Flüssiggastanker auf dem Meer

Der Handel mit Russland hat 2021 zugenommen. Insbesondere Ergas und Rohöl wurden gehandelt. (Bild: Carabay - Fotolia.com)

Welche Auswirkungen der jetzige Konflikt um die Ukraine für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel im Allgemeinen haben wird, ist noch nicht abzusehen. Der Handel mit der russischen Föderation nahm 2021 jedenfalls, im Vergleich zu 2020, zu. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, wurden 2021 Waren im Wert von rund 59,8 Mrd. Euro zwischen beiden Staaten gehandelt – 34,1 % mehr als im Vorjahr. Aus Russland wurden Waren im Wert von 33,1 Mrd. Euro importiert, dorthin gingen Exporte im Wert von gut 26,6 Mrd. Euro. Der Außenhandelsumsatz zwischen den Ländern lag damit um 3,4 % über dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019.

Jüngst warnte auch Ifo-Präsident Clemens Fuest vor einem Preisschock bei Öl und Gas im Falle eines Einmarsch Russlands in die Ukraine. Thematisiert wurden hier auch mögliche Auswirkungen von Sanktionen.

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Wie sieht die bisherige Handelsbilanz mit Russland aus?

2021 stiegen die Exporte aus Russland um 54,2 % gegenüber 2020. Der Wert der von Deutschland aus exportierten Waren nahm im selben Zeitraum mit einem Plus von 15,4 % ebenfalls zu. Damit überstieg der Wert der deutschen Importe aus Russland 2021 im Gegensatz zum Vorjahr wieder den Wert der Exporte nach Russland. 2020 hatte Deutschland erstmals seit 1993 einen Exportüberschuss erzielt. Zu Beginn der Pandemie, Anfang 2020, war vor allem der Wert der Rohöl- und Gasimporte gesunken.

Zwischen Russland und Deutschland werden primär Rohstoffe, Fahrzeuge und Maschinen gehandelt. Deutschland importierte 2021 vor allem Erdöl und Erdgas im Wert von 19,4 Mrd. Euro, was einem Zuwachs von 49,5 % entspricht. Diese machen gleichzeitig 59 % aller Einfuhren aus Russland aus. Von russischer Seite kamen vor allem Metalle (4,5 Mrd. Euro, + 72,1 % gegenüber 2020), Mineralöl- und Kokerei-erzeugnisse (2,8 Mrd. Euro, + 23,0 %) sowie Kohle (2,2 Mrd. Euro, + 153 %) nach Deutschland.

Dagegen exportierte Deutschland im Jahr 2021 vor allem Maschinen (5,8 Mrd. Euro, + 5,7 %), Kraftwagen und Kraftwagenteile (4,4 Mrd. Euro, + 31,8 %) sowie chemische Erzeugnisse (3 Mrd. Euro, +19,7 %) nach Russland.

Wie groß ist der Anteil Russlands am deutschen Außenhandel?

Russland zählt mit einem Anteil von 2,3 % am deutschen Außenhandel insgesamt zu den 15 wichtigsten Handelspartnern Deutschlands im Jahr 2021. Außerhalb der Europäischen Union war Russland 2021 für Deutschland der viertwichtigste Importpartner sowie der fünftwichtigste Abnehmer deutscher Waren. Zum Vergleich: Den größten Teil ihres Handels außerhalb der EU treibt Deutschland mit China (9,5 %) gefolgt von den USA (7,5 %).

Die Bedeutung Russlands für den deutschen Außenhandel ist im vergangenen Jahrzehnt jedoch gesunken: Im Rekordjahr 2012, das ebenfalls durch hohe Energiepreise geprägt war, hatten die aus und nach Russland gehandelten Waren noch einen Anteil von 4,1 % am deutschen Außenhandel ausgemacht.

Welchen Umsatz erwirtschafteten russische Unternehmen in Deutschland?

Die Verflechtungen zwischen deutschen und russischen Unternehmen sind auf einem ähnlichen Niveau wie der Außenhandel. 1,9 % des Umsatzes aller auslandskontrollierten Unternehmen in Deutschland erwirtschafteten 2019 jene mit Hauptsitz in Russland. Zum Vergleich: Auf Unternehmen mit Hauptsitz in den USA entfielen 17,9 % des Umsatzes. 164 russisch geführte Unternehmen gab es 2019 in Deutschland. Sie beschäftigten gut 8.100 Menschen und erwirtschafteten dabei einen Umsatz in Höhe von 31,6 Mrd. Euro.

Umgekehrt wurden 2019 nach Angaben der Deutschen Bundesbank 472 Unternehmen in Russland von deutschen Investoren kontrolliert. Diese beschäftigten knapp 129.000 Menschen und erwirtschafteten einen Jahresumsatz in Höhe von gut 38,1 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Anteil von 1,5 % des weltweiten Jahresumsatzes, den Unternehmen deutscher Investoren 2019 im Ausland erzielten. 21,1 % dieses weltweiten Umsatzes von Unternehmen deutscher Investoren entstand in den USA (545,4 Mrd. Euro).

Welche Sanktionen wurden bislang gegen Russland beschlossen?

Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine verhängen die Europäische Union und die USA Sanktionen gegen Russland. Vom Stopp der Gaspipeline Nord Stream 2 bis hin zu Sanktionen gegen einzelne Personen: Die Liste an Sanktionen gegen Russland ist lang. Einen stets aktuellen Überblick darüber erfahren Sie auf unserem Schwester-Portal Produktion.de.

Welche Auswirkungen haben Sanktionen auf Maschinen- und Anlagenbau?

Die seitens EU und der USA verhängten Sanktionen bedeuten eine grundsätzliche Neubewertung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Russland im Licht von Russlands systematischer Aggression, wie auch der VDMA erklärt.

"Die neuen Lieferverbote für diverse Güter nach Russland erfassen weite Teile des europäischen Maschinen- und Anlagenbaus. Sie betreffen Exporte im Volumen von mehreren hundert Millionen Euro. ​​​​​​Es gilt nun, die Sanktionsbedingungen und deren Auswirkungen im Detail zu analysieren. Gegensanktionen auch von russischer Seite sind möglich, dennoch bleibt es richtig, die Aggression gegen die Ukraine hart zu sanktionieren. Im Technologie- und Investitionsgüterbereich spielen russische Hersteller eine weitestgehend untergeordnete Rolle,“ erklärt VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.

Unter den wichtigsten Abnehmerländern von deutschen Kunststoff- und Gummimaschinen in den Jahren 2019 und 2020 belegt Russland den achten Platz mit einem (Stand 2020) Gesamtvolumen von 122 Mio. Euro. Zum Vergleich: Die USA belegen mit 863 Mio. Euro den ersten Rang, gefolgt von China mit 784 Mio. Euro und Polen auf Rang drei mit 201 Mio. Euro. Dahinter ordnen sich Italien, Frankreich, Türkei und Südkorea ein.

Wie sehr belastet der Ukraine-Konflikt die Konjunktur?

Die Lage an den Beschaffungsmärkten war bereits vor dem Ukraine-Konflikt angespannt. Lieferengpässe, Materialmangel und mehr beschäftigen Unternehmen seit Anfang der Corona-Pandemie. So belaufen sich beispielsweise die wirtschaftlichen Ausfälle durch Corona, laut Ifo Institut, allein in Deutschland auf 330 Mrd. Euro für die Jahre 2020 und 2021. Das entspriche einem volkswirtschaftlichen Verlust in Höhe von insgesamt 10 % der Wirtschaftsleistung des Jahres 2019.

Die wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen gegen Russland in Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt sind noch nicht gänzlich absehbar. Sicher ist, das Geschäft mit Russland wird in Zukunft sicherlich nicht einfacher für deutsche Unternehmen werden. Eine Folge der Sanktionen und des Konflikts ist bereits zu spüren: Der Preisanstieg im Energiesektor. Zu allem Überfluss kommt auch die weiter steigende Inflation hinzu. Die lag laut Destatis-Angaben im Februar bei 5,1 %.

Die Konjunktur wird so auf mehrfache Weise belastet - mit direkten Folgen für den Verbraucher. In einer vom Ifo Institut veröffentlichten Stellungnahme im Handelsblatt, verwies Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, auf die knapper und zugleich teurer werdenden Güter, aufgrund höherer Produktions- und Transportkosten für Unternehmen. Diese würden das Angebot reduzieren und die Preise erhöhen. Wenn die Sanktionen zu einem drastischen Rückgang der Importe von Gas, Öl und Kohle aus Russland führen, würden demnach auch  Produktionsausfälle in energieintensiven Industrien drohen.  

Das hat auch zur Folge, dass Investitionen von Seiten der Unternehmen verschoben würden. Fuest warnte zugleich vor den unvorhersehbaren Folgen für den Finanzsektor: Denn an den Finanzmärkten könne es zu Engpässen und Funktionsstörungen kommen, wenn sich Investoren in großer Zahl aus riskanten Aktiva zurückziehen.

Wer profitiert langfristig von der Krise?

Dass die Europäische Union - und insbesondere Deutschland - unabhängiger von Öl- und Gaslieferung werden will und wohl auch in gewissen Maße wird, scheint sicher. Wenngleich auch hier noch einige Fragezeichen stehen. Doch wer profitiert letztlich von der Entkoppelung Russlands, insbesondere im Energiesektor? Laut dem Ifo-Präsident Fuest werden die USA als Industriestandort mit billiger Energieversorgung und als Flüssiggasproduzent stark profitieren. Demnach werden weniger Energieimporte aus Russland einhergehen mit fallenden deutschen Güterexporten.

Klar ist auch: Der derzeitige Anteil Russlands am Außenhandel macht gerade mal 2 % der deutschen Exporte aus. Ein isoliertes Russland werde aber auch die Wirtschaftsentwicklung in ganz Osteuropa beeinträchtigen, wie Fuest vorausblickt. Der Großverlierer wird dann Russland selbst sein, das dann versuchen wird, in China einen neuen Abnehmer für seine Gasexporte zu finden.

Denn, wie die untere Grafik nochmals deutlich macht: China ist bereits jetzt der wichtigste Handelspartner Russlands. Auf Basis der Daten des Handelsportals Germany Trade & Invest (GTAI) zeigt, liegt der Importanteil aus China an den Gesamteinfuhren Russlands nach Wert bei gut 24 %. Anfang der 2000er Jahre bezog Russland die meisten Importe aus Deutschland - damals bei 13,8 %. Dieser Trend hat sich seit 2007 umgekehrt. Ab diesem Zeitpunkt ist laut GTAI-Daten China größter Importeur.

Seit 2007 liefert China laut GTAI mehr Waren nach Russland als es von dort importiert. Zu den wichtigsten Importgütern aus dem Jahr 2020 gehören Geräte aus dem Bereich Nachrichtentechnik sowie Geräte zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Bild und Ton. Russland importiert zudem vielfache Mengen an Büromaschinen und Maschinen zur automatischen Datenverarbeitung. China importiert zumeist Erdöl und Erdölprodukte aus der russischen Föderation.

Infografik: Chinas Aufstieg zu Russlands wichtigstem Handelspartner | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Was bedeuten die Handelssanktionen für Russlands Wirtschaft?

Einem Bericht des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel) zufolge, würde westliche Handelssanktionen die russische Wirtschaft empfindlich treffen. Ein Handelsstopp mit Erdgas würde Russland besonders schmerzen. Die Folgen eines solche Embargos beziffert das Institut auf rund 3 % des BIP. Demzufolge würde ein Handelsstopp mit Öl die Wirtschaftsleistung um 1,2 % schrumpfen lassen.

Die Berechnungen basieren auf einem simulierten, völligen Stopp aller Importe und Exporte für die jeweilige Produktgruppe durch die westlichen Verbündeten. Die Folgen eines Gas- und Öl-Embargos wären für Russland demnach schmerzhafter, als für die EU und Deutschland selbst. So gehen die Analysten lediglich von einem minimalen negativen Effekt aus. "Unsere Berechnungen sind exemplarischer Natur, aber sie zeigen klar, dass die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen von Handelsembargos Russland sehr viel härter treffen würden als die westlichen Verbündeten", erklärt Hendrik Mahlkow, Handelsforscher am IfW Kiel.

Infografik: Gas-Embargo würde Russland empfindlich treffen | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

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