Ein Henkelkorb mit Brot, 3 kleine Plastikdosen mit rotem Deckel, gelbes Granulat, 4 gelbe längliche Stäbchen, 1 offener Karton mit einer Art gelbem Klebstoff gefüllt. Der am TITK entwickelte Klebstoff basiert komplett auf nachwachsenden Rohstoffen und kann zum Beispiel als Granulat, Klebestick oder Klebstoffblock zum Anwender gelangen.

Bild 1: Der am TITK entwickelte Klebstoff basiert komplett auf nachwachsenden Rohstoffen und kann zum Beispiel als Granulat, Klebestick oder Klebstoffblock zum Anwender gelangen. (Bild: TITK)

Schmelzklebstoffe stellen 15 bis 20 % am Gesamtmarkt der Klebstoffe dar – Tendenz steigend. Sie besitzen wesentliche Vorteile gegenüber anderen Klebstoffarten: lösemittelfrei, schnell verarbeitbar, kurze Abbindezeit. Schmelzklebstoffe finden ihre Verwendung vorwiegend im Bereich des nicht-strukturellen Klebens, wo das Übertragen hoher Kräfte und die Langzeitbeständigkeit der Verklebung von untergeordneter Bedeutung sind, jedoch Preis und kurze automatisierbare Verarbeitungstakte die Anwendbarkeit von Klebstoffen bestimmen. In vielen Fällen werden Schmelzklebstoffe auch als Montagehilfe verwendet, wo sie ihre Aufgabe hervorragend erfüllen. Klassische, nicht reaktive Schmelzklebstoffsysteme bestehen in der Regel aus einem oder mehreren Basispolymer/en, (einem) klebrig machenden Harz/en, (einem) Wachs/en zum Einstellen der Verarbeitungsbedingungen sowie potenziell weiteren Additiven wie Weichmacher, Füllstoffe und Stabilisatoren. Die ersten Schmelzklebstoffe bestanden überwiegend aus EVA-Copolymeren als Basispolymere sowie natürlichen Harzen (Terpenharze, Kolophoniumharze) als Klebrigmacher. Durch den hohen Harzanteil waren diese ersten Schmelzklebstoffe schon zu einem beträchtlichen Teil aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Durch steigende Anforderungen an die Klebstoffsysteme hinsichtlich Verarbeitbarkeit und thermischer Stabilität wurden EVA-Copolymere immer weiter durch speziell für Schmelzklebstoffe formulierte Polyolefine (amorphe Polyalphaolefine und Metallocen-Polyethylen) ersetzt. Auch die natürlichen Baumharze konnten für viele Anwendungen mit (hydrierten) Kohlenwasserstoffharzen nicht mehr mithalten.

Nachhaltige Klebstoffe – geht das?

Mann mit kurzen braunen Haaren und Schutzbrille beim Verarbeiten von Caremelt mit einer handelsüblichen Heißklebepistole.
Projektleiter und Entwickler Andreas Krypczyk beim Verarbeiten von Caremelt mit einer handelsüblichen Heißklebepistole. (Bild: TITK)

Der Trend, erdölbasierte Kunststoffe durch Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu ersetzen, ist schon seit einigen Jahrzehnten spürbar. Daher treibt jede Entwicklung, welche auf biobasierte Kunststoffe setzt, diesen Trend voran. Je mehr nachhaltige Produkte so in das Bewusstsein der Konsumenten getragen werden, desto mehr regt dieser Beitrag zur Nachahmung an. Große Klebstoffhersteller sind folglich dazu übergegangen, erneut vermehrt Baumharze einzusetzen, um den Anteil nachwachsender Rohstoffe wieder zu erhöhen. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, das Basispolymer (EVA, PO) durch ein Biopolymer zu ersetzen. Das TITK hat es sich hier zur Aufgabe gemacht, ein Gesamtsystem auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu entwickeln, welches zudem biologisch abbaubar ist. Wichtig war es bei diesem Projekt, auf industriell verfügbare Biopolymere zurückzugreifen, um eine zeitnahe Kommerzialisierung überhaupt erst zu ermöglichen. Neben dem bekannten Polylactid (PLA) rückte auch Polybutylensuccinat (PBS) wegen seiner guten Eigenschaften in den Fokus. Beide Polymere sind schmelzbar, auf Basis nachwachsender Rohstoffe, hinsichtlich biologischer Abbaubarkeit zertifiziert, kommerziell verfügbar und somit grundsätzlich als Kandidat für ein Basispolymer geeignet. Allerdings sind diese Polymere, insbesondere PLA, vergleichsweise hart und wenig flexibel, was gegen den Einsatz als Basispolymer spricht. Zudem ist die Verarbeitungsviskosität im Vergleich zu derzeit eingesetzten EVA-Copolymeren und Polyolefinen sehr hoch. Auch die geringe thermische Stabilität während der Herstellung und Verarbeitung spielt den Biopolymeren nicht in die Karten. Zusätzlich sind diese Biopolymere mit den meisten für EVA und PO optimierten Harzen nicht verträglich. Die Auswahl an passenden Klebrigmachern ist also beschränkt. Zusammengefasst gab es demnach mehrere Herausforderungen zu lösen:

  • Anpassung der Biopolymere hinsichtlich Flexibilität und Viskosität
  • Handhabung der geringen thermischen Stabilität
  • geringe Auswahl an passenden Harzen

So sorgen Bio-Weichmacher für Flexibilität

Ausgewählte Citronensäureester bieten dabei den Schlüssel zur Optimierung der eingesetzten Biopolymere. Vor allem in Kombination mit PLA lässt sich durch das Modifizieren mit diesen Estern eine erhebliche Verbesserung der Flexibilität und Senkung der Verarbeitungsviskosität erzielen (siehe Tabelle 1). Durch eine Kombination ausgewählter Typen von PLA (modifiziert durch Citronensäureester) und PBS konnte sich dem technischen Eigenschaftsprofil kommerzieller EVA-Copolymere und Polyolefine angenähert werden, sodass eine gute Basis für das Formulieren der Bio-Schmelzklebstoffe geschaffen wurde.

Tabelle 1: Anpassung der Eigenschaften von PLA durch Bio-Weichmacher. Oben das Profil kommerzieller EVA-Copolymere, unten mit Citronensäureester modifiziertes PLA.
Tabelle 1: Anpassung der Eigenschaften von PLA durch Bio-Weichmacher. Oben das Profil kommerzieller EVA-Copolymere, unten mit Citronensäureester modifiziertes PLA. (Bild: TITK)

Wie der thermische Einfluss minimiert wurde

PLA und PBS sind biologisch abbaubar. Dieser Vorteil gegenüber konventionellen Kunststoffen stellt sich allerdings als Schwäche für deren Einsatz dar. Die starke Anfälligkeit für das Zersetzen bei thermischer Belastung über mehrere Stunden und/oder hohen Temperaturen ist dabei problematisch für den Einsatz als Schmelzklebstoff. Herkömmliche Stabilisatoren, wie Irganox 1010, bringen hier nicht den gewünschten Erfolg, da sie eine hydrolytische Zersetzung der Biopolymere nicht verhindern können. Das Vortrocknen der Polymere spielt natürlich eine wichtige Rolle, reicht aber nicht aus, um dem thermischen Zersetzen ausreichend entgegenzuwirken. Die Lösung des Problems liegt im Herstellungsprozess und der Weiterverarbeitung der Biopolymere. Konventionelle Schmelzklebstoffe werden überwiegend im Rührreaktor hergestellt. Durch die langen Verweilzeiten wäre eine Schädigung der Polymere unausweichlich. Daher wird der Bio-Schmelzklebstoff ausschließlich im Extrusionsprozess hergestellt. Dieser bietet wesentliche Vorteile gegenüber dem Verfahren im Rührreaktor:

  • kontinuierliche Herstellung der Schmelzklebstoffe
  • Schonung der Biopolymere durch geringere Verarbeitungstemperaturen und -zeiten
  • Herstellung von Granulat über eine Unterwassergranulierung

Natürlich sollte auch bei der Anwendung des Bioklebstoffes auf eine temperaturschonende Verarbeitung geachtet werden. In vielen Fällen werden derzeit Schmelztanks eingesetzt, die eine größere Menge an Klebstoff aufschmelzen, um sie somit für die Weiterverarbeitung vorzubereiten. Für die temperaturstabilen PO-Schmelzklebstoffe stellt das kein Problem dar. Es würde also vonseiten der Industrie eine Umstellung bedeuten, um bei dem Auftrag des Schmelzklebstoffes auf einen Extruder zurückzugreifen. Dies kann in vielen Fällen teurer und daher industriell unattraktiv sein. Technisch ist dies aber möglich und kann den Einsatz des Bioschmelzklebstoffes erlauben. Massenmärkte, wie die Papier- und Verpackungsindustrie, sind daher noch schwer zugänglich. Ein sehr interessanter Markt könnte allerdings der Heimwerkerbereich sein. Die Herstellung der Klebesticks erfolgt ohnehin im Extrusionsprozess, und in der Anwendung wird der Klebstoff einer erhöhten Temperatur nur kurzfristig ausgesetzt. Außerdem ist der Privatnutzer meist eher bereit, einen Mehrpreis für Nachhaltigkeit auszugeben als die Industrie.

Eine Hand mit gelbem Granulat in der Handinnenfläche.
Bild 2: Der vollständig biobasierte und bioabbaubare Schmelzklebstoff verlässt als Granulat den Extruder. (Bild: TITK)

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

Angepasste Harzsysteme sind der Schlüssel

Einige Harzhersteller haben sich bereits aus anderen technischen Gründen, beispielsweise Schlagzähmodifikatoren für PLA der Verträglichkeit zu Biopolymeren angenommen. Aus diesem Portfolio konnten sehr gute Kolophonium- beziehungsweise Terpenharze für das Optimieren der Bio-Schmelzklebstoffe ausgewählt werden. Durch weiteres Anpassen der Harzsysteme an die Biopolymere können die Klebstoffformulierungen weiter verbessert werden. Die passenden Naturharzsysteme für Biopolymere sind auf dem Markt demnach nicht so gut verfügbar, da sie bisher nur in Ausnahmefällen dafür angepasst wurden. Derzeit läuft ein von der FNR (Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe) gefördertes Projekt zur Entwicklung eines vollständig biobasierten und biologisch abbaubaren Klebstoff-Kantenband-Systems für die Holz- und Möbelindustrie. Mit im Boot sind neben dem TITK und einem weiteren Forschungsinstitut ein mittelständischer Klebstoffhersteller sowie ein Harzhersteller. Eben solche Projekte geben zum Beispiel dem Harzhersteller den nötigen Rückenwind, um seine Systeme den Biopolymeren anzupassen.

Nachfrage nach Bio-Klebstoff? Bereits sehr hoch

Biopolymere sind definitiv auf dem Vormarsch. Wann oder ob erdölbasierte Kunststoffe überhaupt komplett ersetzt werden können, bleibt jedoch fraglich. Der Einsatz von Biopolymeren mag auch nicht für jede Anwendung sinnvoll sein. Dennoch ist es wichtig, an einer Alternative zur Petrochemie zu arbeiten und auch in unkonventionelle Einsatzgebiete vorzudringen. Besonders bei Klebstoffen kann die biologische Abbaubarkeit eine bedeutende Rolle spielen. Die Nachfrage nach biobasierten und biologisch abbaubaren Schmelzklebstoffen ist bereits sehr hoch, und somit lohnt es sich, an dieser Stelle weitere Forschung zu betreiben. Am TITK laufen bereits neue Projekte zur Anwendung von Caremelt als Klebevlies, Klebestick oder Klebefolie. In Bezug auf die Klebe- und Verarbeitungseigenschaften hat es der innovative Schmelzklebstoff geschafft, mit einigen kommerziell verfügbaren Schmelzklebstoffen mitzuhalten. Es bleibt also spannend, in welchen Erzeugnissen er in Zukunft zu finden sein wird.

Quelle: TITK

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TITK e.V Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e.V.

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