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Markus Klatte, Gründer und Geschäftsführer der Arcus-Greencycling Technologies (Bild: VDMA)

Herr Klatte, Arcus hat Anfang des Jahres eine industrielle Anlage für chemisches Recycling in Betrieb genommen. Was ist das Besondere daran?
Markus Klatte: Mit unserer Technologie können wir aus stark gemischten Kunststoffabfällen, die auch Polymere, wie PVC, PET, ABS und viele andere enthalten, ein Pyrolyseöl herstellen. Wir verarbeiten den Kunststoffabfall, so wie er aus einer Müllsortieranlage oder von Partnern aus der Industrie kommt. Alles, was sonst in die Verbrennung ginge, wollen wir wieder im Kreislauf führen. Beim Verarbeiten des Materials durch unsere Pyrolyse werden unerwünschte Kontaminationen, wie Chlor oder Titandioxid, abgetrennt und in eine Senke gebracht. In der Gasphase entstehen dann kondensierbare Gase und nicht kondensierbare Dämpfe. Die kondensierbaren Gase werden am Ende zum Pyrolyseöl. Mit den gefilterten, nicht kondensierbaren Gasen betreiben wir unser Blockheizkraftwerk; damit ist unsere Technologie nahezu energieautark. Perspektivisch gibt es auch für die Reststoffe einen Sekundärmarkt. Aber hier muss noch viel geforscht werden.

Mit einer Jahreskapazität von 4.000 Tonnen ist die Anlage recht klein.
Klatte: Wir zeigen mit unserer Demonstrationsanlage im Chemiepark Frankfurt-Höchst, dass die industrielle Nutzung funktioniert. Wir testen auch noch viel. An unserer Anlage gibt es 650 Messstellen, die Daten liefern, etwa zum Energiebedarf. Die Anlage hat auch den Zweck, Stoffströme, die noch nicht erforscht sind, zu testen und zu ermitteln, was recycelt werden kann und was nicht.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Wie geht es weiter?
Klatte: Die Demonstrationsanlage in Höchst wird dauerhaft laufen. Darüber hinaus haben wir mit der Planung der ersten kommerziellen Anlage für eine Kapazität von 24.000 t Inputmaterial begonnen. Wir haben verschiedene Off-take-Abnahmeverträge über die Lieferung des Pyrolyseöls geschlossen, darunter einen mit BASF von bis zu 100.000 t. BASF wird unser Pyrolyseöl in den eigenen petrochemischen Anlagen verarbeiten und anschließend in die verschiedenen Prozesse der Kunststoffherstellung integrieren. Wir sind quasi ein Dolmetscher von der Recyclingindustrie in die Petrochemie.

Wie wichtig ist denn die Massebilanz für Sie?
Klatte: Sie ist von allerhöchster Wichtigkeit. Niemand wird eine petrochemische Anlage nur für Pyrolyseöl bauen. Die Investition kann in die Milliarden Euro gehen, aber sie wäre unwirtschaftlich, wenn man nur die kleinen Mengen Pyrolyseöl verarbeiten würde, die auf absehbare Zeit zur Verfügung stehen werden. Wir müssen es also ähnlich machen wie beim Strom: Obwohl der Verbraucher nicht weiß, ob exakt der Strom, den er im eigenen Haushalt verbraucht, direkt aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde, steigt doch der Anteil von ökologisch erzeugtem Strom im Gesamtnetz mit der Nachfrage.

Industrieanlage
Mit der Demonstrationsanlage im Chemiepark Frankfurt-Höchst zeigt Arcus Greencycling, dass die industrielle Nutzung der Technologie funktioniert. (Bild: Arcus Greencycling)

Die Politik steht der Anerkennung der Massebilanz skeptisch gegenüber. Was wäre, wenn sie nicht anerkannt würde?
Klatte: Es wäre natürlich schwieriger in den Markt zu kommen. In erster Linie wäre es aber für die Kreislaufwirtschaft eine Kapitulation und die ganze Welt würde darunter leiden. Denn dann würde der Kanal für den fossilen Öleinsatz weiter geöffnet, weil die globale Produktion von Kunststoffen weiter wachsen wird. Die Chemieindustrie wird keine andere Wahl haben, sie hätte sonst nicht genug Rohstoff. Die politische Diskussion zu mechanischem und chemischem Recycling wird aus einem Blickwinkel getrieben, der die beiden Verfahren gegeneinander stellt und damit die Kreislaufwirtschaft nicht voranbringt. Dabei sind beide Verfahren komplementär und sozusagen gleichgestellte Partner im Sinne der Abfallpyramide. Nur mit allen Technologien, die uns zur Verfügung stehen, werden wir die massive Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft vollziehen können. Wir als chemische Recycler wollen gar nicht die reinste Kunststofffraktion recyceln. Das macht ökonomisch und ökologisch gar keinen Sinn. Aber wir müssen die Fraktionen recyceln, die wir bislang in die Müllverbrennung geben. Wir können sonst auch nicht das Maximum aus unserer Recyclingquote erzielen.

Manche argumentieren, dass chemisches Recycling kein eigentliches Recycling sei und deshalb auch nicht auf einer Stufe mit dem mechanischen stehen könne.
Klatte: Wir sehen das mechanische Recycling und das chemische Recycling als Geschwister, mit dem gemeinsamen Ziel, möglichst viele Kunststoffe wieder in den Kreislauf zu führen. Von daher verbreitern beide die Basis des Recyclings und damit der Kreislaufwirtschaft. Denn wichtig ist am Ende das Ergebnis, die Kohlenstoffe im Kreislauf zu führen und eine funktionierende und nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Das tun beide und insofern ist für mich nicht die Begrifflichkeit entscheidend, sondern der wieder gewonnene Kohlenstoff. Diese Komplementarität sollte Hand in Hand gehen und damit stehen auch beide Verfahren auf einer Stufe - vor der Verbrennung des Kunststoffabfalls.

Quelle: VDMA

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