Per- and Polyfluoroalkyl Substances - Inscription on Green Keyboard Key.

Die Kunststoffbranche ist, ob des möglicherweise eintretenden Verbots von fluorhaltigen Kunststoffen, auf der Suche nach Alternativen. (Bild: Momius – Stock.adobe.com)

Portraitfoto junger Mann mit Brille und dunklen Haaren
Sebastian Roller, Application Engineer im Produktmanagement der Sparte Shapes. (Bild: Ensinger)

Welche Funktion erfüllt PTFE in Halbzeugen aus Konstruktions- und Hochleistungskunststoffen?

Sebastian Roller: In Halbzeugen wird PTFE hauptsächlich als Additiv zur Reibungsminderung eingesetzt. Durch das Verringern des Gleitreibkoeffizienten wird das Grundwerkstoff gleitfähiger, so dass in der Anwendung Kräfte reduziert werden – und damit Energie eingespart werden kann. Wir setzen PTFE beispielsweise in Polymeren wie PEEK (Tecapeek TF10 blue) ein, um dessen Gleiteigenschaften zu verbessern.

Unser Halbzeugportfolio umfasst aber auch die Fluorpolymere PTFE (Tecaflon PTFE natural) und PVDF (Tecaflon PVDF natural), die in der Industrie vielfältig eingesetzt werden.

Wo werden diese Kunststoffe hauptsächlich verwendet?

Roller: Das Einsatzspektrum für diese Kunststoffgruppe ist sehr breit: es umfasst die Branchen Maschinenbau, Chemie-, Öl- und Gasindustrie, Automotive, Lebensmittelindustrie, Medizintechnik, Halbleitertechnologie und Kryotechnik. Dort kommen die Werkstoffe in Form von Dichtungen, Sicherungsringen, Auskleidungen, Beschichtungen, Gleitlager, Ventile und vielem mehr zum Einsatz.

Was Sie über PFAS wissen müssen

Übersichtsgrafik zu PFAS.
Wissenswertes zu PFAS finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: Francesco Scatena – Stock.adobe.com)

Fluorpolymere und weitere fluorhaltige Substanzen sollen verboten werden. Eine ihrer herausragenden Eigenschaften – die Beständigkeit – könnte ihr Verbot bedeuten. Für Sie haben wir das Thema PFAS aus verschiedenen Blickwinkeln während der Widerspruchsfrist beleuchtet und halten Sie künftig zu PFAS-Alternativen auf dem Laufenden. Alles, was Sie zum Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

Das sind für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutende Branchen. Welche Alternativen zu PTFE sehen Sie hier generell, um die Anlagen, sollte ein Verbot für Fluorpolymere kommen, am Laufen zu halten?

Roller: Es gibt keine 1:1-Ersatzmaterialien für diese Kunststoffe, denn die Stabilität im Hinblick auf ihre chemischen und thermischen Eigenschaften, aber auch die Zähigkeit, Anti-Adhäsionseigenschaften und Dichtungsmöglichkeiten machen viele Fluorkunststoffe einzigartig. Daher gibt es derzeit oftmals keine Alternative.

Jedoch können für gewisse Funktionen wie Gleitanwendungen PTFE-freie Alternativen in Betracht gezogen werden. Bei Temperaturen über 200 °C kommen Hochleistungskunststoffe wie PPS, PEEK oder PI mit Modifikation von Kohlefasern, Grafit oder mineralischem Füllstoff in Frage. Allerdings müssen wir beim Entwickeln von Alternativen immer das gesamte System im Blick behalten. Also neben der Mechanik auch spezielle Anforderungen, wie beispielsweise das Temperaturverhalten oder die Chemikalienbeständigkeit des Werkstoffs.

Welche Folgen hätte das PFAS-Verbot für die Anwendungen und Ihr Unternehmen, wenn es in vollem Umfang zum Tragen kommen würde?

Roller: Die Folgen sind schwer abzuschätzen. Falls das Verbot in der vorgeschlagenen Form kommt, werden die Einschränkungen einen Aufschrei in der Industrie auslösen, denn für viele Anwendungen gibt es, wie zuvor erwähnt, keine Alternativen beziehungsweise es ist nicht absehbar, ob und bis wann neue, alternative Lösungen entwickelt werden können. Jedoch sollte jede Anwendung spezifisch betrachtet werden, um beurteilen zu können, ob und welche Änderungen in der Konstruktion notwendig sind oder ob sich andere Polymere beziehungsweise Werkstoffe überhaupt einsetzen lassen. Es gibt Fälle, für die sich Werkstoffalternativen finden lassen. Bei vielen Anwendungen wird die Substitution allerdings nicht oder nur mit Einschränkungen umsetzbar sein.

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Schubumluftventil realisiert mit Tecacomp TRM XS.
Schubumluftventil realisiert mit Tecacomp TRM XS, einem PFAS-freien Werkstoff. (Bild: Ensinger)

Wie stark fragt der Markt PFAS-freie Alternativwerkstoffe nach?

Roller: Viele Kunden fragen nach einer Übersicht unserer PFAS-freien Kunststoffe. Bei einigen Kunden gibt es für Neuentwicklungen zwischenzeitlich ein PFAS-Verbot. Um die Zeit, bis die Politik eine Entscheidung über ein PFAS-Verbot und Übergangsfristen trifft, zu nutzen, werden neue Designs getestet und Alternativen erarbeitet.

Welche Aktivitäten laufen derzeit bei Ensinger zu dem Thema?

Roller: Zum einen stehen wir in engem Austausch mit den relevanten Rohstofflieferanten und beobachten intensiv die Prozesse rund um die PFAS-Beschränkung, um auf Änderungen reagieren zu können. Zum anderen testen wir neue Additive und Werkstoffe, um Alternativen für PTFE und PTFE-Modifikationen zu entwickeln.

Ensinger bietet bereits eine Alternative zu PTFE gefüllten Gleitwerkstoffen an. Für welche Anwendungen wurden diese entwickelt?

Roller: Die PTFE-freien Werkstoffe wurden für tribologische Systeme im Trockenlauf oder Systeme unter Mangelschmierung konzipiert, beispielsweise Pumpen im Start-/Stopp-Betrieb, bei denen sich die Stribeck-Kurve mit jedem Anlauf neu einstellen muss. Die Stribeck-Kurve definiert dabei den Verlauf der Reibkraft in Abhängigkeit von der Reibgeschwindigkeit. Zu den typischen Anwendungen dieser Materialien gehört der Einsatz in Strukturbauteilen, die eine hohe mechanische Last tragen und gleichzeitig einem erhöhten Verschleißrisiko ausgesetzt sind.

Schwarzes Kunststoffgranulat
Tecacomp TRM XS von Ensinger. Durch ein spezielles Füllstoffkonzept, das ohne PTFE auskommt, lassen sich auf Basis dieses Werkstoffes sehr gute Reibungs- und Verschleißergebnisse in verschiedenen tribologischen Anwendungen erzielen. Die Kunststoffcompounds sind in Kombination mit PPA, PA66, PPS und PEEK erhältlich. (Bild: Ensinger)

Jeder Werkstoff besitzt spezifische Eigenschaften, auch bei der Verarbeitung. Was ändert sich für den Verarbeiter?

Roller: PTFE-haltige Polymere neigen zur Belagsbildung im Spritzgusswerkzeug, die bei den Alternativwerkstoffen deutlich geringeren ist. Dadurch reduziert sich die Anzahl der benötigten Reinigungszyklen, wodurch die Produktivität steigt. Außerdem besitzen unsere PTFE-freien Werkstoffe im Vergleich zu PTFE-haltigen eine höhere Bindenahtfestigkeit und verbesserte mechanische Eigenschaften. Weiterhin ist ihre Wärmeformbeständigkeit besser. Bei reinem PTFE liegt die Wärmeformbeständigkeit B bei 121 °C, bei Tecacomp PEEK TRM XS hingegen bei 325 °C (Wärmeformbeständigkeit A) und bei Tecacomp PEEK PVX bei rund 270 °C. Diese veränderten Wärmeformbeständigkeiten stehen auch im Zusammenhang mit dem enthaltenen Fasergehalt.

Wie sind die Alternativwerkstoffe aufgebaut?

Roller: Die Tecacomp TRM X- und XS-Serien von Ensinger basieren auf einem Mehrkomponenten-System: Wir kombinieren eine verschleißminierende Komponente mit gleitenden Additiven, die eine hexagonale Kristallstruktur aufweisen. Die gleitenden Additive bilden einen Transferfilm auf der Oberfläche des Gegenlaufpartners und setzen auf diese Weise – analog zum PTFE – die Reibung herab. Auf den metallischen Gegenlaufpartnern beobachten wir eine im Vergleich zu PTFE bessere Ausbildung des Transferfilms. Dieser ist wichtig für die tribologische Funktionalität.

Das PTFE-freie Compound Tecacomp TRM (X-Type) verschleißt deutlich langsamer als das PTFE-haltige.
Das PTFE-freie Compound Tecacomp TRM (X-Type) verschleißt deutlich langsamer als das PTFE-haltige. (Bild: Ensinger)

Könnte diese Produktreihe als 1:1-Ersatz für Gleitwerkstoffe mit PTFE-Füllung eingesetzt werden?

Roller: Die Materialien sind kein 1:1-Ersatz für PTFE. Insgesamt strebt man an, der tribologischen Leistungsfähigkeit von PTFE-gefüllten Materialien möglichst nahe zu kommen. Gerade beim Reibungskoeffizienten hat PTFE aber in aller Regel Vorteile. Für die Zukunft sind Weiterentwicklungen denkbar, die mit neuartigen Additiven eine PTFE-ähnliche Reibungsminderung erzielen.

Wie erwähnt, haben die PTFE-freien Werkstoffe mehrere Vorteile: Verbesserte Mechanik, verbesserte Bindenahtfestigkeit, kein Plate-Out während des Spritzgießens (weniger Zwischenreinigung). Aber auch Nachteil: Geringere Chemikalienbeständigkeit; weniger antiadhäsiv im Kunststoff/Kunststoff-Reibkontakt, Reibungskoeffizient üblicherweise oberhalb von PTFE gefüllten Werkstoffen.

Wie sind Ihre Hoffnungen für die PFAS-Regulierung durch die Echa?

Roller: Wir erhoffen uns als kunststoffverarbeitendes Unternehmen eine unemotionale Betrachtung der Thematik. Es ist unbestreitbar, dass PFAS-Substanzen für die Umwelt und die Gesundheit problematisch sein können. Jedoch ist zwischen den kritischen kurzkettigen PFAS-Substanzen sowie den langkettigen und damit weitgehend inerten und gemäß den OECD-Kriterien unschädlichen Fluorkunststoffen zu unterscheiden. So gibt es beispielsweise auch PTFE- und PVDF-Typen, die für den direkten Lebensmittelkontakt geeignet sind. Inwieweit dies durch die ECHA beurteilt wird, können wir nicht bewerten. Wir warten auf entsprechende Beschlüsse und werden entsprechend reagieren.

Als Verarbeiter von thermoplastischen Konstruktions- und Hochleistungskunststoffen, der auch in sensible Bereiche wie die Medizin-, Pharma- und Lebensmitteltechnik liefert, sind und waren wir der Verantwortung für Umwelt, Gesundheit und Nachhaltigkeit jederzeit bewusst.

Eckdaten: Ensinger Gruppe

Die Ensinger Gruppe beschäftigt sich mit der Entwicklung, Fertigung und dem Vertrieb von Compounds, Halbzeugen, Composites, Fertigteilen und Profilen aus technischen Kunststoffen. Zur Verarbeitung der thermoplastischen Konstruktions- und Hochleistungspolymere setzt das Unternehmen eine Vielzahl von Herstellungsverfahren ein, unter anderem Extrusion, mechanische Bearbeitung, Spritzguss, Formguss, Sintern und Pressen. Mit insgesamt 2.700 Mitarbeitern an 34 Standorten ist das Familienunternehmen in allen wichtigen Industrieregionen weltweit mit Fertigungsstätten oder Vertriebsniederlassungen vertreten.

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Unternehmen

ENSINGER GmbH Technische Kunststoffe

Rudolf-Diesel-Straße 8
71154 Nufringen
Germany