Eine Person schaut in einen gelben Müllsack mit grüner Maske in der Hand.

Bislang landen Einmal-Gesichtsmasken meist im Restmüll und werden verbrannt. Das soll sich ändern. (Bild: ronstik - stock.adobe.com)

Mehrere Lagen Vliesstoff, verbunden mit Binde- oder Gummibändern: Was sich unspektakulär anhört hat sich mit Beginn der Corona-Pandemie einen nachhaltigen Platz in unserer Gesellschaft erobert. Die Rede ist von medizinischen Masken. Das schützende Utensil hat jedoch einen eher geringen Haltbarkeitswert. Nach einmaligem Tragen landet die Maske im Restmüll – so zumindest schreibt es das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vor. Kontaminiertes Material müsse durch Verbrennen sicher beseitigt werden heißt es.

Was aber, wenn die Masken als wertvolle Rohstoffquelle dienen können, anstatt in Rauch aufzugehen? Dieser Frage ging der Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE und das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht in einem Pilotprojekt gemeinsam mit dem in Saudi-Arabien ansässigen Chemieunternehmen Sabic und dem US-amerikanischen Konsumgüter Konzern Procter & Gamble (P&G) nach. Rohstoffe sollen aus gebrauchten und weggeworfenen Masken rückgewonnen und der Wertschöpfungskette der Produktion zurückgeführt werden.

Drei Kreise mit medizinischen Produkten darin.
Den Projektpartnern Fraunhofer, Sabic und Procter & Gamble ist es gelungen, EinwegGesichtsmasken im Verwertungskreislauf zu halten und so Kunststoffabfälle und den Abbau fossiler Rohstoffe zu reduzieren. (Bild: Sabic/Fraunhofer)

Mit diesem Verfahren werden Kunststoffe thermisch zersetzt

Gebäude mit bedrucktem Container davor.
Der I-Cycle-Demonstrator am Standort Sulzbach-Rosenberg: Hier werden die Masken thermochemisch aufbereitet. (Bild: Fraunhofer Umsicht)

Die hygienischen Anforderungen beim Recycling von Gesichtsmasken sind hoch. Der Materialmix in Form von metallischem Nasenbügel, Kunststofffasern oder Gummiband, aber auch die Verschmutzung und Kontamination der Masken, bringt insbesondere das werkstoffliche Recycling an seine Grenzen. Unter Leitung von Dr. Alexander Hofmann, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft bei Fraunhofer Umsicht entwickelten Forschende am Standort Sulzbach-Rosenberg ein Verfahren zur thermochemischen Stofftrennung. Mithilfe der I-Cycle-Technologie werden Kunststoffe und andere organische Bestandteile in sauerstofffreier Umgebung thermisch zersetzt und verflüchtigt. Diese werden dann von den in den Masken enthaltenen Metallen und Fasern getrennt.

Neben Masken lassen sich auch medizinische Abfälle im Allgemeinen verwerten, wie Hofmann verrät: „Vorteil ist, dass bei den hohen Temperaturen medizinisch kontaminiertes Material dekontaminiert wird.“ Daneben seien aber auch gemischte Kunststoffabfälle und Verbundmaterialien wie Elektronik-Altgeräte oder Rotorblätter geeignete Fraktionen. „Für eine ressourcen-effiziente Kreislaufwirtschaft sind besonders diese Fraktionen, die mechanisch nicht verwertet werden, von großer Bedeutung.“ Kunststoffe, die derzeit also nicht recycelt werden, können so als Alternative zur Verbrennung wiederverwertet werden. In Sulzbach-Rosenberg existiert bereits seit 2018 ein dafür notwendiger Forschungsreaktor, der ursprünglich allein für das Wiederverwerten von Elektronikschrott und Komposite entwickelt wurde, „durch Anpassungen und Weiterentwicklungen mittlerweile aber ein sehr breites Produktspektrum abdecken kann“, wie Hofmann erklärt.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Chemisch wiederverwerten, statt verbrennen

Blauer Müllsack gefüllt mit gebrauchten medizinischen türkisfarbenen Masken.
Kontaminierte Gesichtsmasken wurden von Sabic in dafür vorgesehenen Behältern von Mitarbeitern und Besuchern an den eigenen Standorten gesammelt. (Bild: Fraunhofer Umsicht)

Als Ergänzung zum werkstofflichen Recycling hat das chemische Recycling – auch rohstoffliches Recycling oder Feedstock Recycling genannt – das Potenzial, eine effizientere, rohstoffliche Nutzung von Kunststoffabfällen zu erreichen. Den Fraunhofer-Forschenden zufolge, wurden allein 2017 in Deutschland von den insgesamt 6,1 Mio. t Kunststoffabfällen nur rund 2,8 Mio. t werkstofflich recycelt. Der Großteil mit 3,2 Mio. t wurde energetisch wiederverwertet, also verbrannt. Allein hier zeigt sich das Potenzial des chemischen Recyclings: Anstatt die Abfälle zu verbrennen und dabei noch dazu CO2-Emissionen zu verursachen, können diese Wertstoffe erneut in den Kreislauf zurückgebracht werden. Verunreinigungen wie Glas, Metalle, Fasern, Holz, Papier, Pigmente, Additive oder Flammschutzmittel in den Stoffströmen erschweren hier das werkstoffliche, also mechanische Recycling. Mit chemischen Verfahren wie dem I-Cycle-Prozess lassen sich aus diesen Fraktionen jedoch wieder chemische Grundstoffe in Neuwarenqualität für die Kunststoffproduktion gewinnen.

Wie im Reaktorwertvolles Pyrolyseöl gewonnen wird

Zwei kleine Glasbehälter mit Kunststoffverschluss mit dunkler und heller Flüssigkeit gefüllt.
Das aus den Masken gewonnen Pyrolyseöl wurde aufbereitet und gereinigt. Aus diesem lassen sich erneut Gesichtsmasken oder medizinische Produkte herstellen. (Bild: Fraunhofer Umsicht)

Das Team um Alexander Hofmann möchte diese Potenziale am Beispiel der Wiederverwertung gebrauchte Gesichtsmasken aufzeigen. Doch woher die ganzen Masken nehmen? Um die Forschungsanlage in Sulzbach-Rosenberg entsprechend zu „füttern“ brauchte es eine ausreichende Anzahl dieser Art von medizinischen Einmal-Produkte. Dafür stellte Procter & Gamble Mitarbeitern und Besuchern an einem Produktions- und Forschungsstandort Sammelbehälter zur Verfügung, in denen gebrauchte Masken entsorgt werden konnten.

Am Standort Sulzbach-Rosenberg wurde das kontaminierte Material dann auf der Forschungspyrolyseanlage automatisch zerkleinert und anschließend thermochemisch in Pyrolyseöl umgewandelt. „Die Masken werden unter Stickstoffatmosphäre auf über 600 °C erhitzt. Dabei zersetzen sich die Polymere und es entstehen kleinere chemische Grundbausteine, die gasförmig oder flüssig sind – sowie ein fester Rückstand,“ erklärt Hofmann. In der Festphase befindet sich das Karbonisat, in dem die Metalle gebunden sind. Das Gas kann wiederum für die Beheizung des Prozesses genutzt werden. Aufgrund der hohen Temperaturen werden Schadstoffe oder auch Krankheitserreger komplett beseitigt.

Das wertvollste Endprodukt aus dem iCycle-Prozess ist das Pyrolyseöl, dessen Ausbeute besonders hoch ist. Bezogen auf die Masken liegt diese zwischen 50 und 60 %. „Unsere Pilotanlage hat eine Kapazität von bis zu 70 kg/h,“ so Hofmann und ergänzt: „allerdings handelt es sich um eine Forschungsanlage, die nur Kampagnenweise fährt“. Das gewonnene Pyrolyseöl wurde im Forschungszentrum aufbereitet und gereinigt um als Ausgangsmaterial für die chemische Industrie zu dienen. Hofmann verweist dabei auf die besonderen Anforderungen an das Vorprodukt: „Die Ölqualität muss den Spezifikationen des Steamcrackers, einer Raffinerie oder anderen Aufbereitungswegen der Öl- bzw. Chemieindustrie entsprechen. Besonders bei  halogen-haltigen Kunststoffabfällen, wie PVC oder Flammschutzmitteln ist das eine Herausforderung.

Das Fraunhofer Umsicht entwickelt Prozesse zur Aufbereitung der Öle und konnte bereits demonstrieren, dass die Spezifikationen der Industrie erfüllt werden können.“ Die hohe Qualität des aus dem I-Cycle-Prozess gewonnen Öls gibt ihm recht. Aus diesem lassen sich abermals Gesichtsmasken oder andere medizinische Produkte herstellen. Das Pyrolyseöl wurde anschließend an den Projektpartner Sabic weitergereicht, der dieses als Ausgangs-material für die Herstellung von neuwertigem Polypropylen (PP) verwendet. Dieses wurde nach dem allgemein anerkannten Massenbilanz-Prinzip hergestellt. Konkret bedeutet dies, dass zusätzlich zu dem aus dem Maskenrecycling gewonnenen Pyrolyseöl auch fossile Rohstoffe im Herstellungsprozess zum Einsatz kommen. Eine Brückenlösung zwischen der heutigen Linearwirtschaft und der nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft der Zukunft.

Um den Kreislauf zu schließen wurde das Polypropylen bei Procter & Gamble schließlich zu Vliesfasern abermals zu Masken verarbeitet. Das Forscherteam um Hofmann spricht dabei von „echtem Closed-Loop-Recycling“. Schließlich war es gelungen, von einem Produkt zu exakt dem gleichen Produkt zu kommen – ganz ohne Qualitätsverluste.

Recyclingprozess mit Zukunft?

In gerade einmal sieben Monaten war es den Akteuren gelungen das Kreislaufprojekt erfolgreich umzusetzen. Ein Projekt mit nachhaltiger Zukunft – und nachhaltigem Fußabdruck also? Fest steht, dass aktuell Masken aber auch jedwede andere medizinische Schutzausrüstung verbrannt werden, wie Hofmann betont. „Die Rohstoffe gehen letztendlich irreversibel in Form von CO2 verloren.“ Mit dem I-Cycle-Prozess wollen die Forschenden dabei unterstützen, die Wertschöpfungskette vom Kunststoffabfall zur recycelten Neuware zu schließen. Selbst FFP-2 Masken können recycelt werden, heißt es. Die I-Cycle-Technologie deckt schließlich auch Verbundmaterialien ab, die in dieser Art von Masken Verwendung finden.

Und auch in Sachen Zukunft ist dem Forschungsleiter nicht bange – im Gegenteil: „Projekte zur Hochskalierung der Technologie sind geplant.“ So hat sich das Team am Fraunhofer Umsicht zum Ziel gesetzt, den Recyclingprozess auf Krankenhausabfälle im Allgemeinen zu übertragen. „Wir sind immer interessiert an weiteren Industriepartnern“, ergänzt Hofmann.

Quelle: Fraunhofer Institute for Environmental, Safety, and Energy Technology UMSICHT

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