PFAS zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr stabil, sowie wasser-, schmutz-, und fettabweisend sind. Aufgrund dieser nützlichen Eigenschaften finden sie in einer Vielzahl von industriellen Prozessen und Produkten Verwendung.
Sie werden jedoch mit verschiedenen Gesundheitsproblemen und -gefährdungen in Verbindung gebracht. Deshalb prüft die EU derzeit ein vollständiges PFAS-Verbot – deutliche Kritik an einer solchen Regulierung kam und kommt aus verschiedenen Bereichen der Kunststoffverarbeitung, -herstellung und -entwicklung.
Auf unserer Fokusseite möchten wir einen generellen Überblick mit der Aktualität dieses industrierelevanten Themas verknüpfen.
Sie haben wenig Zeit? Hier geht es direkt zu den einzelnen Textabschnitten:
- Was sind PFAS?
- Wodurch zeichnen sich PFAS aus?
- Was ist das Problem mit PFAS?
- Warum sollen PFAS in der EU möglicherweise verboten werden?
- Welche Produkte wären von einem PFAS-Verbot betroffen?
- Inwiefern gefährdet ein PFAS-Verbot die Lieferketten?
- An welchen deutschen Industriestandorten kommen PFAS zum Einsatz?
- Ist eine Polymerisation mit fluorfreien Emulgatoren möglich?
- Welche PFAS-Alternativen gibt es bereits?
- Wie wirkt sich ein mögliches PFAS-Verbot auf den Maschinen- und Anlagenbau aus?
- Wie wirkt sich ein mögliches PFAS-Verbot auf die Oberflächentechnik aus?
- Wie wirkt sich ein mögliches PFAS-Verbot auf die Schmierstoff-Branche aus?
- Wie kommentiert die Kunststoff-Branche ein mögliches PFAS-Verbot?
- Wie kommentiert die Kautschuk-Branche ein mögliches PFAS-Verbot?
- Wie kommentiert die Medizintechnik-Branche ein mögliches PFAS-Verbot?
- Warum sind Fluorpolymere auch für die klimaneutrale Transformation essenziell?
- Wie ist der aktuelle Stand zu einem möglichen PFAS-Verbot?
Was sind PFAS?
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) folgendermaßen definiert: PFAS sind fluorierte Stoffe, die mindestens ein fluoriertes Methyl- oder Methylen-Kohlenstoffatom (ohne ein daran gebundenes H/Cl/Br/I-Atom) enthalten. Somit ist, bis auf wenige Ausnahmen, jede Chemikalie mit mindestens einer perfluorierten Methylgruppe (-CF3) oder einer perfluorierten Methylengruppe (-CF2-) ein PFAS.
Weitere Informationen hierzu können Sie auch in diesem Artikel einsehen.
Wodurch zeichnen sich PFAS aus?
PFAS zeichnen sich dadurch aus, dass sie überaus stabil, sowie wasser-, schmutz-, und fettabweisend sind. Aufgrund dieser Eigenschaften kommen sie in vielen verschiedenen Produkten wie Regenschirmen, Outdoor-Kleidung, Kochgeschirr, Teppichen oder Nahrungsmittelverpackungen zum Einsatz. Zudem finden sie in einer Vielzahl von industriellen Prozessen Verwendung.
PFAScon 2024 in Lüdenscheid erleben
Am 14. März 2024 öffnet das Kunststoff-Institut Lüdenscheid seine Türen für einen Fokustag rund um das Thema der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) und der aktuellen Situation in Bezug auf den ECHA-Beschränkungsvorschlag. Die PFAScon 2024 wird als neues interaktives Format vor Ort in Lüdenscheid stattfinden aber auch in eingeschränktem Umfang online angeboten. Die Veranstaltung thematisiert die aktuelle Situation und verspricht eine facettenreiche Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des möglichen Verbots auf die Kunststoffproduktion und beteiligte Wirtschaftszweige. Der PLASTVERARBEITER ist hierbei Medienpartner.
Was ist das Problem mit PFAS?
Die besonderen, hinsichtlich ihrer Funktionalität positiven, PFAS-Eigenschaften bringen allerdings auch Nachteile mit sich: PFAS sind dermaßen stabil, dass sie sehr lange in der Umwelt verbleiben und sich in Nahrungsketten anreichern können. Sie wurden weltweit im Wasser, in der Luft und im Boden nachgewiesen.
Das "Forever Pollution Project", eine Kooperation führender europäischer Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung, identifizierte über 17.000 verschmutzte Orte, 2.000 mit hoher PFAS-Konzentration. So wurden PFAS beispielsweise im menschlichen Blut gefunden. Sie stehen im Verdacht, unter anderem Leberprobleme, Schilddrüsenschäden und Krebs zu verursachen.
Warum sollen PFAS in der EU möglicherweise verboten werden?
Gerade aufgrund der gesundheitlichen Aspekte werden PFAS kritisch betrachtet. Die EU erwägt ein PFAS-Verbot wegen unkontrollierter Risiken bei der Herstellung und Nutzung. Mehrere Behörden, darunter das deutsche Umweltbundesamt, reichten diesbezüglich einen umfangreichen Vorschlag bei der European Chemicals Agency (Echa) ein. Ein mögliches Verbot könnte über 10.000 Substanzen betreffen.
Welche Produkte wären von einem PFAS-Verbot betroffen?
Ein PFAS-Verbot hätte weitreichende Auswirkungen auf Produkte aus verschiedenen Industriezweigen, unter anderem Mobiltelefone, Windturbinen und medizinische Geräte. Ein Verbot würde die Herstellung und Einführung sowie das Inverkehrbringen und Verwenden von PFAS betreffen.
Dies würde sich auf ganze Lieferketten auswirken. Im folgenden Artikel finden Sie eine Bildergalerie, welche Produkte von einem möglichen PFAS-Verbot betroffen wären:
Inwiefern gefährdet ein PFAS-Verbot die Lieferketten?
Das vorgeschlagene Verbot von PFAS tendiert laut Prof. Dr. Rainer Dahlmann, wissenschaftlicher Direktor für das Thema Kreislaufwirtschaft am Aachener Institut für Kunststoffverarbeitung, dazu, die Herstellung, den Handel und das Verwenden von perfluorierten Alkylen vollständig zu verbieten – ungeachtet dessen, in welcher Phase des Produktlebenszyklus diese Stoffe jeweils ein Risiko darstellen.
Das Verbot der Herstellung von PFAS bringt die gesamte Lieferkette in den Zwang, alternative Werkstoffe auszuwählen. In Fällen, in denen Unternehmen nicht wissen, ob und wo Zulieferer PFAS-Chemikalien einsetzen, entsteht ein operatives Risiko. Die kompletten Ausführungen Dahlmanns finden Sie hier.
An welchen deutschen Industriestandorten kommen PFAS zum Einsatz?
Recherchen der Süddeutschen Zeitung, des NDR und WDR, zusammengefasst dargelegt im Artikel unseres Schwestermagazins CHEMIE TECHNIK, zeigen: PFAS kommen in Deutschland an mindestens 132 Standorten zum Einsatz. Produziert werden sie an sechs Standorten: von Lanxess in Leverkusen, Solvay in Bad Wimpfen, Daikin in Frankfurt am Main sowie von gleich drei Unternehmen im bayerischen Chemiepark Gendorf (Dyneon, W.L. Gore und Anchroma).
Alle Produktions- und Einsatz-Standorte in Deutschland zeigt folgende interaktive Karte:
Ist eine Polymerisation mit fluorfreien Emulgatoren möglich?
Die Möglichkeit der Polymerisation ohne fluorhaltige Emulgatoren ist derzeit Gegenstand der Forschung. Behörden in den Niederlanden, Deutschland, Schweden, Dänemark und Norwegen sowie die Echa prüfen den Einsatz von niedermolekularen, fluorfreien Polymerisationszusatzstoffen und deren Umweltauswirkungen.
Das indische Unternehmen GFL hat fluorfreie Emulgatoren für die PTFE-Polymerisation entwickelt. Diese Emulgatoren wurden patentiert und erfüllen die europäischen Umweltauflagen.
Welche PFAS-Alternativen gibt es bereits? (Stand: Oktober 2023)
Angesichts des möglichen Verbots arbeiten manche Unternehmen bereits – gewissermaßen präventiv – an PFAS-Alternativen.
Freudenberg Sealing Technologies hat beispielsweise ein hydrolysebeständiges Hochleistungspolyurethan ohne PFAS entwickelt, das nach Unternehmensangaben für mobilhydraulische Dichtsysteme bessere Eigenschaften bietet als die herkömmlichen PTFE-Varianten.
Auch Trelleborg Sealing Solutions ist auf der Suche nach anwendungsspezifischen PFAS-Alternativen. Allerdings wird es dem Unternehmen zufolge keine einfachen Lösungen geben, die PFAS-Werkstoffe für eine breite Palette von Anwendungen ersetzen können.
Die Zukunft sieht der Dichtungshersteller vielmehr in technischen Lösungen für einzelne Nischenanwendungen. In einigen Fällen soll dies durch Änderung der Konstruktionsgeometrie erreicht werden, um beispielsweise die Reibung zu verringern und einen PFAS-Werkstoff durch ein anderes Polymer zu ersetzen.
Zur Fakuma 2023 präsentiert Dreyplas eine weitere Alternative zu Fluorpolymeren: thermoplastisch verarbeitbare UHMW-PE. Das auf der Messe präsentierte Material lässt sich bei Formteilen ebenso wie bei Profilen, Plattenware, Folien und Beschichtungen einsetzen, wenn sehr gutes Gleitverhalten und geringer Abrieb, gegebenenfalls in Verbindung mit hoher chemischer Beständigkeit, im Vordergrund stehen.
Wie wirkt sich ein mögliches PFAS-Verbot auf den Maschinen- und Anlagenbau aus?
Der VDMA sieht ein mögliches PFAS-Verbot kritisch. Das geplante Verbot würde dem Verband zufolge bedeuten, dass europäische Maschinenbauer auf PFAS verzichten müssen, während sich Konkurrenten aus Nicht-EU-Ländern durch die Weiterverwendung erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Der VDMA fordert daher:
- Eine differenzierte Regulierung der PFAS-Stoffe, die auf einer wissenschaftlichen Basis beruht,
- eine generelle Ausnahme vom Verbot für Polymere „of low concern“, die nachweislich ungefährlich sind,
- eine Ausnahme vom Verbot für PFAS-Produkte, die nicht mit der Umwelt in Berührung kommen,
- eine längere Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten des Verbots,
- eine längere oder unbefristete Zeit, in der PFAS-Stoffe für Ersatz- und Verschleißteile für bereits im Markt vorhandene Maschinen und Anlagen genutzt werden dürfen.
Gemeinsam mit Spectaris hat der VDMA am letzten Tag des PFAS-Konsultationsverfahrens zu einer gemeinsamen Pressekonferenz eingeladen. Auch Spectaris sieht durch ein Generalverbot dieser Stoffgruppe die Hightech-Anwendungen in Europa gefährdet.
Auch die Mitgliedsunternehmen des Packaging Valley sehen ein PFAS-Verbot kritisch, da dieses unter anderem Anlagen für die industrielle Produktion, Verarbeitung, Verpackung und Abfüllung von Lebensmitteln sowie Verpackungsmaterial betreffen würde.
Auch Arburg sieht ein mögliches PFAS-Verbot kritisch. Laut Guido Frohnhaus, Geschäftsführer Technik des Loßburger Maschinenbauers, wären sowohl Material- und Produkt- als auch Komponenten- und Maschinenhersteller davon betroffen. Bei den Kunststoffverarbeitungsmaschinen geht es beispielsweise um Dichtungen, Gleit- und Kugellager, Linearführungen und Schmierstoffe.
Wie wirkt sich ein mögliches PFAS-Verbot auf die Oberflächentechnik aus?
Dr. Markus Dahlhaus, Vorsitzender des Fachverbands Galvanisierte Kunststoffe (FGK) sieht das Vorhaben kritisch. Ein PFAS-Verbot würde auch die Verwendung von Netzmitteln in Galvaniken betreffen, sich somit auch auf die Oberflächentechnik auswirken. Jene Netzmittel sind für eine effiziente Beschichtung und Aerosolvermeidung unerlässlich. PFAS-Tenside, die in oxidierenden Medien Stabilität aufweisen, kommen in der Kunststoffgalvanisierung zum Einsatz. Moderne Verchromungsprozesse verzichten bereits auf fluorierte Netzmittel, beim Konditionieren von Kunststoffen gibt es jedoch kritische Bereiche, in denen fluorfreie Alternativen nicht ausreichen.
Chromfreie Beizsysteme ohne PFAS befinden sich im Entwicklungsstadium und könnten den Einsatz von PFAS in den nächsten Jahren ersetzen. Ein Verbot könnte jedoch Arbeitsschutzprobleme, fehlerhafte Produktion und Kostensteigerungen verursachen, was die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen würde. Zudem könnte es die Materialversorgung von Anlagen beeinträchtigen und die Produktion aus der EU verdrängen.
Der Fachverband Galvanisierte Kunststoffe (FGK) hat im Januar 2024 Creon Metal Surfaces eingeführt: Der PFAS-freie Prozess soll die Vorteile und Gestaltungsfreiheit des Kunststoffspritzgusses mit den positiven Eigenschaften von Echtmetalloberflächen kombinieren.
Wie wirkt sich ein mögliches PFAS-Verbot auf die Schmierstoff-Branche aus?
Ein PFAS-Verbot würde auch die Schmierstoff-Branche betreffen. PTFE-haltige Schmierstoffe werden je nach Anwendungsdetail reguliert. Die Schmierstoff-Branche erwartet weitere Maßnahmen oder Verschärfungen, insbesondere für umweltoffene Anwendungen.
Einige Unternehmen reduzieren bereits ihre Geschäftsaktivitäten aufgrund der zu erwartenden Regulierungen, was sowohl die Rohstoffverfügbarkeit als auch die Preise beeinflussen könnte.
Wie kommentiert die Kunststoff-Branche ein mögliches PFAS-Verbot?
Die Kunststoff-Branche lehnt ein vollständiges PFAS-Verbot ab. Unter ein generelles Verbot würden auch Fluorpolymere fallen, die als Hochleistungswerkstoffe in der Industrie unverzichtbar sind. Diese Kunststoffe spielen eine wichtige Rolle in Schlüsselindustrien und der Energiewende. Ein Verbot von PFAS würde die EU-Klimaneutralitätsziele bis 2050 gefährden und die europäische Wirtschaft von Rohstoffimporten abhängig machen.
Die Kunststoff-Branche fordert, dass Fluorpolymere aus dem Echa-Beschränkungsverfahren ausgenommen werden. Sie sucht den Dialog mit der Politik, um ihre Standpunkte zu vermitteln und die Bedeutung von Fluorpolymeren für die Technologie und Versorgungssicherheit der EU hervorzuheben.
Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer von Kunststoffland NRW, kritisiert das vorgeschlagene Beschränkungsverfahren für PFAS ebenfalls. Er bemängelt, dass die Stoffgruppe zu undifferenziert behandelt wird. Brinitzer betont die Notwendigkeit einer differenzierten Risikobetrachtung und lehnt ein pauschales Verbot der gesamten Stoffgruppe ab. Er fordert, dass die Untergruppe der etwa 40 Fluorpolymere, die bisher als unbedenklich eingestuft wurden, von einem Verbot ausgenommen wird. Die kompletten Ausführungen Brinitzers finden Sie hier.
„Wir schlagen vor, eine Ausnahmeregelung für Fluorpolymere in das Dossier aufzunehmen. Auch wenn PFAS-produzierende Unternehmen nach Möglichkeiten suchen, PFAS-Polymerisationshilfsmitteln zu ersetzen, wird es notwendig sein, diese vorerst weiter zu verwenden. Wir brauchen einen Rahmen, der einen solchen Übergang ermöglicht.“
Dr. Fang Luan, bei der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen zuständig für Verbraucherschutz und Qualitätsmanagement, ist über ein mögliches PFAS-Verbot in der Kunststoffverpackungsindustrie besorgt. PFAS-basierte polymere Prozesshilfsmittel (PPA) werden in Polyolefinen verwendet. Diese Substanzen sind für Lebensmittelkontaktmaterialien in der EU zugelassen. PPA verbessern den Verarbeitungsprozess, verhindern Oberflächenfehler und reduzieren Abfall.
Luan schlägt längere Übergangsfristen für bestehende Verpackungen vor: fünf Jahre für Lebensmittelverpackungen und zwölf Jahre für flexible Verpackungen von pharmazeutischen Produkten.
Dipl.-Ing. Stefan Schmidt, Institutsleiter/Geschäftsführer des KIMW, äußert ebenfalls Bedenken über ein mögliches PFAS-Verbot. PFAS sind die Grundlage für Fluorpolymere, die in verschiedenen technischen Produkten Verwendung finden. Schmidt betont die einzigartigen Eigenschaften dieser Polymere, darunter die hohe chemische Beständigkeit, geringe Reibung, hohe Temperaturbeständigkeit und Isolationseigenschaften. Er warnt vor einer undifferenzierten Betrachtung, die technisch anspruchsvolle Produkte gefährden könnte. Die kompletten Ausführungen Schmidts finden Sie in diesem Artikel.
Wie kommentiert die Kautschuk-Branche ein mögliches PFAS-Verbot?
Auch Dr. H.-Martin Issel, Vorsitzender der Deutschen Kautschuk Gesellschaft, spricht sich gegen ein generelles PFAS-Verbot aus. Er kritisiert, dass die Echa einen Vorschlag für ein umfassendes Verbot von perfluorierten organischen Substanzen vorgelegt hat, einschließlich Fluorpolymeren wie PTFE, PVDF und den Elastomerwerkstoffen FKM und FFKM. Dies sind seine sechs Hauptkritikpunkte:
- Ein "Broad Restriction Proposal" könnte bis zu 10.000 Chemikalien ungeprüft vom Markt verbannen, ohne die Verfügbarkeit schädlicher Chemikalien nachzuweisen.
- Das "Essential Use"-Konzept könnte Produkte als "non-essential" verbieten, ohne den gesellschaftlichen Nutzen zu berücksichtigen.
- Die alleinige Berücksichtigung der Langlebigkeit von Produkten als Verbotskriterium ist fragwürdig.
- Die Behörden kehren die Beweislast um und verlangen von Herstellern, Anwendern und Verarbeitern, die Nützlichkeit ihrer Produkte zu erklären.
- Für das Verfahren werden sehr kurze Fristen gesetzt.
- Der Gesetzesvorschlag ist nur in englischer Sprache verfügbar.
Wie kommentiert die Medizintechnik-Branche ein mögliches PFAS-Verbot?
Fluorpolymere sind in der Medizintechnik nicht ersetzbar, sie ermöglichen minimalinvasive chirurgische Eingriffe. Alternativen zu Fluorpolymeren weisen in der Regel geringere Leistungseigenschaften auf und sind nicht ausreichend erforscht. Dr. Martin Leonhard, Vorsitzender Medizintechnik im Deutschen Industrieverband Spectaris, äußert folglich starke Bedenken gegenüber einem möglichen PFAS-Verbot.
Kontaktlinsen und Kunststoffbrillengläser würden Funktionalität einbüßen, Diagnosemöglichkeiten wie Ultraschall, CT oder Kernspin wären undenkbar. Harnableitende Katheter würden leichter mit der Harnröhre verkleben, Dialyse wäre nicht mehr möglich. Herzschrittmacher könnten nicht mehr hergestellt werden, Herzkatheter würden nicht reibungsarm in die Koronargefäße gelangen. Im OP-Saal gäbe es weder moderne Narkose- noch Beatmungsgeräte, Operationen wären nicht mehr endoskopisch möglich.
Leonhard schätzt, dass etwa 20 Mio. Operationen in Deutschland jährlich den Einsatz von PFAS-Materialien erfordern. Er befürwortet generelle Ausnahmen für PFAS in der Medizintechnik.
Warum sind Fluorpolymere auch für die klimaneutrale Transformation essenziell?
Das PFAS-Regulierungsvorhaben der Echa bedroht aus Sicht von Pro-K insbesondere Fluorpolymere. Diese werden jedoch unter anderem in der Elektronik- und Logistikbranche benötigt. In grünen Technologien wie der Wasserstoffherstellung fördern sie die Defossilisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.
„PFAS-Polymere sind technisch wichtige Stoffe, die zum Beispiel für Umwandlungstechnologien wie Elektrolyseure und Brennstoffzellen verwendet werden. Daher ist ein differenzierter Ansatz erforderlich, um die unbedenklichen Polymere als einen der Wegbereiter für die Transformation zur Klimaneutralität und für die Erreichung der Ziele des Green Deal weiterhin zu ermöglichen.“
Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer Plastics Europe Deutschland
Darüber hinaus helfen Fluorkunststoffe mit, Chemikalien sicher und verlustfrei auch über große Entfernungen zu transportieren. Der Vorschlag der Echa steht im Widerspruch zur Zielsetzung der Europäischen Union, eine eigene Halbleiterproduktion aufzubauen, den Green Deal umzusetzen und mehr E-Autos auf die Straße zu bringen.
Die Arbeitsgruppe Fluorpolymerhersteller (FPG) von Plastics Europe hat eine Selbstverpflichtung hinsichtlich der einzuhaltenden PFAS-Grenzwerte für die europäischen Produktionsstandorte erarbeitet. Die FPG-Mitglieder bieten konkrete Lösungen für Fragen und Bedenken in Bezug auf Emissionen, die bei der Fluorpolymerherstellung entstehen und die für den grünen und digitalen Wandel in der EU bedeutend sind.
Wie ist der aktuelle Stand zu einem möglichen PFAS-Verbot?
Über 4.400 Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen aus der ganzen Welt haben Stellungnahmen und Informationen zum Vorschlag zur PFAS-Beschränkung im Europäischen Wirtschaftsraum eingereicht.
Am Ende der Konsultation, am 25. September 2023, lagen der Europäischen Chemikalienagentur (Echa) über 5.600 Stellungnahmen vor. Diese werden von wissenschaftlichen Ausschüssen der Echa für Risikobewertung (Rac) und für sozioökonomische Analyse (Seac) geprüft. Diejenigen Einreichungen, die relevante evidenzbasierte Informationen liefern, werden im Prozess der Entscheidungsfindung zu einem möglichen PFAS-Verbot berücksichtigt.