Sabic, P&G und Fraunhofer in einem Schaubild mit Pfeilen verbunden (Kreislauf). In der Mitte eine blaue Einwegmaske.

Gemeinsam mit Fraunhofer und Sabic ist es Procter & Gamble gelungen, Einweggesichtsmasken im Verwertungskreislauf zu halten. (Bild: Sabic/Fraunhofer)

Mann mit kurzen braunen Haaren, dunklem Jackett, blaue Krawatte und weißem Hemd.
Victor Aguilar, Chief R&D and Innovation Officer bei Procter & Gamble. (Bild: Procter & Gamble)

Procter & Gamble (P&G) hat es sich zum Ziel gesetzt, den Anteil an fossilen Neukunststoffen bis 2030 um 50 % zu reduzieren. Ein Weg, dies zu erreichen, ist das chemische Recycling. Hier hat P&G beispielsweise zusammen mit Sabic und dem Fraunhofer Institut mithilfe der I-Cycle-Technologie gezeigt, wie sich gebrauchte Einweg-Masken in einen Kreislauf bringen lassen. Wie treiben Sie dieses Projekt nun weiter?

Victor Aguilar: Um unser Ziel bis 2030 zu erreichen, braucht es aus unserer Sicht eine umfassende Transformation, weshalb wir hierfür alle verfügbaren Technologien betrachten – immer im Kontext der jeweiligen Applikation. Das heißt vom mechanischen bis zum Advanced Recycling und auch solchen Technologien, die sich irgendwo dazwischen einordnen lassen. Diese bewerten unsere Teams dann nach Praktikabilität und vor allem auch nach Effizienz. Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass die Zukunft der Kreislaufwirtschaft aus einem Mix all dieser Technologien bestehen wird.

Lee Ellen Drechsler: Das erwähnte Projekt war für uns eine echte Erfolgsstory und eine spannende Gelegenheit, einen Proof of Concept darzustellen, da Einweg-Masken zu großen Teilen aus Materialien bestehen wie auch andere Hygieneprodukte aus unserem Portfolio. Wir konnten also ganz praktisch zeigen, wie wir künftig auch mit solchen anspruchsvollen Produkten geschlossene Kreisläufe erreichen können – und das gleich beim ersten Anlauf. Das Recycling der Masken selbst planen wir nicht weiter zu skalieren, die gewonnenen Erkenntnisse werden aber definitiv in Folgeprojekte zum Advanced bzw. chemischen Recycling anderer Hygieneprodukte einfließen. Hier setzen wir aktuell auch auf das Pyrolyse-Verfahren und wollen zeitnah entsprechende Projekte anstoßen.

Frau mit langen braunen Haaren, dunklem Pullover und Halskette.
Lee Ellen Drechsler, Senior Vice President Corporate Research & Development bei Procter & Gamble. (Bild: Procter & Gamble)

Neben I-Cycle ist Ihr Unternehmen auch Mitinitiator von Pure-Cycle. Zuletzt meldeten Sie im April dieses Jahres, dass es zusammen mit Aptar gelungen war, aus Pure-Cycle-Feedstock Prototypen von lebensmitteltauglichen Verschlüssen herzustellen. Sind hier bereits Serien in Planung?                                                                                                  Aguilar: Wie bereits erwähnt, arbeiten wir aktuell an einer Vielzahl von Projekten. Ein strategisches Ziel ist dabei die Darstellung eines Kreislaufs für Polypropylen mit Pure-Cycle. Auch hier treiben wir aktuell gleich mehrere Projekte voran, viele davon sind aber aktuell noch in einer sehr frühen, konzeptionellen Phase.                                                                                                                                                                                      Drechsler: Das spannende an Polypropylen ist, dass es derzeit noch sehr wenig recycelt wird – vor allem in einer Reinheit, wie wir sie für unsere Anwendungen benötigen. Weshalb es auch unser Ziel ist, Pure-Cycle künftig hochskalieren zu können.
Aguilar: An dieser Stelle ist es aber, glaube ich auch wichtig noch einmal hervorzuheben, dass Projekte wie Pure-Cycle nur ein Baustein auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft sind. Für den Erfolg braucht es ein komplettes Ökosystem, also auch die Sammlung und Sortierung von Kunststoffen, um sie im Anschluss aufbereiten zu können.

Zurzeit ist das chemische Recycling noch eine Nische, Werner & Mertz ist sogar erklärter Gegner der Technologie. Sind mechanisches und chemisches Recycling nun eher sich ergänzende oder konkurrierende Technologien?

Aguilar: Wir sind der festen Überzeugung, dass alle derzeit verfügbaren Technologien ihre Daseinsberechtigung haben. So arbeiten wir mit Holy Grail 2.0 daran, die Sortierung und Trennung der Materialien zu verbessern. Wir arbeiten an Verfahren des mechanischen Recyclings und sehen gleichzeitig einen Bedarf für Advanced Recycling; und zwar immer da, wo wir bestimmte Spezifikationen benötigen, die über das klassische Recycling nicht zu erreichen sind. Aus unserer Sicht handelt es sich bei allen genannten Punkten ganz klar um komplementäre Technologien.

Drechsler: Wichtig ist hier vielleicht noch zu ergänzen: Wann immer mechanisches Recycling ausreicht, ist es dem chemischen Recycling vorzuziehen – schließlich ist der energetische Aufwand hier deutlich geringer. Aber es gibt eben bestimmte Applikationen, die sehr spezifische Materialeigenschaften diktieren. Ich würde hier darum ebenfalls eine fast schon symbiotische Beziehung zwischen den beiden Technologien sehen.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Wie hoch wird – in Ihrer Einschätzung – in zehn Jahren der Anteil von chemisch recyceltem Kunststoff im Vergleich zu mechanisch recyceltem sein?

Aguilar: Das ist natürlich sehr schwer vorherzusagen, weil von vielen Faktoren abhängig. Beispielsweise von den bis dahin etablierten Sammelsystemen, aber auch von den Zielmärkten der aufbereiteten Kunststoffe. Sollen diese beispielsweise im FMCG-Bereich zum Einsatz kommen oder in anderen Bereichen der Industrie? Das macht den Blick in die Zukunft an dieser Stelle leider sehr schwierig. Noch ein Grund, warum wir aktuell auf eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien im Spektrum des Advanced Recycling setzen.

Und welche Rolle spielt eigentlich die Politik auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft?

Aguilar: Eine Transformation der Industrie, wie wir sie gerade erleben und vorantreiben, benötigt natürlich immer auch die Partizipation des Gesetzgebers. Schließlich muss es beispielsweise verbindliche Regularien geben, an denen sich die Stakeholder orientieren können – wir, die Sammelstellen, die Recycler etc. Darum stehen wir durch unsere Teilnahme an verschiedenen Konsortien auf einer quasi täglichen Basis im Austausch. Und nicht nur in Belangen des Kunststoffs. Als Markenartikler wollen wir den Konsumentinnen und Konsumenten möglichst viele Optionen bieten, ihr Leben so nachhaltig zu gestalten, wie sie möchten.

Drechsler: Ob es sich bei einem Material um Neuware oder ein Rezyklat handelt, sollte am Ende nicht über seinen Einsatz entscheiden – sondern Reinheitsgrad und Materialeigenschaften. Darum werben wir von Procter & Gamble in den zuständigen Gremien für einen wissenschaftsbasierten Ansatz, wenn es beispielsweise um Regularien zum Einsatz in kritischen Anwendungen wie der Lebensmittelindustrie geht.

Zitat

Ein spannender Aspekt ist beispielsweise, was wir schon alleine erreichen können, indem wir Oberflächen-Verschmutzungen durch einen simplen Waschvorgang beseitigen.

Lee Ellen Drechsler

Neben dem chemischen Recycling setzen Sie sich auch mit weiteren Technologien auseinander, die sich unter dem Sammelbegriff „Advanced Recycling“ abbilden lassen. Gibt es hier gerade an einer Stelle eine besonders vielversprechende Entwicklung?

Drechsler: Auch hier verfolgen wir wieder gleich mehrere Ansätze. Ein spannender Aspekt ist beispielsweise, was wir schon alleine erreichen können, indem wir Oberflächen-Verschmutzungen durch einen simplen Waschvorgang beseitigen. Die hierdurch erzielbare Reinheit bei einem überschaubaren Energieeinsatz hat uns selbst überrascht.
Aguilar: Gleichzeitig sind wir gerade dabei, unsere Forschungsanstrengungen auf weitere Materialsorten auszuweiten. Konkret geht es dabei neben dem bereits erwähnten Polypropylen um Polyethylen.

Was für ein Fazit ziehen Sie bezüglich Ihres Besuchs der diesjährigen K in Düsseldorf?

Aguilar: Der Besuch dieser sehr wichtigen Messe hat gezeigt, wie innovativ die Branche ist und wie sie den verantwortungsvollen Einsatz von Kunststoffen fördert. Ich habe zum Beispiel viele neue Innovationen gesehen, mit denen die Kunststoffindustrie vorankommt – von effizienteren Maschinen wie elektrische Pressen, über die Einbeziehung neuer Technologien, beispielsweise KI für die Qualitätskontrolle, unser eigenes Influx Molding, bis hin zu neuen Polymeren für die Automobilherstellung usw. Und es war großartig zu sehen, dass die Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette viel stärker betont wurde – von Biopolymeren über fortschrittlichere Sortier-, Mahl- und Waschtechnologien bis hin zu fortschrittlichen Recyclingdiskussionen. Innovationen, die bessere Lösungen ermöglichen, bei denen Kunststoffe im Leben der Verbraucher einen Unterschied machen können und gleichzeitig die Nachhaltigkeit betonen, sind der Schlüssel dafür, dass die Branche auch in den kommenden Jahren ihren Platz in unserer Gesellschaft behält.

Quelle: Procter & Gamble

Zu den Personen

Lee Ellen Drechsler kümmert sich als Senior Vice President Corporate Research & Development bei Procter & Gamble (P&G) u.a. um die Corporate Transformative Platform Technology, Global Packaging sowie Process- und Open Innovation-Disziplinen. Sie treibt damit maßgeblich Innovation und Wachstum bei P&G durch nachhaltige Produkte, Verpackungen und Dienstleistungen weltweit voran. Im Laufe ihrer Karriere war Drechsler in unterschiedlichen Führungspositionen in den Bereichen Beauty- und Baby-Care sowie im F&E-Bereich von P&G tätig.

Victor Aguilar verantwortet als Chief R&D and Innovation Officer die Forschungs- und Entwicklungsorganisation sowie das globale Innovationsprogramm von Procter & Gamble (P&G). Aguilar ist seit mehr als 30 Jahren für P&G in verschiedenen Funktionen in den Bereichen Fabric- und Baby-Care sowie Corporate R&D tätig. Zusätzlich zu seinen Aufgaben setzt er sich in hohem Maß für Vielfalt, Inklusion und Chancengleichheit am Arbeitsplatz ein und fördert so eine agile Unternehmenskultur, die direkten Einfluss auf die Innovationsfähigkeit von P&G hat.

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