Prof. Dr. rer. nat. Rainer Dahlmann, wiss. Direktor für das Thema Kreislaufwirtschaft am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), Aachen

Prof. Dr. rer. nat. Rainer Dahlmann, wissenschaftlicher Direktor für das Thema Kreislaufwirtschaft am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), Aachen. (Bild: IKV)

Rahmenpolitische Vorgaben sind stets zweischneidige Schwerter. Es existieren Fälle, in denen solche Vorgaben Wirtschaftssektoren erfolgreich in die richtige Richtung gelenkt haben, doch es gibt ebenso Beispiele, in denen nachteilige Auswirkungen nachgewiesen wurden. Das Problem liegt in der Natur der Sache: Die Wirksamkeit von Vorgaben kann immer erst im Nachhinein sinnvoll bewertet werden, da die Gesamtheit und die gegenseitige Abhängigkeit der Einflussfaktoren vorab nicht abschätzbar sind. Daher ist es nicht überraschend, dass das Vorhaben der ECHA, PFAS einzuschränken, aus unterschiedlichen Blickwinkeln völlig verschiedene Bewertungen erfährt.

Die Unsicherheit in den Unternehmen ist erheblich. Jedes Unternehmen muss zunächst sorgfältig prüfen, ob es von derartigen Produkten berührt wird, um dann nach einer Prüfung auf andere Werkstoffe wechseln oder aktiv belegen zu müssen, dass ein Ersatz derzeit nicht verfügbar ist. Dies allein ist schon herausfordernd, konnte man doch deutlich spüren, dass bei der Betrachtung der eigenen Produkte nicht immer sofort klar ist, warum dieser oder jener fluorhaltige Werkstoff für ein bestimmtes Produkt ausgewählt wurde.

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Fluorpolymere und weitere fluorhaltige Substanzen sollen verboten werden. Eine ihrer herausragenden Eigenschaften – die Beständigkeit – könnte ihr Verbot bedeuten. Für Sie haben wir das Thema PFAS aus verschiedenen Blickwinkeln während der Widerspruchsfrist beleuchtet und halten Sie künftig zu PFAS-Alternativen auf dem Laufenden. Alles, was Sie zum Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

Damit wird erst der den Unternehmen zugemutete Aufwand deutlich: Die Auswahl von Werkstoffen erfolgt systematisch anhand von Anforderungsprofilen. Dazu muss das gesamte Beanspruchungskollektiv ermittelt werden, das bei der Fertigung, während der Nutzung und Wiederverwertung ausgesetzt ist, um anschließend grundsätzlich geeignete Werkstoffe in eine Vorauswahl zu nehmen. Da die Produktkomponenten höchst individuellen Anforderungen gerecht werden müssen, kann die Werkstoffauswahl nicht allein auf dem Papier beziehungsweise am Computer erfolgen: Die vorausgewählten Werkstoffe müssen erprobt werden, und zwar mit Blick auf die anvisierte Produktlebensdauer.

Natürlich gibt es dazu Ansätze zur beschleunigten Erprobung, aber am Ende muss deren Bewertung mit Erfahrungen aus der Praxis gespiegelt werden. Der Zwang möglicherweise vollständig auf andere Werkstoffgruppen umsteigen zu müssen, beraubt Unternehmen der Möglichkeit, auf ihre eigenen Erfahrungen zurückzugreifen. Im Grunde genommen erfordert dies eine zumindest partielle Neuentwicklung und -erprobung bereits etablierter Produkte. Nach den wirtschaftlichen Rückschlägen der letzten Jahre droht ein wirtschaftliches Desaster.

Das vorgeschlagene Verbot von PFAS tendiert dazu, die Herstellung, den Handel und das Verwenden von perflourierten Alkylen vollständig zu verbieten, ungeachtet dessen, in welcher Phase des Produktlebenszyklus diese Stoffe jeweils ein Risiko darstellen. Zwar werden für bestimmte Anwendungen sogenannte Ausnahmefristen gewährt, allerdings kann nicht die gesamte Lieferkette zwingend nur bestimmte Anwendungen im Visier haben. Während die Verwendung eines Werkstoffs für den einen Komponentenhersteller noch unter die Ausnahmeregelungen fallen kann, trifft dies möglicherweise nicht auf andere zu. Ob der Hersteller des für die Fertigung der Komponente erforderlichen Werkstoffs diese Ausnahme auch für sich in Anspruch nehmen kann und möchte, ist ungewiss, da er ja mit einer deutlichen Reduktion der Abnahmemengen rechnen muss. Das Verbot der Herstellung von PFAS bringt die gesamte Lieferkette in Zwang, alternative Werkstoffe auszuwählen und läuft Gefahr auch solche Bereiche zu schädigen, in den das Risiko von PFAS nicht belegt ist. Das belastet vor allem kleine und mittelständische Unternehmen. Es ist ebenfalls fraglich, ob die Ausnahmefristen von 12 Jahren für medizinische Implantate angesichts der aufwendigen Zulassungsprozeduren ausreichend sind.

Getrieben von der Verunsicherung erreicht uns in diesen Wochen eine Fülle von Fragen gerade kleiner und mittelständischer Unternehmen. Es zeigt sich, dass sich für einige Produkte durchaus Alternativkunststoffe finden lassen, für andere jedoch nicht. Die Lösungen liegen nicht auf der Hand, sondern müssen und können durch gemeinsame Diskussionen erarbeitet werden.

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