Herr Nagl, welche Rolle spielt der Extruder im Recycling-Prozess?
Daniel Nagl: Noch immer kommen große Mengen Kunststoffabfall auf Deponien, werden verbrannt oder einfach weggeworfen. Der Extruder trägt dazu bei, aus einem vermeintlichen Abfall wieder einen Kunststoff zu machen, sei es für eine höherwertige, eine gleichwertige oder eine niederwertige Anwendung. Im Recycling gibt es dazu verschiedene Ansatzpunkte: das mechanische, das physikalische und das chemische Recycling. Da ist noch vieles in der Entwicklung.
Welchen Vorteil bietet ein Doppelschneckenextruder hierbei?
Nagl: Sein großer Vorteil ist, dass er eine sehr gute Mischmaschine ist. Andere Aggregate können auch aufschmelzen, aber bei der Doppelschnecke kann man gleichzeitig Additive einarbeiten. Im mechanischen Recycling kommt man auf diese Weise aus dem reinen Re-Cycling in das Up-Cycling hinein. Man kann also höherwertiges Material herstellen. Beim physikalischen Recycling wird einer Kunststoffschmelze ein Lösemittel zugegeben, um einen Kunststoff zu extrahieren. In diesem Prozess ist die Entgasung sehr wichtig. Auch hier ist die Doppelschnecke die beste Wahl, denn sie kann sehr gut entgasen. Wir bei Leistritz sehen es als unsere Aufgabe an, all diese Verfahren und Technologien weiterzuentwickeln, um das Recycling noch effizienter und besser zu machen. Das ist ein sehr dynamisches Feld, auf dem sich immer wieder neue Aufgabenstellungen ergeben.
Kunststoffrecycling: Der große Überblick
Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.
Treibt das Recycling die Nachfrage bei Leistritz?
Nagl: Wir merken, dass dieses Thema immer mehr in den Fokus rückt, was uns sehr freut. Kunststoffabfälle aus der Produktion werden schon lange recycelt, aus Gründen der Kosteneffizienz. Neu ist, dass der Druck der Konsumenten zunimmt. Das führt unter anderem dazu, dass sich die großen Konsumgüterhersteller freiwillig Rezyklatquoten auferlegen. In dieser Situation sind unsere Extruder vermehrt gefragt.
Voraussetzung ist aber, dass es genügend Mengen gibt, oder?
Nagl: Das ist der kritische Punkt. Beim Recycling kommt es darauf an, wer die Stoffströme kontrolliert. Bei PET ist der Stoffstrom dank des Pfandsystems in Deutschland schon relativ gut etabliert. Aber in vielen anderen Bereichen ist das nicht so. Man muss also erst einmal den Stoffstrom bekommen und dann auch möglichst einen qualitativ hochwertigen. Hier ist großes Potential vorhanden, die Recyclingquote zu erhöhen und deshalb dringend eine ganzheitliche Lösung erforderlich.
Wo ist der Doppelschneckenextruder außerhalb des Recyclings noch wichtig?
Nagl: Für den Extruder ist neben dem Recycling von Kunststoffen der Leichtbau das zweite große Nachhaltigkeitsthema. In der Automobilindustrie, in der Luftfahrtindustrie, überall tragen Kunststoffbauteile zu Gewichtsverlust und damit zur Minderung von CO2-Emissionen bei. Um unsere Expertise in diesem Bereich weiter auszubauen, sind wir beispielsweise bereits 2018 eine Entwicklungspartnerschaft mit der Johannes Kepler Universität in Linz eingegangen, wo wir zusammen mit anderen namhaften Unternehmen an verfahrenstechnischen Prozessen in der Kunststoffverarbeitung forschen. Angefangen beim Einsatz faserverstärkter Kunststoffe für den Leichtbau über die Digitalisierung bis hin zur Wiederverwertung von Kunststoffen. Die gesamte Wertschöpfungskette vom Werkstoff über die Bauteilentwicklung bis zur automatisierten Verarbeitung. Dabei konzentrieren sich die Aktivitäten bei der Wiederverwertung auf das werkstoffliche Recycling und das Upcycling zur Verbesserung der Eigenschaften.
Aber auch die Energiewende bei uns ist ohne Kunststoffe nicht umsetzbar. In Windrändern ist beispielsweise sehr viel PET verbaut. Wir haben immer schon Extruder für Kunststoffe gemacht. Aber mit diesen Anwendungen, Leichtbau, Recycling, können sich die Menschen viel besser identifizieren. Unsere Mitarbeiter können ihrer Familie sagen, dass wir zu etwas Gutem beitragen.
Die Way2K-Interviewreihe:
Bis zur K-Messe 2022 sind es zwar noch einige Monate, nichtsdestotrotz können Sie die verbleibende Zeit investieren und einen Blick in die bisherigen Interviews aus der Way2K-Reihe des VDMA werfen. Hier gelangen Sie zur Übersicht.
Der Kunststoffbedarf steigt. Was ist zu tun, damit diese Entwicklung positiv wahrgenommen wird?
Nagl: Wir müssen Aufklärungsarbeit leisten und zeigen, dass man mit Kunststoff viel Gutes tun kann und dass man den Extruder dafür braucht. Das müssen die Menschen verstehen. Wir müssen ihnen sagen, dass sie die Baumwolltaschen in der Gemüseabteilung mindestens 1000 Mal benutzen müssen, damit sich das in der Öko-Bilanz im Vergleich zu einer Plastiktüte rechnet. Problematisch ist, dass Kunststoff oft falsch dargestellt wird. Diese Aufklärungsarbeit möchten wir auch im Rahmen unseres Messeauftritts auf der K leisten und setzen das Thema Nachhaltigkeit, Recycling und Effizienz deshalb in den Fokus.
Auf der Leistritz-Webseite gibt es das Projekt „Plastics 2050“. Was hat es damit auf sich?
Nagl: Wir haben das Projekt Anfang 2021 gestartet. Wir klären dort über Kunststoff auf. Wir zeigen Fragestellungen, aber auch Lösungen. Und Visionen. Unter anderem stellen wir uns die Frage, wie sich der steigende Kunststoffbedarf decken lässt, ohne die Umwelt zu belasten und was mithilfe der Digitalisierung möglich ist um Technologien, Effizienz und Nachhaltigkeit optimal zu verbinden.