Frau Hackl, bitte stellen Sie sich den Lesern kurz vor.
Johanna Hackl: Mein Name ist Johanna Hackl und ich studiere seit vier Jahren in Wien Mathematik, Deutsch (im Master) und Geschichte (im Bachelor) auf Lehramt für die Sekundarstufe. Neben dem Studium arbeite ich als Lesepatin und unterstütze das Projekt Mathematik macht Freude, indem es ebenfalls um Lernhilfe geht. Seit Sommer 2022 engagiere ich mich im Bereich Vorträge und Workshops bei Fridays for Future (FFF) zum Thema Kommunikation und Vermittlung – mein Herzensthema. Die Vorträge für FFF finden unter anderem an Schulen zu Themen wie Treibhausgase, Grundwissen zur Klimakrise, Kunststoffrecycling statt. Ich durfte aber beispielsweise auch bei der Jugend-Klimakonferenz Ende Oktober 2022 in Wien einen Workshop zur Thematik Klimakommunikation leiten.
Was sind die Beweggründe für Ihr Engagement in der Aufklärung rund um zukunftsrelevante Themen wie beispielsweise Kunststoffe?
Hackl: Mein Engagement in diesem Bereich ist krisengeschuldet – Coronakrise, Energiekrise, Klimakrise, Kunststoffkrise. Ich hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Es tut mir gut zu spüren, dass ich etwas bewegen kann. Über Freunde bin ich darauf aufmerksam geworden, dass Fridays for Future auch faktenbezogene Vorträge und Workshops anbietet und ich fühlte mich angesprochen, zu den zuvor genannten Themen dort mitzuwirken. Man ist politisch aktiv, ohne einer Partei anzugehören, kann seine Werte vertreten und die idealistische Seite stärken.
Wir haben bei FFF beispielweise schon zahlreiche Gespräche und Diskussionen zu Themen geführt wie: Wo können wir nicht auf Kunststoff verzichten? Wie würde es um die Hygiene in der Medizin ohne Kunststoff stehen? Wie nachhaltig sind unverpackte Lebensmittel? Welchen CO2-Fußabdruck hat eine Gurke mit und ohne Schutzfolie? Wie können wir Kunststoff umweltfreundlich und effizient nutzen? Meine Gesprächspartner sind durchaus pro Kreislaufwirtschaft und pro Recycling, wobei der Kunststoff selbst schon ein stark negatives Image hat. Hieran haben die zahlreichen Fernsehdokumentationen und das Greenwashing meiner Meinung nach einen großen Anteil. Dennoch führen wir die Gespräche konstruktiv und lösungsorientiert, um auch den Nutzen und Bedarf von Kunststoff hervorzuheben, denn die breite Masse der Bevölkerung kann es sich zum Beispiel nicht leisten, ausschließlich regional produzierte, unverpackte Lebensmittel zu kaufen.
Welche Gedanken zur Wiederverwendung von Kunststoffen gibt es in Ihrer Generation?
Hackl: Jeder kennt die vier R: Reduce – Reuse – Repair - Recycle. Auf die ersten drei Rs können wir erheblich Einfluss nehmen. Ich kann mir zum Beispiel Geräte kaufen, die ich selbst reparieren kann, oder Produkte, die aus Rezyklat hergestellt wurden. Nur in das letzte R wird meiner Ansicht nach noch nicht genug hineingedacht. Hier in Wien ist es so, dass rund 70 % des Mülls thermisch verwertet werden. Man hat das Gefühl ab dem Moment, in dem ich den Müll in die Tonne gebe, ist er verloren. Die 30 %, die derzeit recycelt werden, sind uns zu gering, um sagen zu können, wir setzen auf Recycling. Wir sehen einen größeren Hebel in Reuse und Repair von Produkten. Diese zu reparieren, sei es selbst oder beim Fachmann sowie der Erwerb von Secondhandprodukten oder -kleidungsstücken, ist uns wichtig. Wir möchten gelebte Kreislaufwirtschaft. Wir brauchen innovatives Denken für Produkte, die so designt sind, dass sie ökonomisch, aber vor allem auch ökologisch und sozial, im Sinne von leistbar für alle, wiederverwendbar und reparierbar sind.
Sie sprachen die Müllsammlung bereits an. Wie nehmen Sie das Abfallwirtschaftssystem wahr?
Hackl: Das Abfallwirtschaftssystem ist ein Riesenproblem, da es sich hier in Österreich regional sehr stark unterscheidet. Häufig sammeln und trennen die Bewohner den Müll, obwohl er dann doch großteils nicht recycled wird. Das ist für die Bevölkerung wenig motivierend, sich zu engagieren. Außerdem setzte sich der Inhalt des gelben Sackes von Stadt zu Stadt oder Bundesland zu Bundesland bis zum 1. Jänner 2023 sehr unterschiedlich zusammen. Das machte das System sehr komplex, denn meiner Meinung nach kann nur auf Kunststoffrecycling gesetzt werden, wenn die Sammlung vereinfacht wird und sich jeder auskennt. Dadurch könnte deutlich mehr recycelt werden und die Verdrossenheit zum Mülltrennen würde aufgehoben werden. Ich hoffe sehr, dass jetzt mit dem Gesetz vom 01.01.23 viel bewegt werden kann, jedoch ist es jetzt umso wichtiger die Information in die breite Bevölkerung zu bringen
In den Schulen, in denen ich unterrichtete, achteten wir darauf, dass die Kinder, aber auch wir Lehrkräfte, den Müll nach Fraktionen getrennt wegwerfen. Damit legen wir den Grundstein, doch sinnvolle Rahmenbedingungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft müssen von außen geschaffen werden. Weiterhin denke ich, dass es für die Mülltrennung mehr Kommunikation und Transparenz für die Bevölkerung braucht, denn es ist notwendig, die Sinnhaftigkeit hinter der Aktivität zu verstehen und den sich seit lange haltenden Mythos aufzuheben, dass am Ende des Tages alles in einem Topf landet.
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Wie könnte das Image vom Kunststoffrecycling gehoben werden?
Hackl: Ich persönlich glaube, dass das Kunststoffrecycling an sich kein Imageproblem hat. Sondern dass das Vertrauen fehlt, dass etwas Sinnvolles mit dem Kunststoffmüll passiert. Das Thema ist eher der Kunststoff per se, der negativ besetzt ist. Es sollte eine Gegenkampagne gestartet werden, die aufzeigt, wie ein Leben ohne Kunststoff aussehen würde. In den Köpfen der Menschen sind Greenwashing-Kampagnen wie Papier statt Plastik präsent und dadurch ist der Kunststoff negativ besetzt. Der Kunststoffabfall wird als schlecht und nicht als Wertstoff angesehen und muss ins rechte Licht gerückt werden. Hier wäre es wichtig, dass Abfallwirtschaft, Recycler und Produktentwickler zusammenarbeiten und der Kreislaufwirtschaftsgedanke dem Verbraucher beim Kauf eines Produktes aufgezeigt wird: ‘Schau, das wurde aus gesammeltem Kunststoffmüll hergestellt.’ Bei der PET-Flasche ist es dem Verbraucher klar, dass sie im Kreis geführt wird, bei allen anderen Produkten fehlt es an der Kommunikation. Hier könnten beispielsweise Siegel hilfreich sein. Hier sehe ich die Markenartikler in der Pflicht, die Zirkularität der Produkte in den Marketingkampagnen darzustellen, damit es die breite Masse erfährt.
Was möchten Sie als Mitglied der Generation Z den Entscheidern mitgeben?
Hackl: Ich habe das Gefühl, dass wir mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft das gleiche Ziel vor Augen haben, man tauscht sich dazu jedoch (noch) nicht aus. Unabhängig, ob Entscheider in der Industrie, Millennial oder Generation Z, wir stehen in der Pflicht, aufeinander zuzugehen und die eigenen, eingefahrenen Denkmuster ernsthaft infrage zu stellen. Dabei ist es ganz egal, ob es um das Kunststoffrecycling oder Klimakrise geht. Keine der Parteien darf ‘zu’ machen, sondern die Generationen sollten sich auf Augenhöhe begegnen, die jeweiligen Standpunkte austauschen und voneinander lernen. Denn nur so können alle Akteure feststellen, ob Wissenslücken bestehen und ob ihr Meinungsbild vom Thema oder dem Gesprächspartner richtig ist. Erst dann wird es möglich, dass alle an einem Strang ziehen. Meine Generation fordert die Politik von der Straße aus, die Industrie über ihre Verbände, und am Ende wollen beide das Gleiche. Allein mit dem Berufen auf den Generationenvertrag lassen sich die aktuellen Themen nicht lösen, erst recht nicht im Sinne der nachfolgenden Generationen.
…und was der Generation Z?
Hackl: Sucht das Gespräch und verliert euch nicht in blindem Aktivismus. Ich kann die Verzweiflung einzelner Mitglieder meiner Generation schon verstehen, wenn am Ende einer Klimakonferenz, in die man große Hoffnung hatte, wieder kein sichtbares Ergebnis steht. Also, das ist schon wahnsinnig ermüdend, der Handlungsbedarf ist vorhanden, es passiert nichts und es ist immer weniger Zeit zum Handeln verfügbar. Und Ziele, die auf der Konferenz vereinbart wurden, liegen in weiter Ferne. Das sorgt für Frustration, die sich meiner Überzeugung nach in den Aktionen mancher Gruppen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten widerspiegelt.
Wie könnte die Generation Alpha für einen bewussten Umgang mit Kunststoffen sensibilisiert werden?
Hackl: Das ist die Generation der Jahrgänge ab 2010, die ich unterrichte. Bisher habe ich das Gefühl, dass sie Vorschläge beispielsweise in Bezug auf den Verzicht annehmen. Nach meinem Empfinden haben die jüngeren Generationen weniger Probleme mit Verzicht als ältere, zumindest stelle ich dies in meinem Umfeld fest. Das Thema Mülltrennung wird beispielsweise gut angenommen und umgesetzt, oder wenn wir einen Text über Recycling lesen, dann sind sie immer sehr interessiert. Im Fach Deutsch habe ich die Freiheit, die Themen der sinnerfassend zu bearbeitenden Texte selbst wählen zu können. Ich entscheide mich dann beispielsweise für Material, das sich auf gesellschaftliche Werte bezieht oder auch auf die Klimakrise oder Kunststoffrecycling. Erreichen und Überzeugen kann man die Generation Alpha über authentisches Vorleben dessen was man vermitteln möchte.
Abgeholt werden kann diese Generation am besten in der Schule und über Social Media. In der Schule könnte ich mir vorstellen, dass multiperspektivische Vorträge gehalten oder Diskussion von Industrievertretern und FFF geführt werden, um mit den Mythen zum Kunststoff aufzuräumen. Denn das Thema ist zu komplex, als dass es von den Lehrkräften umfassend abgedeckt werden könnte. Aber auch die Inhalte, die in den Social-Media-Kanälen präsentiert werden, müssen von den richtigen Personen generiert werden. Richtig in Bezug auf Kleidung, Sprache, Umfeld und realistischem Inhalt, damit sich die Jugendlichen angesprochen und nicht bevormundet fühlen. Und hier sind wir wieder bei der Thematik Zusammenarbeit und Verantwortung für die nachfolgenden Generationen.
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Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?
Hackl: Mein Wunsch für die Zukunft ist in ein paar Wünsche unterteilt. Ein Wunsch bezieht sich auf die Kreislaufwirtschaft und das Kunststoffrecycling. Spezifisch für Österreich, dass das Abfallwirtschaftssystem vereinfacht und vereinheitlicht wird, um zu sehen, was wirklich möglich ist. Ein weiterer Wunsch ist, dass wir wegkommen vom Weltmeister im Sammeln hin zum Weltmeister im Recycling. Im Moment häufen wir irgendetwas an und machen im Endeffekt nichts damit. Wir müssen hin zum Recycling kommen und die Strategie dahinter kommunizieren. Es gilt deutlich aufzuzeigen, was mit dem gesammelten Müll passiert. Weiterhin gilt es klar darzustellen, dass es eine generationenübergreifende Arbeit und Aufgabe ist, für die man gemeinsam an einem Strang zieht und diese an die Nächsten weitergibt. Abgesehen davon glaube ich, dass innovatives Denken für die Zukunft superwichtig ist, denn nur so können wieder langlebige und reparierbare Produkte entwickelt werden. Vielleicht zuallerletzt: Wie kann ich die nächste Generation auf ein Problem vorbereiten? Die einfachste oder beste Antwort wäre, indem wir es richtig vorleben. Wir können nicht Informationen weitergeben und erwarten, dass sie es richtig machen. Denn das impliziert, dass ich das Recht habe es falsch zu machen, während es die nächste Generation ausbaden darf. Davon sollten wir wegkommen. Wir sollten jetzt versuchen alles bestmöglich richtig zu machen, sodass es durch unser Vorleben übernommen wird. Wir zeigen ihnen, wie es geht, und sie führen es in ihrem Sinn für die nächsten Generationen weiter.
Kunststoffrecycling: Der große Überblick
Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.