Die Stoßfänger kommen in Ballen beim Recycler an.

Bild 1: Die Stoßfänger kommen in Ballen beim Recycler an. (Bild: Wipag)

Bevor sich aus Produktionsabfällen von Autoteilen wie Stoßfängern hochwertige Recycling-Compounds herstellen lassen, müssen diese aufbereitet werden. Das Recyclingunternehmen Wipag hat hierfür spezielle Verfahren entwickelt, die es ermöglichen, komplexe Materialverbunde zu separieren. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich das Unternehmen dafür, die Kreislaufwirtschaft im Bereich technischer Kunststoffe voranzutreiben und Abfälle wieder in die Produktion zurückzuführen. Stoßfänger sind ein hervorragendes Beispiel für einen Closed-Loop-Recyclingkreislauf, das heißt: Aus den Produktionsabfällen werden Rezyklate gewonnen, die wieder in neuen Stoßfängern der Hersteller zum Einsatz kommen – ein perfekter Stoffkreislauf, ohne Downcycling. Zielprodukt dabei ist PP/EPDM-TV (talkumverstärkt), ein Rezyklat mit einer Reinheit von über 99,9 %. Nachdem die Stoßfänger bei Wipag am Standort in Gardelegen ankommen, wird das Material sortiert. „Wenn ganze Stoßfänger in Ballen bei uns ankommen, kann es sein, dass metallische Fremdstoffe an den Kunststoffteilen anhaften – auch wenn diese direkt vom Hersteller als post-industrieller Abfall zu uns kommen. Deshalb gehen bei uns alle Teile durch die Entmetallisierung“, verrät Tobias Nehm, Technical Partner Manager bei Wipag. Dafür wird im Schredder das Material in circa 30 mm große Stücke zerkleinert und durch zwei unterschiedlich positionierte Dauermagneten ferromagnetisch entmetallisiert. Nichteisenmetalle werden durch sensorbasierte Allmetallabscheider aussortiert.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Der Lack muss ab

Tobias Nehm hält das geschredderte Mahlgut in den Händen.
Bild 2: Tobias Nehm hält das geschredderte Mahlgut in den Händen. (Bild: Wipag)

Viele Teile kommen lackiert beim Recyclingunternehmen an. Damit der Lack das Rezyklat nicht verunreinigt, muss er entfernt werden. Dafür kommt das Schreddergut in eine Hammermühle, die das Unternehmen so für diesen Prozess umgebaut hat, dass das Material bereits hier in einer sehr hohen Reinheit anfällt. Dort wird der Lack unter anderem durch hohe Reibung des Schredderguts entfernt und anschließend abgesaugt. Die Lackreste sind Abfall, Zielfraktion ist das entlackte PP/EPDM-TV-Mahlgut, welches zu Regranulat weiterverarbeitet wird. Das Schreddergut geht anschließend in die optoelektronische Separation: Hier bewertet eine Kamera, ob die Lackpartikel bereits ausreichend entfernt wurden. Denn die Haftfestigkeit verschiedener Lacksysteme ist unterschiedlich, weißer Lack hält beispielsweise am besten. Partikel, auf denen noch Lackreste zu finden sind, müssen den Prozess noch einmal durchlaufen. Die anderen gehen in den nächsten Prozessschritt: Dort findet nach der Vermahlung eine Feinschmelzefiltration während der Extrusion statt, bei der die Kunststoffmasse durch spezielle Filter durchgepresst wird. „Trotz dieser Filterung schaffen es manche Lackpartikel, sich durchzuquetschen“, erklärt Tobias Nehm. Dennoch lässt sich das PP/EPDM-TV-Rezyklat zu 20 bis 40 % beim Herstellen von Stoßfängern für Neufahrzeuge beimischen. Bei Ersatzteilen ist sogar ein Einsatz bis zu 100 % möglich. So bietet das Rezyklat den OEMs eine kostengünstige Recyclinglösung mit geringerem CO2-Fußabdruck im Vergleich zu Neuware.

Was ist Open-Loop-Recycling?

Während beim post-industriellen Recycling von Stoßfängern der Abfall relativ sortenrein von den OEMs oder Systemlieferanten geliefert wird, ist dies beim Post-Consumer Recycling nicht immer gegeben: Nach der Entmetallisierung wird das Material im Rahmen einer Dichteseparation noch von den nicht nutzbaren Kunststoffen gereinigt. PP/EPDM hat eine geringere Dichte im Vergleich zu Metallen und anderen Kunststoffen wie ABS oder PC/ABS. PP/EPDM schwimmt daher in einer Salzlösung auf, der Rest sinkt ab. „Das PP/EPDM wird dann aus der Dichtetrennung herausgefördert“, so Tobias Nehm. Als nächste Schritte im Recyclingkreislauf folgt nun wieder die Entlackung, dann bei der Regranulierung die Feinschmelzefiltration für die Nachreinigung plus Zusatz von Verarbeitungsstabilisatoren für Open-Loop-Compounds wie Wipelast. Das PP/EPDM-TV-Recycling-Compound besitzt sehr gute technische Eigenschaften und kann neuen Bauteilen zu 40 bis 100 % beigemischt werden. So lassen sich im Vergleich zu Neuware auch hier kostengünstige Lösungen mit einem niedrigeren CO2-Fußabdruck realisieren.

Schwarze kleine Kunststoff-Compounds: Ausgediente Stoßfänger werden zu neuen Recylcing-Compounds verarbeitet.
Bild 3: Ausgediente Stoßfänger werden zu neuen Recylcing-Compounds verarbeitet. (Bild: Wipag)

Deshalb wird weiter an mechanischen Trennmethoden geforscht

Thomas Marquardt, Managing Director von Wipag, erinnert sich an die Anfänge: „Der ganze Prozess, die Lackschichten abzutragen, wurde vor mehr als 20 Jahren ursprünglich für das Recycling von Stoßfängern entwickelt.“ Und hier hat das Unternehmen ein klares Alleinstellungsmerkmal. „Wir bekommen mit unserer Technologie den Lack von PP/EPDM herunter – in großserientauglichem Volumen und angemessener Zeit. Das ist einzigartig im Markt“, berichtet Marquardt. Im Technikum in Gardelegen werden genau solche Technologien entwickelt. „Wir suchen die unterschiedlichsten Verbunde, Werkstoffe, die sich im Abfall finden, von denen die Produzenten heute noch gar nicht wissen, dass sie sich trennen und recyceln lassen“, fasst Tobias Nehm den Anspruch des Recyclingunternehmens zusammen. Als Technical Partner Manager arbeitet er im Technikum Gardelegen mit seinen Kolleginnen und Kollegen daran, das Portfolio zu erweitern – vom klassischen 3-Schicht-Verbund hin zur Trennung komplexerer Abfallströme. „Denn wir wollen mit großen Volumenströmen arbeiten, das muss ein Trennsystem leisten können. Es stehen heute andere Möglichkeiten zur Verfügung, die wir uns sehr genau anschauen“, führt Nehm weiter aus. Der Fokus des Unternehmens liegt klar auf der mechanischen Trennung. Hier experimentiert das Team im Technikum auch mit völlig neuen Technologien und Methoden, die derzeit bei der Abfallaufbereitung und Sortierung noch nicht verwendet werden und die sich gegebenenfalls nach Adaptionen exakt dafür zielgerichtet einsetzen lassen. Dazu kooperiert das Unternehmen auch mit anderen Laboren und testet dort alternative Methoden.

Interview: Nachgefragt bei Jens Kaatze, CEO von Wipag

Mann mit kurzen braunen Haaren, weißem Hemd und blauem Jackett.
(Bild: Wipag)

Die Automobilhersteller möchten immer mehr Rezyklate in ihren Fahrzeugen einsetzen. Hierzu benötigen Sie als Hersteller von Rezyklaten Abfälle oder rückgeführte Bauteile. Bei welchen Bauteilen ist aus werkstofflicher Sicht eine Aufbereitung sinnvoll?
Jens Kaatze: Grundsätzlich können alle Teile sinnvoll aufbereitet werden, die effizient vor dem Schredder ausgebaut werden. Ein praktisches Beispiel sind Stoßfänger von Fahrzeugen. Gemeinsam mit unseren Partnern bauen wir auch Radlaufschalen, Unterböden, Rückspiegel und diverse Verkleidungen ab, bevor die Autos in den Schredder kommen. Wir bevorzugen dieses Vorgehen, denn der traditionelle Ansatz, nach dem Schreddern die sogenannte Schredderleichtfraktion zu verwenden, limitiert deutlich die Qualität der daraus herstellbaren Compounds.


Wie hoch ist der Kunststoffanteil in Altfahrzeugen, der sinnvoll zu recyceln ist?
Kaatze: Laut der letzten Conversio-Studie wurden 2020 im Automobilsektor 2,9 % Rezyklat in Kunststoffteilen eingesetzt. Diesen Wert gilt es deutlich zu erhöhen, und wir zeigen mit vielen Ansätzen, wie zum Beispiel mit Partnerschaften zu Autoverwertern oder OEMs, dass dies auch erreicht werden kann. Langfristig sollte unser Ziel sein, alle Kunststoffe wieder in den Kreislauf zurückzuführen.

 

Sind am Markt ausreichend Quellen vorhanden, um die gestiegene Nachfrage an Rezyklaten bedienen zu können?
Kaatze: Nein. Das erscheint angesichts der Berichte über Berge an Kunststoffabfällen auf den ersten Blick widersprüchlich, aber es geht primär um die Verwendbarkeit der Materialien. Einen hohen Einfluss darauf haben Sortenreinheit, Verschmutzungen und Qualitäten der Materialquellen. Um eine hinreichende Versorgungssicherheit für den steigenden Bedarf sicherzustellen, müssen wir mehr Stoffströme hoher Qualität identifizieren und entsprechende Quellen aufbauen. Das bedeutet, Sammelsysteme aus- und aufzubauen, die möglichst sortenreine Warenströme liefern oder Verbundmaterialien sammeln, die von uns effizient getrennt und verarbeitetet werden können.

Deshalb ist Design für Recycling wichtig

Vier kleinere schwarze Rechtecke: Vergleich zwischen entlackten PP/EPDM TV10 (links) und schmelzefiltrierten PP/EPDM TV10 (rechts) mit erkennbaren Restlackpartikeln.
Bild 4: Vergleich zwischen entlackten PP/EPDM TV10 (links) und schmelzefiltrierten PP/EPDM TV10 (rechts) mit erkennbaren Restlackpartikeln. (Bild: Wipag)

Einen deutlichen Appell formulieren die Recycler in Richtung der OEMs: Viele Kunststoffgemische sind heute nicht sortierbar und können daher nicht recycelt werden – eine vertane Chance für die Kreislaufwirtschaft. Das Design von Produkten sollte also bei der Entwicklung von Bauteilen gleich mitgedacht werden. Gleichzeitig werden auch in der Automobilindustrie immer öfter neue Regularien verabschiedet und die Anforderungen an die Sicherheit immer größer. Hinzukommt die steigende Komplexität des Designs der Bauteile. „Betrachten wir Sicherheits- und Designaspekte getrennt voneinander, bewerten wir den Einsatz von Bauteilen mit Rezyklatanteil sehr unterschiedlich“, sagt Thomas Marquardt. „So bestehen Stoßfänger mit Rezyklatanteil zum Beispiel jeden Sicherheitstest und stehen Prime Material in nichts nach. Doch da vor allem im letzten Jahrzehnt die Anforderungen der OEMs an das Design der Automobile immer weiter zunehmen, die Rezyklate so nicht erfüllen können, zum Beispiel aufgrund von minimalen Farbveränderungen nach dem Klimawechseltest, nehmen die Hersteller Abstand vom Einsatz der recycelten Materialien.“ Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft beispielsweise von Stoßfängern müssen demnach verschiedene Prozesse berücksichtigt werden. Für Wipag steht dabei fest: Weg von der Einwegverwendung hin zum Recycling ist machbar und sinnvoll, um wertvolle Werkstoffe in den Wertschöpfungskreislauf zurückzuführen und somit Ressourcen zu schonen.

Quelle: Wipag

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