter Kunststoff oder ein Rezyklat die bessere Wahl für ein konkretes Projekt ist, spielen natürlich die Prozesssicherheit und die Planungssicherheit eine wesentliche Rolle. Sie benötigen Rohstoffe zu einem garantierten Zeitpunkt in festgelegter Qualität. Hier können biobasierte Kunststoffe punkten, da sie in Virgin Qualität mit zertifizierten Eigenschaften neu erzeugt werden. Meist erfordert das aber mehr Energie als die Wiederaufbereitung, hinzu kommt der Flächenbedarf. Allerdings werden mechanische Recyclingverfahren immer materialschonender und es bleibt ja immer noch das chemische Recycling als zusätzliche Kaskade.

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