Partnerland des im Jahr 2018 ins Leben gerufenen Kongresses war Vietnam, sodass die Veranstaltung hybrid durchgeführt wurde. Initiator der Veranstaltung ist Polykum-Vorstand Peter Putsch, der in seiner Eröffnungsrede bekräftigte, dass die Kunststoffindustrie im Zeitalter der Biopolymere angekommen sei. Die UN Plastics Conference in Paris habe erneut gezeigt, dass gerade bei Verpackungen mehr bioabbaubare Kunststoffe eingesetzt werden müssten. Doch nicht allein die Industrie sei gefragt, so Putsch, sondern auch die Verbraucher, die ihre Sicht auf den Kunststoff ändern und diesen als Wertstoff anerkennen müssten. Im vom BMBF geförderten Projekt Rubio, von dem bereits Teilprojekte im PLASTVERARBEITER vorgestellt wurden, werden die fünf Prinzipien
- Reduce – Verringere die Materialvielfalt!
- Reuse – Verwende Werkstoffe mehrfach!
- Recycle – Halte den grünen Kohlenstoff im Kreislauf!
- Regionalize – Produziere rohstoff- und kundennah!
- Re-Grow – Nutze nachwachsende Rohstoffe!
von den Projektpartnern für das bioabbaubare Polymer Polybutylensuccinat (PBS) in technologische Prozesse umgemünzt. Laut Putsch handelt es sich bei Rubio um ein Leuchtturmprojekt, da Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der gesamten Produktionskette mitarbeiten. Hierzu ergänzte in seiner Videobotschaft Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, dass sich Deutschland derzeit in einem Strukturwandel befinde. Im Mittelpunkt stehe dabei „der Ausstieg aus der Kohlenutzung mit dem Ziel, Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral zu machen. Dies erfordert neue Wege auch in der chemischen Industrie.“ Der promovierte Physiker sieht in nachwachsenden Rohstoffen einen wichtigen Schlüssel zum Erfolg und Sachsen-Anhalt aufgrund der zahlreichen Forschungsprojekte und installierten Pilotanlagen als Vorreiter.
Es gibt nicht „das“ Biopolymer
Der Sprecher der ersten Keynote des Tages, Dr. Dr. h. c. Christian Patermann, hatte als Programmdirektor der EU-Kommission von 1996 bis 2007 der „wissensbasierten Bioökonomie“ in Europa den Weg geebnet und wurde von Peter Putsch als „Vater der europäischen Bioökonomie“ angekündigt. In der Einleitung wies Patermann darauf hin, dass die Bioökonomie im Jahr 2004 in einer Fußnote auf der ersten Seite des OECD-Berichts „Biotechnology for sustainable Growth and Development“ erstmals erwähnt wurde: „Eine biobasierte Wirtschaft ist ein Konzept, das erneuerbare Rohstoffquellen, effiziente Bioprozesse und ökoindustrielle Cluster für die Produktion von nachhaltigen Bioprodukten, Arbeitsplätze und Einkommen vorsieht.“ Heute gibt es nicht die eine bioökonomische Lösung, sondern viele spezifische. Weltweit bekennen sich immer mehr Länder auch im asiatischen Raum zur Bioökonomie. So baue China derzeit zwölf Anlagen, um PLA herzustellen; weitere sollen folgen. Auch sorge die Bioökonomie in der derzeitigen Energiekrise für Resilienz in der Wirtschaft. Dennoch muss die deutsche Industrie nach Patermanns Worten noch viel Überzeugungsarbeit in Politik und bei den Stakeholdern leisten, damit diese die biobasierten Kunststoffe als gleichwertige Werkstoffe anerkennen.
Alles zum Thema Biokunststoffe
Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.
Blick ins Partnerland
Peter Buerstedde, Direktor Vietnam bei Germany Trade & Invest (GTAI), stellte in seinem Vortrag Vietnam als industrielles Powerhaus im Südosten Asiens vor. Im Jahr 2007 war das Land der WTO beigetreten und liefert zwischenzeitlich 40 % aller elektronischen Geräte, die aus dieser Region exportiert werden. Er wies auch auf das Freihandelsabkommen hin, das mit der EU getroffen wurde. Zahlreiche deutsche Unternehmen haben eigene Produktionsstätten eröffnet und in diesem Jahr findet dort ein Kongress der deutschen Werkzeugmaschinenbauer statt. Was derzeit das geplante Wirtschaftswachstum bremse, sei die Verfügbarkeit von Strom, die aufgrund der niedrigen Pegelstände der Stauseen eingeschränkt ist und die Bevölkerung aufgrund des höheren Lebensstandards mehr verbrauche, sodass es zu den Ausfällen in den Produktionsbetrieben kommt. Seine Klimaneutralität habe das Land bis 2050 geplant. Einen Überblick über die vietnamesische Kunststoffindustrie gab Huynh Thi My, Generalsekretärin des vietnamesischen Kunststoffverbandes (VPA). Die Vereinigung besteht seit 1990 und stellt ein Bindeglied zwischen der Regierung und Unternehmen dar und repräsentiert die lokale Industrie national wie international. Der Verband vertritt die mehr als 4.000 Kunststoffverarbeiter, die im Jahr 2022 rund 9,5 Mio. t Kunststoff verarbeitet haben. Die Kunststoffindustrie ist seit 2019 jährlich im Durchschnitt um 8,4 % gewachsen. Interessant sind auch die Zahlen in Bezug auf die Menge des Kunststoffabfalls. Das Land generiert pro Jahr rund 1,8 Mio. t. In jedem Haushalt fallen pro Monat mehr als 300 Plastiktüten an, die in Summe ein Gewicht von mehr als einem Kilogramm besitzen. Derzeit werden mehr als 85 % des Haushaltsmülls deponiert. Waste und Pollution nehmen aufgrund der Urbanization, des Wirtschaftswachstums und der Industrialisierung stark zu. Deshalb wird derzeit im Land verstärkt an Biokunststoffen – biobasiert wie auch bioabbaubar – geforscht. Auf den aktuellen Stand zu den bioabbaubaren Kunststoffen im Land ging Dr. Nguyen Le Thang Long ein. Er ist Präsident von EPMA (Ecofriendly Products Manufacturers Association of Vietnam) und Deputy CEO von An Phat Holdings. Das Netzwerk von Verarbeitern, Anbietern und Dienstleistern wurde 2021 gegründet und hat Umweltschutz und die Stärkung der Unternehmen zum Ziel. Ein Schwerpunkt der Forschung liegt derzeit auf der Entwicklung heimkompostierbarer Polymere. Als herausfordernd stellen sich die Siegelbarkeit der Folien sowie das Sicherstellen der Heimkompostierbarkeit der Werkstoffe dar, so Long. Die Tests werden durchgeführt an Einmalprodukten wie T-Shirt-Beuteln, Strohhalmen, Einmalbesteck und anderen. Biologisch abbaubare Kunststoffe werden, so Long, als eine der Schlüssellösungen für das Abfallproblem in Vietnam angesehen. EPMA erwartet, dass die Nachfrage bis ins Jahr 2030 bis auf 80.000 t pro Jahr ansteigen wird.
Die weiteren acht Vorträge stellten Aktivitäten und Projekte der Branche vor, angefangen bei der Erzeugung und Verarbeitung der Biomasse, über die Polymerisation bis zu deren Einsatz in Mono-Sandwich-Bauteilen. Danach folgte der mit besonderer Spannung erwartete Abschluss des Konferenztages: die Verleihung der Biopolymer Innovation Awards 2023. Die Vorträge der Veranstaltung sind auf dem Youtube-Kanal @polykum-biopolymer verfügbar.
Das sind die Preisträger 2023
Die für die Preise nominierten Unternehmen stellten in einem Kurzvortrag ihre Entwicklungen vor. Der 3. Platz ging an Sobico aus Bad Sobernheim für die Entwicklung von Plactid, einer PLA-Copolymer-Familie, die sich durch ihr neuartiges Eigenschaftsprofil auszeichnet. Green Elephant aus Gießen belegte mit Cellscrew, einem neuartigen Bioreaktor zum Vermehren adhärenter Zellkulturen, Platz 2. Die Entwicklung eines bioabbaubaren Heißklebstoffes honorierte die Jury mit Platz 1. Caremelt, so der Name des Klebstoffs, wurde am Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung Rudolstadt (TITK) entwickelt. Die Gewinner erhielten ihre Trophäen von Polykum-Vorstand Peter Putsch überreicht und sie stellen Ihnen auf den folgenden Seiten ihre Entwicklungen vor.
Nach dem Kongress ist vor dem Kongress
Bevor die Preisträger von den anwesenden Personen gefeiert wurden, gab Peter Putsch den Termin für den Kongress im kommenden Jahr bekannt: Er wird am 11. Juni 2024 stattfinden. Auch dann werden wieder die besten Entwicklungen aus bioabbaubaren und biobasierten Kunststoffen prämiert werden. Das Bewerbungsportal öffnet mit Beginn des Jahres 2024.
Quelle: Polykum