Ein Mensch springt über eine Schlucht.

2023 verzeichneten Kunststoffverarbeiter Rückgänge beim Umsatz und Gewinn. Eine Entwicklung, die sich 2024 fortsetzt? (Bild: Mohamed_hassan – Unsplash)

Insgesamt 72,55 Mrd. Euro Umsatz verzeichneten Kunststoffverarbeiter hierzulande im Jahr 2023. Der Materialverbrauch reduzierte sich laut Angaben des statistischen Bundesamtes (Destatis) um 8,7 % respektive um 1,3 Mio t und sank damit  auf 13,3 Mio. t. Damit stellten alle Bereiche der Kunststoffverarbeitung weniger Produkte her. Im Inlandsabsatz waren die Rückgänge mit -6,9 % auf 43,8 Mrd. Euro etwas höher als die Rückgänge des Exports, der um 5,5 % auf 28,7 Mrd. Euro sank.

Verarbeitete Menge an Rezyklaten rückgängig

In den Sparten der Kunststoffverarbeitung verzeichneten im Berichtsjahr 2023 die Bereiche Bau und Verpackung besonders hohe Rückgänge, die traditionell einen hohen Rezyklatanteil in ihren Produkten ein- setzen. Somit konnten sich auch die Rezyklate dem Abwärtstrend aus 2023 nicht entziehen. Die verarbeitete Menge reduzierte sich um 7,7% auf 2,4 Mio. t. Durch den etwas geringeren Rückgang im Vergleich zu den Originalmaterialien erhöhte sich die Rezyklateinsatzquote in den Kunststoffprodukten leicht, um 0,2 Prozentpunkte, auf 18 %.

Trotz künftig höherer Quotenvorgaben für Kunststoffprodukte war in 2023 nicht mehr drin, da viele Materialsorten der Originalware günstiger waren als die Recyclingware. Hohe Energiekosten, die auf die Her- stellung heimischer Rezyklate durchschlugen, begünstigten zudem Materialimporte auch von Rezyklaten, was der Recyclingwirtschaft in Deutschland und Europa deutlich zusetzt und zwischenzeitlich zu Kurzarbeit bei vielen Recyclern führte.

Chancengleichheit für heimisches Rezyklat gefordert

„Um die Transformation hin zu mehr Kreislaufwirtschaft wirtschaftlich zu schaffen, muss zumindest Chan- cengleichheit hergestellt werden“, sagt Rainer Zies, Geschäftsführender Gesellschafter der MKV Kunst- stoffgranulate. „Es kann nicht sein, dass Rezyklatquoten gefordert werden, diese jedoch in unfairem Wettbewerb hergestellt werden müssen, da im Vergleich zur Chemieindustrie höhere Energiekosten zu zahlen sind. Für die Recycler müssen die gleichen Energiekosten gelten wie für Originalmaterialher- steller“, so Zies weiter. Höhere Energiekosten für die Chemieindustrie lehnt er ab, „da würden wir die Konzerne und deren Kompetenz nur noch schneller ins Ausland verlieren.“ Im vergangenen Jahr war deutlich zu beobachten, was an billigen Importen nach Europa kommt. „Das schadet allen, egal ob Herstellern von Original- oder Recyclingmaterialien. Hier sind die Verantwortlichen in Europa gefragt, über klare Regeln nachzudenken“, betont Zies, Vorsitzender der Gruppe der Compoundierer und Recycler im Tecpart.

Wie sehen die Zahlen für die verschiedenen Industriebereiche aus?

Nicht nur die Recycler litten 2023 unter den Absatzrückgängen. Stark traf es die Bauwirtschaft, die etwa durch den inflationsbedingten Preisanstieg und die hohen Zinsen einen Umsatzrückgang von 11 % und einen Absatzmengenrückgang von rund 13% hinnehmen musste. Mit 7,7 % Umsatzrückgang folgten die Verpackungshersteller, die neben weniger Menge über den Jahresverlauf auch noch Preisabschläge auf ihre Produkte zu akzeptieren hatten.

Bei den Kunststoff-Konsumwaren war der Umsatz in 2023 mit nur 3,6 % rückläufig, jedoch war die Preisbasis im Vergleich zu 2022 rund 5 % höher, was dafür spricht, dass der Produktionsrückgang rund doppelt so groß war. Auch hier wirkten die höheren Zinsen und der inflationsbedingte Kaufkraftverlust auf die Kauflaune der Konsumenten.

Vergleichsweise gut haben sich die technischen Teile geschlagen, die mit einem kleinen Umsatzplus das Jahr 2023 abschließen konnten. Jedoch ist auch hier die Vergleichsbasis der Preise aus 2022 niedriger, so dass die Hersteller technischer Teile insbesondere durch die Nachfrageschwäche aus der Elektronikbranche sowie aus dem Maschinenbau Produktionseinbußen hinnehmen mussten. Einzig die Automobilindustrie setzte mit einem deutlichen Absatzplus, laut VDA von 18 %, Wachstumsimpulse.

Fachkräftemangel weiterhin prägendes Thema

Trotz der angespannten Lage und der realen Produktionsrückgänge in der Kunststoffverarbeitenden Branche fällt der Beschäftigungsabbau um 2,88 % auf rund 316.000 Beschäftigte moderat aus. Die Reduzierung des Personalbestands wurde oft über Vorruhestandsregelungen erreicht und damit auf die Neubesetzung der Positionen ausgeschiedener Mitarbeitender verzichtet.

Weiterhin will aber die überwiegende Mehrheit (59 %) der befragten Unternehmen das Personal halten oder ausbauen (22 %). Letzteres wird zunehmend schwerer, da 88 % der Unternehmen über einen meist technisch orientierten Fachkräftemangel klagen. Damit hat sich das Problem in 2024 weiter verschärft.

Sinkende Gewinne bei den Unternehmen

In dem Betrachtungszeitraum der letzten sechs Jahre (2017 bis 2023) haben 40 % der Unternehmen in 2023 sinkende Gewinne zu verzeichnen, dies stellt den Höchstwert in den letzten sechs Jahren dar. Die Daten gehen aus einer durch Tecpart erhobenen Umfrage hervor. Demnach konnten auch nur noch 24 % der Unternehmen steigende Gewinne erzielen, was ebenfalls der schlechteste Wert der letzten sechs Jahre ist und damit die Zukunftsfähigkeit einiger Unternehmen in Frage stellt. Auch konnten die gestiegenen Preise aus Material-, Strom-, und Personalkostenerhöhungen nicht in dem not wendigen Umfang in den Markt weitergegeben werden.

Risiko der Deindustrialisierung nimmt zu

„Die Branche steht vor der Herkulesaufgabe, den Transformationsprozess zu meistern und zu bezahlen, da schlagen die Anhebung der Netzentgelte und die nun zusätzliche Verteuerung der CO2-Abgabe voll ein!“, mahnt Felix Loose, Geschäftsführender Gesellschafter Roga. Er fordert mehr Verlässlichkeit seitens der Politik, von der endlich wieder eine Wachstumsperspektive kommen muss, dann können auch wieder die erforderlichen Gewinne erwirtschaftet werden. „Es ist dringend geboten, hier Investitions- und Wachstumsbedingungen zu schaffen, die dem Mittelstand mit seinen in Deutschland befindlichen Standorten zugutekommt. Wir riskieren derzeit erneut das Abwandern von Industrien. Wie schnell das geht, konnte man als abschreckende Beispiele mit der Pharma-, Textil-, Solar- und Windkraft- Branche sehen“.

„Es ist nicht mehr 5 vor 12! Das Wachstumschancenpaket muss jetzt verabschiedet werden, um weiter an der Verbesserung der Standortbedingungen zu arbeiten“, so der Vorsitzende von Tecpart.

Kurzarbeit ein Thema, überbordende Bürokratie

Verhalten sind die Erwartungen für die Unternehmensergebnisse in 2024, hier geben 54 % der Befragten  an, dass sie keine Veränderung und 25 % ein weiteres Abschmelzen der Gewinne erwarten. Die fehlenden Impulse für die künftige Entwicklung schlagen sich auch bei den Investitionen nieder. Rund 25 % der Unternehmen haben ihre Investitionen zurückgefahren, was der höchste Wert seit dem Corona-Jahr 2020 ist, 63 % der Unternehmen haben ihre Investitionen auf dem Vorjahresniveau gehalten.

Die wirtschaftliche Situation ist trotz vermehrtem Gewinnrückgang bei den Unternehmen meist noch ro- bust. Allerdings zeigt die Tecpart-Umfrage auch, dass für rund ein Drittel der Unternehmen Kurzarbeit derzeit ein Thema ist. Für rund 35 % der Unternehmen sind Finanzierungsbedingungen und die Liquiditätssituation bereits heute eine starke bis sehr starke Herausforderung, die auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen könnte. Mehr als 50 % der Unternehmen sehen das Verhalten ihrer Kunden durch unzuverlässige Abrufe als starke bis sehr starke Herausforderung.

Michael Weigelt, Geschäftsführer von Tecpart, fordert vor diesem Hintergrund ein faires und aufeinander abgestimmtes Miteinander: „Wir brauchen gesunde vernetzte Lieferketten in Deutschland, und die reichen von der Chemieindustrie über die Zulieferindustrie bis hin zu den OEM und dann schließlich wieder zu den Recyclern – nur so werden wir die Transformationsziele der EU schaffen. Dazu sind aber politische Rahmenbedingungen erforderlich, die das auch fördern. Teure und lähmende bürokratische Lasten behindern und überzogene regulatorische Vorschriften aus der EU schädigen die internationale Wettbewerbsfähigkeit, wenn diese ohne entsprechenden Schutz des EU-Binnenmarktes eingeführt werden. Ein Beispiel sind die unrealistischen Rezyklatquoten aus der EU-Altautoverordnung, die zudem den wichtigen Abfallstrom der Industrieabfälle außen vorlässt. Hier brauchen wir praxisnahe Vorgaben und kein ideologisch gefärbtes Wunschdenken.“

Methodik und Datenmaterial, auf die sich dieser Bericht stützt

Die Ermittlung der Daten für die Kunststoff verarbeitende Industrie erfolgte wie schon in den vergan- genen Jahren auf Basis der Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die Branche. Parallel zu der Auswertung der Branchenentwicklung wurde durch den Verband Technische Kunststoff-Produkte (Tecpart) eine Umfrage unter Kunststoffverarbeitern durchgeführt, an der 127 Unternehmen teilge- nommen haben. Sechsundfünfzig Prozent sind Hersteller von technischen Kunststoff-Produkten, sieb- zehn Prozent ordneten sich den Compoundierern und Rezyklern zu und weitere 27 Prozent anderen Herstellergruppen der Kunststoffverarbeitung.

Quelle: Tecpart

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