Eine Hand zeiht eine rote Folie (Lackschicht) ab - darunter ist es schwarz.

Erfolgreiche Ablösung der Lackschicht von Thermoplasten. (Bild: Hochschule Ansbach)

In vielen Industriezweigen ist das Verwenden lackierter Kunststoffbauteile stark angewachsen. Sie sind leicht und lassen sich günstig sowie in vielfältigen Geometrien, Farben und Oberflächen produzieren. In Deutschland werden rund 10 Mio. t thermoplastische Kunststoffe verarbeitet, die meisten davon werden lackiert. Die Recyclingwege für Kunststoffe in Deutschland, aber auch weltweit müssen aus Gründen des Klima-, Ressourcen- und Umweltschutzes verbessert werden. Dies fordert unter anderem die Anfang 2018 veröffentlichte Kunststoffstrategie der Europäischen Union. Lackierte Kunststoffteile sind in verschiedenen Anwendungen weit verbreitet. Sie sind fester Bestandteil zahlreicher Konsumgüter und insbesondere in der Bau- und Automobilindustrie sowie als Formteile für Möbel, Elektronik und Haushaltsgeräte verbreitet. Sie besitzen aufgrund ihrer Lackierung mehr Glanz, mehr Farbbrillanz und sind gegen Witterungseinflüsse, Alterung, Temperatur sowie Feuchtigkeit geschützt. Die Kombination aus dem kostengünstigen thermoplastischen Material und der hohen Beständigkeit einer dünnen Schicht aus duroplastischem Material bietet ein zuverlässiges Produkt zu einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis.

Wie werden lackierte Plastikbauteile recycelt?

Rote Lackschicht mit ein paar Öffnungen aus denen der schwarze Untergrund hervorkommt.
Laser-Applikation auf einem lackierten Kunststoffbauteil. (Bild: Hochschule Ansbach)

Das Recycling von lackierten Kunststoffteilen ist immer noch eine große Herausforderung für die Entsorgungsindustrie, denn die Lackierung erschwert dieses massiv. Das Rezyklat von lackierten Bauteilen besitzt nur eine sehr geringe Zugfestigkeit, Kerbschlagzähigkeit sowie Reiß- und Bruchdehnung im Vergleich zum Original-Kunststoff. Es ist zudem nicht für Sichtbauteile geeignet, da die Lackreste bei neu gespritzten Bauteilen an der Oberfläche erscheinen und somit unerwünschte Effekte verursachen können. Die Kombination von verschiedenen Kunststofftypen ist deshalb ein erhebliches Hindernis für das sortenreine Recycling. Sie werden demzufolge nach dem Gebrauch meistens verbrannt oder in zermahlener Form als niedrigwertiger Füllstoff verwendet. Reine Thermoplaste sind hingegen hervorragend wiederverwertbar, da sie mehrfach geschmolzen und umgeformt werden können. Um lackierte thermoplastische Teile wie Stoßfänger, Kotflügel oder Kühlergrills ohne Qualitätsverlust des polymeren Materials im Kreislauf zu halten, ist es deshalb unerlässlich, die duroplastische Schicht vor der Wiederverwendung zu entfernen.

Lackschicht entfernen! Aber wie?

Gängige Verfahren zum Entfernen der Lackschicht von Kunststoffbauteilen wie zum Beispiel die Reinigung mit chemischen Lösungsmitteln oder mechanische Verfahren wie die Strahl-, Stickstoff- oder Hochdruckwasserstrahl-Entlackung bringen bisher technisch unbefriedigende Ergebnisse, wirtschaftliche Nachteile und/oder erhebliche Umweltbelastungen mit sich.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Alexandru Sover hat ein Team der Hochschule Ansbach ein neues umweltfreundliches, günstiges und werkstoffgerechtes Verfahren zum Abtragen der Lackschicht erforscht und entwickelt – die Entfernung der Lackschicht mithilfe der Lasertechnologie.

Abgelöste rote Lackschicht.
Großflächige Entlackung (240 x 240 mm). (Bild: Hochschule Ansbach)

Das „Entlacken“ mithilfe der Lasertechnologie

Mit einem Messer wird eine rote Lackschickt abgezogen - darunter schwarzer Untergrund.
Entfernung der Lackschicht (20 x 20 mm). (Bild: Hochschule Ansbach)

Im Rahmen von verschiedenen Projektarbeiten an der Hochschule Ansbach wurden umfangreiche Versuche zur Trennung der Lackschicht von verschiedenen Trägermaterialien sowie eine anschließende Charakterisierung der bearbeiteten Oberflächen durchgeführt. Hierbei lag das Hauptziel in der klaren Abtrennung der Lackschicht von häufig verwendeten Thermoplasten. Für diese ausführlichen Untersuchungen wurden lackierte Bauteile von unserem Projektpartner, die Firma HP-T Höglmeier, verwendet. Das Trägermaterial besteht aus einem thermoplastischen Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer (ABS). Die Versuche wurden mit einem 50 W Faserlaser der Firma Coherent-Rofin durchgeführt. Zum Ermitteln der optimalen Laserparameter wurde der sogenannte Applikationsassistent der Laseranlage verwendet. Hierbei wird ein Muster von jeweils sieben Rechtecken mit einer Größe von 8 x 8 mm horizontal und vertikal auf die zu bearbeitende Oberfläche aufgebracht. Bei diesen Rechtecken wird pro Rechteck horizontal die Frequenz des Lasers und vertikal die Lasergeschwindigkeit in festgelegten gleichmäßigen Abständen geändert. Somit entstehen 49 Rechtecke mit jeweils unterschiedlicher Laserfrequenz beziehungsweise -Geschwindigkeit. Im durchgeführten Versuch wurde horizontal die Frequenz von 225 bis 375 kHz in 25-kHz-Schritten und auf der vertikalen Achse die Geschwindigkeit von 9.000 bis 15.000 mm/s in Schritten von 1.000 mm/s geändert. Die Pulslänge und die Linienbreite wurden konstant gehalten. An den 49 Rechtecken ist deutlich erkennbar, dass sich bei einer höheren Lasergeschwindigkeit die dünne Lackschicht leichter vom Trägermaterial (ABS) mithilfe eines Skalpells ablösen lässt. Als optimale Laserparamter wurde für diese Werkstoffkombination eine Frequenz von 300 kHz und eine Geschwindigkeit von 14.000 mm/s ausgewählt. Mit diesen Parametern wurde im nächsten Schritt eine größere Fläche von 20 x 20 mm bearbeitet; auch hier war das Abheben der Lackschicht problemlos möglich. Dem Forschungsteam der Hochschule Ansbach gelang im Verlauf des Forschungsprojektes die Ablösung der Lackschicht von verschiedenen Kunststoffmateria-lien wie ABS, PP und PC/PBT jeweils mit unterschiedlichen Lackfarben. Hierbei konnte eine Fläche von bis zu 240 x 240 mm (siehe Bild) mit sehr guten Ergebnissen bearbeitet werden.

Wo die Trennebene liegt

Mikroskopische Aufnahmen zeigen deutlich die Ablösung der Lackschicht von thermoplastischen Trägermaterialien. Im Querschnitt sind die Bereiche vor und nach der Laserbearbeitung deutlich zu erkennen. Der Lack wurde entfernt und die Oberfläche ist nach der Laserbearbeitung intakt. Dank verschiedener Parametereinstellungen des Lasers lässt sich das Entlackungsverfahren präzise anpassen, um den Prozess und seine Geschwindigkeit zu optimieren und somit die Belastung der thermoplastischen Oberfläche zu minimieren. Hierfür müssen für verschiedene Werkstoffkombinationen aus Trägermaterialien und Lacksystemen individuell geeignete Laserparameter wie Energie, Pulsdauer und Frequenz ermittelt werden.
Die ausführlichen Untersuchungen zeigten, dass die Lackschicht materialschonend von Kunststoffbauteilen abgelöst werden kann. Nach dem Lackschichtabtrag kann somit das Thermoplastbauteil wiederverwendet werden, ohne dass die Qualität des recycelten Materials beeinträchtigt wird. Der Prozess ist reproduzierbar, wie die Versuchsergebnisse an unterschiedlichen Bereichen der beschichteten Teile zeigen.

Grauer, mikroskopischer Querschnitt des bearbeiteten Kunststoffteils.
Mikroskopischer Querschnitt des bearbeiteten Kunststoffteils. (Bild: Hochschule Ansbach)

So sehen die nächsten Schritte aus

Die ersten Einschätzungen zur Wirtschaftlichkeit fallen positiv aus, hohe Entlackungsgeschwindigkeiten können erreicht werden. Aufgrund des Preisunterschieds zwischen lackiertem Mahlgut und dem eines entlackten Standardthermoplasten wird sich eine industrielle Laser-entlackungsanlage in nur wenigen Jahren amortisieren. Das Projektteam um Prof. Dr. Alexandru Sover plant im nächsten Schritt die Entwicklung einer Industrieanlage, um ein hochwertiges stoffliches Recycling von lackierten Thermoplasten zu ermöglichen. An das Vorhaben können sich weitere Forschungsfragen mit hoher Praxisrelevanz anschließen. Bereits jetzt sind Unternehmen an der Entwicklung der umweltfreundlichen Methode zur Entlackung von thermoplastischen Bauteilen interessiert.

Das lässt sich festhalten

Im Vergleich zu anderen Reinigungsverfahren bietet diese Technik große Vorteile: Sie ist leise und einfach zu bedienen, hat geringe Betriebskosten und benötigt keine Verbrauchsmaterialien oder gar umweltgefährdende Medien (keine Schleifmittel, Chemikalien oder Lösungsmittel). Außerdem sind neben den Laserschutzbestimmungen keine besonderen Sicherheits- und Umweltmaßnahmen erforderlich. Ein Laserstrahl bringt lokal eine hohe Energie auf die lackierte Oberfläche auf; richtig dosiert haben die kurzen Laserimpulse nur eine minimale thermische Wirkung auf das Grundmaterial. Der Lack lässt sich vollständig von der Oberfläche ablösen, ohne das Trägermaterial – den Thermoplasten – zu beschädigen. Die Einstellungen des Laserstrahls können präzise angepasst werden, um den Prozess, seine Geschwindigkeit und die Belastung der Oberfläche zu optimieren. Unterschiedliche Thermoplaste, Lackfarben und -systeme wurden von Partner HP-T Höglmeier zur Verfügung gestellt und untersucht. Durch die Laserbearbeitung kann ein innovativer Entlackungsprozess entstehen. Die Lackschicht kann zudem separat recycelt werden. In Zukunft wird die Lasertechnologie in der Recyclingindustrie eine nachhaltige Möglichkeit zur Entfernung der Lackschicht bieten, um die großen Abfallmengen von lackierten Kunststoffteilen zu bewältigen und gleichzeitig das Rezyklat aufzubereiten. Dieses Verfahren kann von entsprechenden Recyclingunternehmen für eine nachhaltige Aufbereitung ihrer technischen Kunststoffe verwendet werdet. Allein in Deutschland ließen sich mit diesem Verfahren mehrere Tonnen lackierte Bauteile im Kreislauf halten. „Die Laserentlackung wird künftig in der Recyclingindustrie eine entscheidende Rolle beim Entfernen der Farbschicht spielen, um die großen Abfallmengen an lackierten Kunststoffbauteilen zu bewältigen und gleichzeitig das Rezyklat nachhaltig aufzubereiten“, ist Prof. Sover überzeugt.
Das Forschungsprojekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) finanziert.

Quelle: Hochschule Ansbach

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

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