Werkzeug.

Gut 16 kg wiegen die Schooltool-Werkzeuge und können als Anschauungsobjekt gut mitgenommen werden. (Bild: Redaktion)

Häufig hört man auf die Frage nach Berufswünschen junger Menschen die Antwort „irgendwas mit Medien“ oder „irgendwas mit Menschen“. Seltener dagegen „irgendwas mit Kunststoff“. Dem Begriff „Kunststoff“ haftet hier in der öffentlichen Meinung ein meist schlechter Ruf, verbunden mit zahlreichen Vorurteilen, an – zu Unrecht. Blickt man zunächst rein auf die Zahlen so zeigt sich, dass im Wintersemester 2022/2023 laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) insgesamt 2.915.700 Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben waren. Das ist zwar erstmals seit 15 Jahren ein leichter Rückgang, es zeigt aber auch: die Attraktivität eines Studiums ist in der Wahrnehmung der jüngeren Generation weiterhin hoch. Doch was studiert man eigentlich heutzutage? Auch hier geben die Zahlen aufschlussreiche Einblicke: So waren im vergangenen Semester rund 1,1 Mio. Studenten und Studentinnen in der Fächergruppe Rechts-, Wissenschafts- und Sozialwissenschaften eingeschrieben. Zwar folgen dahinter die Ingenieurswissenschaften mit gut 770 Tsd. Studierenden, gefolgt von Mathematik mit 315 und Geisteswissenschaften mit 312, der Trend insbesondere bei den Ingenieurswissenschaften ist jedoch seit mehreren Jahren rückläufig. Die Zahl der Studierenden bleibt damit insgesamt weiter auf einem hohen Niveau. Hochschulen tun sich jedoch schwerer damit, Schulabgänger für ein technisches Studium, gar im Bereich der Kunststofftechnik zu begeistern. Und auch der Ausbildungsmarkt hat hier zu kämpfen. Konnten sich Unternehmen einst vor Bewerbern für einen Ausbildungsplatz kaum mehr retten, so tun sich diese heute deutlich schwerer. Unternehmen beklagen hier seit vielen Jahren ein mangelndes Interesse – nicht nur bei der Ausbildung, auch beim Gewinnen von Mitarbeitern. Insbesondere für Jüngere, die der „Generation Z“ – auch „Zoomer“ genannt – angehören, spielen die Themen Nachhaltigkeit, Gesundheit und die vielbeschriebene „Work-Life-Balance“ eine übergeordnete Rolle. Sie stehen dem Begriff Kunststoff meist eher kritisch gegenüber.

Ein Mann mit grauen Haaren und Bart zeigt und erklärt einer jungen Frau mit braunen langen Haaren eine Werkzeugmaschine.
Beim Werkzeugbau und auch bei anderen technischen Themen muss mit jungen Leuten auf Augenhöhe agiert, es muss aufgeklärt werden. Innovative Lern- und Lehransätze unterstützen hier. (Bild: Landesmesse Stuttgart)

Junge Leute für den Werkzeugbau begeistern

Eine insgesamt herausfordernde Gemengelage. Der Werkzeug- und Formenbau steht hier beispielhaft für ein innovatives Industrieumfeld, das sich, wie andere Branchen auch, heutzutage schwerer damit tut, junge Menschen für eine Ausbildung – etwa als Werkzeugmacher – zu begeistern. Beim Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) geht man deshalb mit dem Zeitgeist. Marc Metzner ist dort sogenannter Azubi-Scout, dessen Aufgabe es ist, Jugendliche für den Werkzeugbau zu begeistern. „Spielerisch, authentisch und vor allem gedanklich dort, wo den Jungen gerade der Kopf stehen könnte“, wie er betont. Dazu gehöre einerseits, auf Schüler zuzugehen, andererseits aber auch Aktionen mit jungen Menschen durchzuführen, die sich bereits in Ausbildung befinden. „Das Ziel dabei“, so Metzner, „ist es, dass diese in ihrem Freundeskreis von ihren Erfahrungen bei den VDWF-Nachwuchsevents berichten – und idealerweise als ‚kleine Pflänzchen‘ die besonderen Eigenheiten des Werkzeugmacherberufs in den Köpfen ihrer Kolleginnen und Kollegen pflanzen.“ Als Azubi-Scout begleitet er Messen, organisiert Azubi-Rundgänge, hält Vorträge und besucht Schulen und auch Berufsschulen. Wichtig dabei sei auch das Vernetzen mit Lehrern und Eltern. „Geplant ist in Zukunft außerdem, Ausbilder aus verschiedenen Unternehmen der Branche mit ins Boot zu holen, um sich auszutauschen und gemeinsam Strategien zu erarbeiten.“ Dem VDWF gehe es darum, „über Unternehmens- und Landesgrenzen hinweg die ‚versteckte‘ Branche lebensfähig zu halten“, erklärt er.

Mann mit kurzen braunen Haaren und Brille: Marc Metzner, Azubi-Scout beim VDWF.
Marc Metzner, Azubi-Scout beim VDWF. (Bild: VDWF)

Erstmals auf „Tour“ mit Jugendlichen war der Azubi-Scout auf der vergangenen Moulding Expo 2023 in Stuttgart. Auf Rundgängen präsentierten Aussteller ihre Produkte und Technologien den jungen Auszubildenden. „Wichtig war mir, die Auszubildenden miteinander zu vernetzen, aber sie auch durch Fragen mit einzubinden. Es zeigte sich schnell, dass die Beteiligung sehr hoch war und die Auszubildenden beispielsweise gerne von ihren eigenen Erfahrungen berichteten. Es entstand eine offene Atmosphäre und die jungen Werkzeugmacher hatten offensichtlich Lust, Neues zu entdecken.“ Das Interesse also scheint da zu sein, ist ein mögliches Desinteresse an technischen Ausbildungsberufen seitens Generation Z gar überbewertet? Auch hierzu hat Metzner eine klare Meinung: „Ein echtes Desinteresse der jungen Menschen an technischen Ausbildungsberufen nehme ich selbst nicht wahr. Im Gegenteil, vor allem die Jungs sind nach wie vor sehr interessiert an Technik.“ Etwa sechs von zehn würden sich für eine Ausbildung im technischen Bereich entscheiden, so Metzner. Dazu brauche es allerdings auch im Vorfeld etwas Aufklärungsarbeit. Denn, unter einem Berufsbild wie dem „Werkzeugmechaniker“ können sich eben nur die wenigsten Schüler etwas vorstellen. „Eine gewisse Offenheit ist aber durchaus vorhanden“, wie Metzner berichtet: „Ob nun Werkzeugmechaniker, Verfahrensmechaniker oder Zerspanungsmechaniker ist den meisten Jugendlichen nicht so wichtig. Ausschlag für die Berufswahl gibt sehr oft der Ruf und die Unternehmenskultur einer bestimmten regionalen Firma.“ Wichtig sei es demnach, auf die jungen Menschen zuzugehen, ihnen passende Angebote zu machen, respektvoll und auf Augenhöhe zu kommunizieren und das eigene Angebot transparent darzustellen. Es ist kein Geheimnis, dass sich die Branche auch weiterhin in schwierigen Fahrwassern befindet und immer mehr Stellen bei Unternehmen unbesetzt bleiben. „Unternehmen der Branche berichten von Jahrgängen, in denen kein passender Bewerber zur Verfügung stand. Es ist allerdings schwierig, konkrete Zahlen zu nennen, weil die Voraussetzungen von Region zu Region verschieden sind.“ Metzner konkretisiert das wie folgt: „In den Werkzeugmacher-Clustern haben die Unternehmen den Vorteil, dass das Berufsbild bekannter ist als im Durchschnitt. Firmen in Regionen, in denen sich auch Großkonzerne angesiedelt haben, konkurrieren wiederum mit diesen um technisch interessierte Nachwuchskräfte. Solche Faktoren müssen immer mitberücksichtigt werden.“

Ein Mann mit kurzen braunen Haaren und grauem Anzug zeigt und erklärt auf der Messe einer jungen Frau mit langen braunen Haaren ein Werkzeug.
Beim Werkzeugbau und auch bei anderen technischen Themen muss mit jungen Leuten auf Augenhöhe agiert, es muss aufgeklärt werden. Innovative Lern- und Lehransätze unterstützen hier. (Bild: Landesmesse Stuttgart)

Dem Trend entgegenwirken

Das Thema der Nachwuchsgewinnung wird, wie schon eingangs erwähnt, auch nach wie vor mit heißer Nadel im Hochschulsektor gestrickt. Einen regelrechten Einbruch bei den Studienanfängern haben hier insbesondere technische Studienfächer wie Maschinenbau/Verfahrenstechnik zu verzeichnen. Dem gemeinnützigen Zentrum für Hochschulentwicklung (CHE) zufolge haben sich diese seit dem Wintersemester 2011/2012 nahezu halbiert. Warum dem so ist, darüber gewährt Prof. Thomas Seul, Präsident des VDWF, Einblicke. Er sieht verschiedene Gründe und Einflussfaktoren, die diesen Trend begünstigen. „Die Welt hat sich durch die Coronapandemie verändert, die Wahrnehmung der jungen Menschen ist vielleicht eine andere als früher und ‚Maschinenbau‘ war schon immer ein relativ komplexes Fachgebiet, das nicht jedem liegt. Sicherlich ist auch das Berufsbild des Ingenieurs nicht mehr so attraktiv, wie es schon einmal war – die Felder ‚Soziales‘ und ‚Medien‘ hingegen haben in der gesellschaftlichen Wahrnehmung einen Aufschwung erlebt.“ Als einen möglichen Hauptgrund für den Rückgang der Studienanfänger im Bereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik sieht dieser den demografischen Wandel. „Auch wenn es natürlich öffentliche Diskurse gibt, mit denen wir uns als Branche befassen müssen – das schlechte Image von Plastik ist einer davon – wird sich das Problem durch eine Imagekampagne alleine kaum lösen. „Denn das Problem“, betont Seul, „ist ein gesellschaftliches.“ Es helfe auch nichts, den Rückgang der Studierendenzahlen immer wieder zu beklagen. „Vielmehr müssen wir Lösungsansätze entwickeln, mit ihm umzugehen“, so der VDWF-Präsident. „Mehr Digitalisierung und Internationalisierung sind da Wege in die richtige Richtung.“

Mann mit Halbglatze, Brille, blauem Jackett und hellblauem Hemd.
Prof. Thomas Seul, Präsident des VDWF, und an der Fachhochschule Schmalkalden Professor für die Fertigungstechnik und Werkzeugkonstruktion sowie Prorektor für Forschung und Transfer. (Bild: VDWF)

Thomas Seul ist zugleich an der Fachhochschule Schmalkalden Professor für die Fertigungstechnik und Werkzeugkonstruktion und Vizepräsident für Forschung und Transfer. Die Hochschule Schmalkalden verzeichnet entgegen dem allgemeinen Trend seit nunmehr drei Jahren steigende Anfängerzahlen in den berufsbegleitenden Studiengängen Projektmanager (FH) für Werkzeug- und Formenbau und angewandte Kunststofftechnik (M. Eng.). Das hat mehrere Gründe. „Bei berufsbegleitenden Studiengängen ist die Dynamik eine andere: Die Menschen, die diesen Weg einschlagen, sind im Durchschnitt älter, haben eine fachliche Vorbildung und sich ganz gezielt für eine Weiterbildung oder Vertiefung ihrer Kenntnisse entschieden. Diese Menschen kennen die Anforderungen des Marktes und passen sich ihnen an, indem sie sich weiterentwickeln“, erklärt Seul. Überhaupt sei die persönliche Weiterentwicklung oder das Streben nach lebenslangem Lernen ein Trend, der sich bereits seit einiger Zeit abzeichne. „Im Leben mehr als nur einen Beruf auszuüben, wird bald die Norm und Menschen im Alter zwischen 25 und 50 sind hier inzwischen sehr offen.“ Die Maßnahmen der Hochschule Schmalkalden, Interessierte zu erreichen, sind simpel, so Seul: „Wir machen Angebote, die direkt aus der Praxis, also den Anforderungen des Marktes, resultieren. Und wir sind transparent, was die Studieninhalte betrifft – jeder Interessierte weiß im Vorfeld genau, welches konkrete Wissen erworben wird, und kann folglich abwägen, inwiefern das zu den eigenen Zukunftsplänen passt.“

Ein Mann mit Anzug und Krawatte zeigt und erklärt einem anderen jungen Mann ein Werkzeug auf einer Messe.
Beim Werkzeugbau und auch bei anderen technischen Themen muss mit jungen Leuten auf Augenhöhe agiert, es muss aufgeklärt werden. Innovative Lern- und Lehransätze unterstützen hier. (Bild: Landesmesse Stuttgart)

Beim Thema Kunststoffe sensibilisieren

Eine Frage, die sich unweigerlich aufdrängt? Warum nicht auch Partnerschaften in der Hochschullandschaft eingehen, um das Studienangebot mit Bezug zur Kunststofftechnik weiter zu stärken? An der Hochschule Schmalkalden lebt man diesen Gedanken bereits. Auch in Zukunft will man hier weiter intensiv arbeiten und weiter vernetzen. Dazu Seul: „Ein regelmäßig stattfindendes Treffen der Kunststoffprofessoren im deutschsprachigen Raum ist ein solcher Schritt, aber auch die Bildung von übergreifenden Plattformen durch Hochschulen für angewandte Wissenschaft.“ Eine übergeordnete Rolle spiele dabei die Digitalisierung. „Und sie wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen“, wie Seul prognostiziert. Denn: „Wer spezifisches Fachwissen vermitteln will, braucht Spezialisten.“ Seul sagt aber auch: „Wenn es für ein bestimmtes Thema aber nur einen Spezialisten in Norddeutschland gibt, helfen Onlineangebote, dass auch Studierende aus dem Süden beispielsweise Zugriff auf relevante Inhalte erhalten. Auch für die Herausgabe eines fachspezifischen digitalen Open-Access-Magazins haben wir bereits konkrete Schritte unternommen.“ Dass das Image des Kunststoffs in der Gesellschaft kein wirklich gutes ist, ist bekannt und wurde bereits erwähnt. Aufklärungsarbeit in diesem Bereich bei Studierenden zu leisten, sei jedoch bereits zu spät, erklärt der Professor. Dies müsse früher, bereits im Kindergarten passieren. Über die Gefahren von Kunststoff wird hier bereits aufgeklärt. „Nur leider haben wir es bisher versäumt, gleichzeitig auch zu kommunizieren, in welchen Bereichen Kunststoff ein wertvoller Rohstoff ist und wo sein Zukunftspotenzial liegt.“ Für das Fortbestehen der Branche sei diese Sensibilisierung entscheidend. Insbesondere Verbände, Hersteller und Inverkehrbringer von Kunststoffprodukten stünden hier in der Pflicht. „Dass wir, um die globalen Probleme zu lösen, junge kreative Köpfe brauchen, ist sicher. Und wenn es uns gelingt, die entscheidende Aufklärungsarbeit zu leisten, dann habe ich auch keinen Zweifel daran, dass junge Menschen in der Kunststoffbranche sinnstiftende und wertvolle Ansätze finden, die Zukunft unseres Planeten positiv zu gestalten“, erklärt Seul.

Zwei junge Männer schauen sich ein Werkzeug an.
Was braucht es, um junge Leute der sogenannten „Generation Z“ für technische Themen wie den Werkzeug- und Formenbau zu begeistern? (Bild: Landesmesse Stuttgart)

Junge Menschen haben nun aber mitunter eine ganz andere Erwartung vom Leben als vergangene Generationen. Der Wahrnehmungsfokus, wie Seul erklärt, habe sich schlicht verschoben. Das spiegelt sich auch mitunter beim Thema Kunststoff wider. Das Bild des negativ behafteten Werkstoffs sei nicht nur auf junge Menschen beschränkt, „es ist vielmehr ein gesellschaftliches Pro­blem.“ Im Kern gehe es den meisten Menschen darum, etwas im Leben zu erreichen, auf das man stolz sein kann. „Ein hoher Lebensstandard ist heute in dieser Hinsicht jedoch nicht mehr das erste Argument, das junge Menschen bewegt. Einen emotionalen Wert haben heute andere Bereiche, zum Beispiel der Umweltschutz“, sagt Seul. Er ergänzt: „Wir müssen auch nicht die Sicht der jungen Menschen verändern. Entscheidend ist lediglich, die zweite Seite der Medaille sichtbar zu machen, die im Moment die meiste Zeit leider noch im Dunkeln hängt.“ Mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland braucht es jedoch eine Kehrtwende. Ein Absacken der Studierendenzahlen in den Ingenieursfächern hätte womöglich in Zukunft gravierende Auswirkungen für die Kunststoffverarbeitung in Deutschland, die, so Seul, womöglich auch verschwinden könnte. „Weil das Problem aber ein demografisches ist, wird es nicht nur die Ingenieursfächer betreffen, sondern alle Teile der Gesellschaft. Wenn in Deutschland keine Ingenieure mehr ausgebildet werden, ist das Problem mindestens so groß, wie wenn in Deutschland keine Pflegefachkräfte mehr zur Verfügung stehen. Deswegen kann es auch keine Lösung sein, Arbeitskräfte aus anderen Branchen abzuwerben. Vielmehr braucht es eine gesellschaftspolitische Antwort auf die Herausforderungen, mit denen wir aktuell zu kämpfen haben – und dafür müssen wir über die Grenzen unserer Branche hinausblicken.“

Kleine Werkzeuge, große Wirkung

Die Grundlagen des Werkzeugbaus kennenlernen und auf spielerische Art und Weise festigen. So könnte man ein Lehr- und Lernkonzept der Hochschule Reutlingen zusammenfassen. Mit „Schooltool“ beschreitet man hier neue Lernwege. Das Konzept baut auf Didaktik-Prinzipien wie „Gamification“ und „Game Based Learning“ auf. Federführend ist hier Prof. Dr.-Ing. Steffen Ritter, Studienbereich Maschinenbau an der Hochschule Reutlingen, Fakultät Technik. Er verrät, was sich hinter dem Projekt „Schooltool“ genau verbirgt. „Schooltool ist ein ganzheitliches, vielseitiges und konzeptionell aufeinander abgestimmtes Lehr- und Lernkonzept im Bereich Formteil-Spritzgießwerkzeuge, Formteilentwicklung und Spritzgießprozess. Es verbindet die Bereiche handwerklicher Ausbildung mit denen akademischer Ingenieurausbildung. Einzusetzen an Hochschulen, Berufsschulen und in der betrieblichen Weiterbildung.“ Herzstück dieses Ansatzes ist ein Werkzeugkonzept auf Basis sehr kleiner Spritzgießwerkzeuge mit Plattenmaßen von 96 mm x 126 mm. Die Größe hat dabei mehrere Vorteile, wie Ritter erklärt. „Einerseits sind Echtprojekte lange nicht so kostenintensiv wie bei größeren Werkzeugen und andererseits können die dann auch, aufgrund des geringeren Fertigungsaufwandes, relativ schnell und einfach mit Partnern umgesetzt werden.“ Die Nutzung dieser Werkzeuge habe darüber hinaus den Vorteil, dass das Werkzeughandling in jeglicher Hinsicht wesentlich einfacher wird. Ritter sagt dazu: „Die Schooltool-Werkzeuge lassen sich ohne Kran von Hand auf der Spritzgießmaschine montieren und sind in Minuten durchtemperiert. Sie benötigen zudem wenig Kunststoff, da die zu fertigenden Bauteile ja recht klein sind.“ Mit einem Sack Granulat könne man mehrere tausend Teile fertigen.

Sechs Männer in einer Werkzeughalle. Prof. Dr.-Ing. Steffen Ritter (links) zusammen mit Studenten und Auszubildenden.
Prof. Dr.-Ing. Steffen Ritter (links) zusammen mit Studenten und Auszubildenden. (Bild: HS Reutlingen)

Trotz der Größe verlangen die Werkzeuge den Studenten einiges ab. „Die konstruktiven Herausforderungen bei der Werkzeugkonstruktion, die wir mit den Studierenden ebenfalls machen, sind sogar noch höher als bei größeren Werkzeugen, da die limitierte Werkzeuggröße mit ihrer Kompaktheit nicht unbedingt immer die einfachsten Lösungen zulässt“, so Ritter. Gut 16 kg bringen die Spritzgießwerkzeuge auf die Waage und lassen sich damit immer noch recht einfach beispielsweise in die Vorlesung und den Unterricht mitnehmen. „Diese Qualität, Dinge im wahrsten Sinne des Wortes ‚begreifen‘ zu können, ist in der Lehre unübertroffen“, stellt Ritter klar und ergänzt zugleich: „Dadurch, dass es inzwischen bereits mehr als 30 Werkzeugkonzepte und sieben umgesetzte Werkzeugprojekte gibt, können sich die Studierenden in ihren Projekten immer wieder an diesen Projekten orientieren.“ Das, so Ritter, sei typisches beispielbasiertes Lernen. Das wiederum hat den Effekt, dass selbst Novizen auf diesem Gebiet sehr schnell lernen würden und es außerdem nach kürzester Zeit zu sehr ordentlichen Lernergebnissen führe. „Das Unterrichtsmaterial ist darauf abgestimmt, es gibt Beispielzeichnungen, Checklisten und Lehrvideos. Und das alles immer auf der Basis der kompakten Schooltools.“ Aber lässt sich das vorhandene Potenzial auch dafür einsetzen, um beispielsweise dem Fachkräftemangel im Werkzeug-, Modell- und Formenbau entgegenzuwirken? Auch hierzu hat Ritter eine klare Meinung. Für ihn gehe es im Wesentlichen immer darum, die Dinge anschaulich, spannend und damit motivierend darzustellen. „Es hat sich jedenfalls gezeigt, dass das Schooltool-Lernkonzept sowohl bei mir in der Konstruktion an der Hochschule als auch bei den Werkzeugmacher-Azubis sehr schnell und mit viel Spaß aufgenommen wird.“ Und weiter: „Verglichen mit irgendwelchen alten Zöpfen, die schon vor 20 Jahren in Ausbildung und Lehre gemacht wurden, scheint Schooltool jedenfalls die junge Generation besser anzusprechen. Ob dadurch einem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden kann, wage ich nicht zu beurteilen. Flächendeckend durchgeführt, hätte es wahrscheinlich einen Einfluss.“

Zwei Männer auf einer Messe vor einer Maschine.
Im Dialog: Aufklären, sensibilisieren, Potenziale aufzeigen: Für den Werkzeugbau, aber auch die kunststoffverarbeitende Industrie, bieten Messen wie die Moulding Expo eine Plattform, um über ihr Berufsumfeld aufzuklären und insbesondere jüngeren Menschen Perspektiven aufzuzeigen. (Bild: Landesmesse Stuttgart)

Dem Werkzeugbau spielerisch begegnen und lernen

Auf der Moulding Expo stieß das Konzept hinter Schooltool auf großes Interesse der Fachbesucher. Schüler, Azubis, aber auch Ausbilder und Professoren, die sich für die eigene Lehre inspirieren ließen, fanden den Weg auf den Messestand der Hochschule Reutlingen. Die viel zitierte „Kommunikation auf Augenhöhe“ wurde hier sprichwörtlich gelebt. Denn Studierende stellen in der Regel die Peergroup der jungen Fachbesucher dar, wie Ritter verrät. Und mit den eigenen Studierenden der Fakultät Technik des Studienbereichs Maschinenbau fanden diese sofort Zugang. „Wir wissen, wie wichtig in diesem Alter der Einfluss der Gleichaltrigen und der Freunde ist. Die Begeisterung der Studierenden war jeden Tag auf der Messe zu spüren und dieser Begeisterung konnten sich weder die jungen Fachbesucher entziehen noch die Ausbilder, Geschäftsführer und die Professoren. Das Messe-Give-away in diesem Jahr war das Kartenspiel „Mouldmaker – The Game“. Mit dem Kartenspiel lernen Studierende und Auszubildende im Bereich Werkzeugbau spielerisch die Grundlagen ihres Fachs. Entwickelt wurde dieses im Rahmen einer Hochschularbeit von einem Studenten und Ritter selbst. „Ziel war, das spielerische Lernen, also  ‚Game Based Learning‘, im Zusammenhang mit unserem Fachgebiet umzusetzen. Nach vielen Prototypen und viel Probieren ist so das Lernkartenspiel ‚Mouldmaker – The Game‘, entstanden. Es geht im Kern um den sachlich richtigen Aufbau unterschiedlicher Spritzgießform-Konzepte.“ Nach anfänglicher Analyse eines Kunststoff-Formbauteils muss das entsprechende Werkzeug (Standardwerkzeug, Schieberwerkzeug oder Backenwerkzeug) im Spielverlauf „gebaut“ werden. Unterschiedliche Darstellungsarten von Werkzeugen schulen dabei einen geübten Umgang.

Zwei Hände, die links und rechts Spielkarten in der Hand halten.
Die Grundlagen des Werkzeug- und Formenbaus spielerisch lernen: Das Kartenspiel „Mouldmaker – The Game“ macht es möglich. (Bild: Landesmesse Stuttgart)

Auch wenn es sicherlich auch andere Kommunikationskanäle gibt, auf denen sich junge Menschen tummeln. Messen wie die Moulding Expo bieten eine Plattform, um auch persönlich in Kontakt zu treten, zu inspirieren und zu begeistern. Doch sind solche Messeauftritte letztlich ausschlaggebend dafür, dass sich junge Menschen beispielsweise für ein Studium in Reutlingen entscheiden? „Es ist sicherlich das Projekt dahinter und nicht direkt der Messeauftritt. Der verschafft uns zusätzliche Öffentlichkeit und es gibt durchaus einige der Studierenden, die speziell wegen dieser Projekte ihre finale Entscheidung für Reutlingen fällen“, erklärt Ritter. „Wir bieten generell eine zeitgemäße und praxisnahe Maschinenbauausbildung an, im Bachelor- und im Masterstudium. Dass wir innerhalb eines klassischen Maschinenbaustudiums derart tief in den Kunststoffbereich einsteigen, verwundert teilweise noch immer. Aber ehrlich gesagt, wo gibt es denn heute keine Kunststoffbauteile?“ Speziell im Kunststoff sieht dieser noch sehr viel Potenzial, insbesondere mit Blick auf Zukunftsthemen wie die Dekarbonisierung. „Insgesamt sind die Polymere eines der Materialien mit dem geringsten Carbon-Footprint. Das derzeit so heiß diskutierte Kunststoffproblem ist doch in Wahrheit ein Müll- und Verhaltensproblem der Menschen und muss hier ganz klar vom Materialthema getrennt werden. Auf der Basis des Schooltool-Grundlagenwissens beschäftigen wir uns selbstverständlich intensiv mit Recyclingfragen.“ Ließe sich das Konzept von Schooltool nicht auch auf andere technische Fachthemen übertragen? Ritter sieht den Kern des Schooltool-Lernkonzeptes in der „Befähigung durch motivierte Beteiligung.“ Er führt zugleich aus, was damit gemeint ist: „Das heißt, durch Projekte und im Unterricht garantierte Projekterfolge lernen die Studierenden und Schüler auf eine motivierte Art und Weise. Natürlich lässt sich dieser Kern auf jegliches Fachthema übertragen, dazu braucht es halt nur ein bisschen Fantasie. Und genau diesen Impuls will ich gerade den Kollegen und Ausbildern mit auf den Weg geben. Einfach loslegen und mit einem Lehr- beziehungsweise Lernelement anfangen. Und ehrlich gesagt, auch bei mir ist das Ganze nicht über Nacht entstanden. Durch kontinuierliche Weiterentwicklung wurden über Jahre die einzelnen Bausteine vom Schooltool-Konzept Stück für Stück entwickelt und ergänzt.“ Projekte wie diese braucht es, um junge Menschen für (technische) Themen zu begeistern. Doch ohne das Einbinden der Industrie geht es auch hier nicht. Das weiß auch Ritter: „Genau wie bei den echten Projekten“, und bezieht sich dabei auf beispielsweise Spritzgießmaschinenhersteller, Normalienhersteller oder auch Heißkanalhersteller. „Unsere Schooltool-Projekte sind Echtprojekte, eben nur in klein. Es ist eine ganz wesentliche Lernerfahrung für meine Studierenden, genau mit diesen Akteuren zusammenzuarbeiten. Und die Azubis und Studierenden von heute sind doch die Kunden von morgen. Wenn wir also in unseren Spezialgebieten etwas gegen den Fachkräftemangel machen wollen, dann geht das nur gemeinsam.“

Quelle: Hochschule Reutlingen, Hochschule Schmalkalden, VDWF

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