Ein weißer Pappteller, ein weißes Schraubgefäß, kleine Kristalle auf schwarzem Untergrund. Das Thermoformen von Schwerschaumfolien eröffnet große Einsparpotenziale.

Das Thermoformen von Schwerschaumfolien eröffnet große Einsparpotenziale. (Bild: IKV)

Beim Thermoformen werden je nach Produkt zwischen 70 % und 90 % der Produktkosten durch die Materialkosten bestimmt. Durch die Steigerung der Materialeffizienz besteht ein großes Potenzial zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Produkts [Mos13, TB99]. Eine Möglichkeit zur Materialeinsparung besteht im Einsatz von geschäumten Halbzeugen. Die Herausforderung besteht dabei jedoch in der Abnahme der mechanischen Eigenschaften von Leichtschäumen gegenüber kompakten Folien (Dichtereduktion über 25 %), weshalb diese oft nicht zum Einsatz kommen [Wir04]. Schwerschaumfolien bieten ein gutes Verhältnis aus Dichtereduktion und mechanischen Eigenschaften, jedoch ist deren Einsatz im Thermoformen bislang kaum verbreitet und systematisch untersucht worden. Dabei führt bei Massenartikeln wie Joghurtbechern bereits eine geringe Dichtereduktion zu großen Einsparpotenzialen. Das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Aachen untersucht deshalb in praktischen Versuchen die Herstellung von Schwerschaumfolien im Flachfolienprozess durch Variation von Material- und Prozessparametern sowie den Einfluss der entstehenden Schaumstruktur auf die resultierende Wanddickenverteilung hergestellter Formteile im Thermoformen.

Einfluss der Werkzeugtemperatur auf die erzielbare Dichtereduktion

Die für das Thermoformen verwendeten Monolayer-Schaumfolien werden auf einem Laborextruder (D = 19 mm, L/D = 25) des Unternehmens Brabender, Duisburg, und einem Glättwerk vom Typ 136 350 von Dr. Collin, Ebersberg, hergestellt. Für das Herstellen von Schwerschaumfolien ist der Einsatz chemischer Treibmittel in besonderem Maße geeignet, da keine hohen Dichtereduktionen und damit keine Anpassung der Anlagentechnik (physikalisches Schäumen) erforderlich sind. Ebenso erleichtert der Einsatz eines chemischen Treibmittels (Typ Hydrocerol CF 40E, Clariant Plastics & Coating, Ahrensburg) den Einstieg interessierter Firmen in den Bereich der geschäumten Folienprodukte. Als zu schäumender Kunststoff wird ein Polypropylen (PP) vom Typ 520 P von Saudi Basic Industries (Sabic), Riad, Saudi-Arabien, verwendet. Neben geschäumten Folienhalbzeugen der Dicke 0,8 mm werden als Referenz für nachfolgende Analysen außerdem kompakte Folien hergestellt. Ziel ist die Untersuchung des Einflusses der Werkzeugtemperatur auf die resultierende Gewichtsreduktion und sich ausbildende Schaumstruktur. Dazu werden Schaumfolien mit einem Hydrocerolanteil von   5 %, einer Zylindertemperatur von 230 °C und einem Walzenspalt von 0,8 mm gemäß der gewünschten Halbzeugdicke bei variierter Werkzeugtemperatur hergestellt. Bild 1 zeigt die resultierenden Dichten der produzierten Schaumfolien. Es wird deutlich, dass ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen der Werkzeugtemperatur und der erzielten Dichtereduktion besteht. Die höchste Dichtereduktion von circa 25 % kann bei einer Werkzeugtemperatur von Tw = 180 °C erzielt werden, was auf den Druckgradienten beim Austritt der Schmelze aus dem Werkzeug zurückzuführen ist. Eine Reduktion der Werkzeugtemperatur führt zu einer Erhöhung der Viskosität der gasbeladenen Schmelze und somit zu einem Anstieg des Druckverlusts im Werkzeug.

Balkendiagramm mit 4 grünen Balken. Bild 1: Erzielte Dichten der PP-Schaumfolie in Abhängigkeit der Werkzeugtemperatur.
Bild 1: Erzielte Dichten der PP-Schaumfolie in Abhängigkeit der Werkzeugtemperatur. (Bild: IKV)

Einfluss der Werkzeugtemperatur auf die Schaumstruktur

Neben dem Schäumgrad beziehungsweise der Dichtereduktion der Folien besitzt die Schaummorphologie einen signifikanten Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften des Schaums. Bei der Herstellung von Schaumfolien ist eine gleichmäßige und möglichst feinzellige Schaumstruktur zielführend, da dies zu besseren mechanischen Eigenschaften führt. Die Schaumstrukturen werden mittels CT-Aufnahmen des SkyScan 1172 System des Unternehmens Bruker Mikroct, Aartselaar, Belgien analysiert (Bild 2). Durch rechnerbasierte Auswertung einer Vielzahl aus verschiedenen Richtungen aufgenommener Röntgenaufnahmen eines Objektes können digitale Schnittbilder rekonstruiert werden. Dies erlaubt unter anderem die Darstellung der geschäumten Folien im Querschnitt und die Analyse der Anzahl sowie Form der Zellen.Es ist ersichtlich, dass sich je nach Werkzeugtemperatur deutlich unterschiedliche Schaumstrukturen ausbilden. So ist bei 180 °C eine deutlich gröbere Zellstruktur zu erkennen. Dies spiegelt sich auch in der Bild 2 aufgelisteten Kennwert-Zellgröße von 1,076 x 104 µm2 wider. Jedoch ist die Zelldichte (Anteil der Gaseinschlüsse am Gesamtmaterial) mit 12,93 % die höchste aller drei Versuchspunkte. Durch Erhöhung der Werkzeugtemperatur nimmt die Zellfläche sowie die Anzahl an Schaumzellen ab. Bei der Werkzeugtemperatur von 230 °C ergibt sich somit eine Zellgröße von 0,6875 x 104 µm2 mit einer Zelldichte von 9,24 %. Generell ist der Zusammenhang zwischen Dichte und Schaumzellengröße/Zelldichte antiproportional, welcher auf die Anzahl der Zellen sowie Zellwände zurückzuführen ist. Die Werkzeugtemperatur weist einen signifikanten Einfluss auf die Bildung der Schaumblasen auf und kann bei gleichbleibendem Treibmittelanteil und konstanter Zylindertemperatur zur Einstellung der Schaummorphologie sowie des Schäumgrades genutzt werden. Eine erhöhte Werkzeugtemperatur lässt aufgrund der reduzierten Zellfläche eine höhere Festigkeit vermuten.

Bild 2: CT-Aufnahmen und Kennwerte der Schaummorphologie bei variierender Werkzeugtemperatur.
Bild 2: CT-Aufnahmen und Kennwerte der Schaummorphologie bei variierender Werkzeugtemperatur. (Bild: IKV)

Einfluss geschäumter Halbzeuge und der Stempelgeometrie auf die Wanddickenverteilung

Zur Ermittlung des Einflusses geschäumter Halbzeuge auf die resultierende Wanddickenverteilung im Vergleich zu kompakten Halbzeugen werden die hergestellten Folien auf einer Labor-Einstationenformanlage mit ausgelagerter Heizstation vom Typ KD 20/25 des Unternehmens Kiefel, Freilassing, mit konstanten Standardeinstellungen (Vergleich Tabelle 1) zu einem Becherformteil umgeformt.

Tabelle: Konstante Prozesseinstellungen bei der praktischen Versuchsdurchführung.
Tabelle 1: Konstante Prozesseinstellungen bei der praktischen Versuchsdurchführung. (Bild: IKV)

Die Versuche werden mit unterschiedlichen Stempelgeometrien bei gleichbleibender Formteilgeometrie gemäß Bild 3 durchgeführt. Exemplarisch wird folgend die Wanddickenverteilung bei Einsatz verschiedener Vorstreckstempel bei einem geschäumten Halbzeug (5 % Hydrocerol, TW = 230 °C) im Vergleich zur kompakten Referenzfolie untersucht.

Bild 3: Verwendete Werkzeug- und Stempelgeometrien.
Bild 3: Verwendete Werkzeug- und Stempelgeometrien. (Bild: IKV)

Pro Stempel werden insgesamt fünf Becher geformt, welche im Anschluss mit einem Dickenmessgerät des Typs Magna Mike 8600 von Olympus Europa, Hamburg, an 14 Messpunkten (Bild 4, rechts) vermessen werden. Bild 4 (links) zeigt die mittlere Wanddickenverteilung des Formteils bei einer Halbzeugtemperatur von 130 °C unter Variation der vier Stempelgeometrien bei dem kompakten Halbzeug (0 % Hydrocerol, TW = 230 °C). Unabhängig von der eingesetzten Stempelgeometrie stellt sich eine charakteristische Wanddickenverteilung ein. Der Stempel verbringt das Material verstärkt in den Bereich des Becherbodens, was in erhöhten Wanddicken resultiert. Im Bereich des Becherübergangs sind die ebenso charakteristischen Schreckmarken zu verorten, welche auf ein schlagartiges Abkühlen des Halbzeugs bei Stempel-Halbzeug-Kontakt zurückzuführen sind. Im Bereich der Becherwand stellt sich hingegen aufgrund der freien Verstreckbarkeit des Materials eine konstante Wanddicke ein.

Bild 4: Messpositionen (rechts) und resultierende Wanddickenverteilung der unter Variation der Vorstreckstempelgeometrie unter Einsatz des kompakten Halbzeugs.
Bild 4: Messpositionen (rechts) und resultierende Wanddickenverteilung der unter Variation der Vorstreckstempelgeometrie unter Einsatz des kompakten Halbzeugs. (Bild: IKV)

Ein Vergleich der Wanddickenverteilung mit einem geschäumten Halbzeug (Bild 5) macht deutlich, dass sich ein gänzlich anderes Verstreckverhalten des Halbzeugs einstellt. Anders als bei dem kompakten Halbzeug wird eine konstante und geringe Wanddicke am Becherboden ausgebildet und die Becherwand wird dicker. Es wird vermutet, dass das Material aufgrund der im Vergleich zum kompakten Halbzeug rauen Oberfläche über den Stempel abgleitet. Im Zuge einer optimalen Ausnutzung des Kunststoffs ist die Materialanhäufung an der Becherwand nicht zielführend. Die Bildung von Schreckmarken wird hingegen weitestgehend unterdrückt, was möglicherweise auf die geringe Wärmeleitfähigkeit der eingeschlossenen Gasblasen zurückzuführen ist. Die resultierende Wanddickenverteilung der thermogeformten Schaumfolie ähnelt nicht der charakteristischen Ausprägung kompakter Thermoformartikel und ist möglicherweise auf die veränderte Rauheit der Folie zurückzuführen.

Bild 5: Messpositionen (rechts) und resultierende Wanddickenverteilung der unter Variation der Vorstreckstempelgeometrie unter Einsatz des geschäumten Halbzeugs.
Bild 5: Messpositionen (rechts) und resultierende Wanddickenverteilung der unter Variation der Vorstreckstempelgeometrie unter Einsatz des geschäumten Halbzeugs. (Bild: IKV)

Fazit & Ausblick

Der Einsatz von Schwerschäumen im Thermoformen stellt eine bislang unerforschte Möglichkeit dar, die Materialeffizienz zu steigern. Durch den Einsatz von chemischen Treibmitteln zur Herstellung von Schwerschäumen im Flachfolienprozess kann auf eine aufwendige Anpassung der Anlagentechnik verzichtet werden. Je nach eingesetztem Grundwerkstoff muss jedoch abgewogen werden, ob die erzielte Materialeinsparung die Kosten des chemischen Treibmittels amortisiert. Es konnte gezeigt werden, dass eine Reduktion der Werkzeugtemperatur eine positive Korrelation mit der Dichtereduktion aufweist. Die Halbzeuge wurden anschließend im Thermoformverfahren hinsichtlich ihrer Wanddickenverteilung untersucht. Weiterhin wurde festgestellt, dass ein geschäumtes Halbzeug ein anderes Prozessverhalten hinsichtlich der Verstreckbarkeit aufweist als ein kompaktes Halbzeug. Es wird vermutet, dass ein Abgleiten des Halbzeugs aufgrund der raueren Topologie für eine dünne Ausprägung des Becherbodens verantwortlich ist. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in weiteren Versuchen durch den Einsatz von geschäumten Polystyrolhalbzeugen validiert werden. Weiterhin werden perspektivisch die mechanischen Eigenschaften untersucht, da die Umverteilung der Wanddicken der Formteile einen Einfluss auf die Produkteigenschaften wie den Topload nehmen kann.

Dank

Das IGF-Forschungsvorhaben 22195 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wurde über die AIF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Neben diesen Institutionen danken die Autoren auch den Firmen Sabic Europe, Geleen und Avient Colorants Germany, Frankfurt, für die Bereitstellung der Versuchsmaterialien und Anlagentechnik.

Quelle: IKV

Literatur

[Mos13] MOSER, A.: Nutzung von Prozesswissen beim Thermoformen von Verpackungen. Universität Duisburg-Essen, Dissertation, 2013
[TB99] THRONE, J.; BEINE, J.: Thermoformen Werkstoffe – Verfahren – Anwendungen. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 1999
[Wir04] WIRTZ, J.: Thermoformen von Schäumen und mehrschichtigen Verbunden mit Schaumfolie. RWTH Aachen, Dissertation, 2004, ISBN: 3-86130-501-

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Unternehmen

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen (Hauptsitz)

Seffenter Weg 201
52074 Aachen
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