Forscher des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC und des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM haben für die Wundbehandlung eine bioresorbierbare Membran entwickelt, die die Wundheilung unterstützt und sich vollständig im Körper zu einer natürlichen Substanz biologisch abbaut. Basis ist ein am Fraunhofer ISC entwickeltes Faservlies, das für die Regeneration von chronischen Wunden wie dem diabetischen Fuß bereits medizinisch zugelassen ist. Das Material löst sich im Verlauf der Wundheilung nach sechs bis acht Wochen vollständig auf. Den Faserdurchmesser von 50 Mikrometer konnten die Forscher um mehr als das 50-fache verringern, sodass die Fasern nun Durchmesser von weniger als einem Mikrometer aufweisen. Dabei wendete das Team die Methode des Elektrospinnens an. Auf diese Weise konnten ein Kieselgelsol zu einer engmaschigen Kieselgelmembran aus Fasern mit einem Durchmesser von circa einem Mikrometer verspinnen. Teilweise erzielten sie sogar Durchmesser von lediglich 100 Nanometern. „Diese Fasersysteme ahmen die extrazelluläre Matrix, also Faserstrukturen, die im Bindegewebe vorkommen, im Körper nach und werden von humanen Zellen sehr gut zur Regeneration angenommen. Sie verursachen keine Fremdkörperreaktionen und keine inneren Vernarbungen. Die neuartige Kieselgelmembran setzt nur ein Degradationsprodukt frei, die Monokieselsäure, die im Körper regenerierend wirkt und das Schließen von Wunden fördert“, erläutert Dr. Bastian Christ, Wissenschaftler am Fraunhofer ISC in Würzburg. Die Membran lässt sich laut den Aussagen im Körper auch mit bioabbaubaren Klebstoffen verkleben.
Weder zell- noch gentoxisch
Mittels eines Konfokalmikroskops, eines speziellen Lichtmikroskops, konnte gezeigt werden, dass die engmaschige Membran, die als Demonstrator vorliegt, über eine Barrierefunktion verfügt, die den Durchtritt von Bindegewebszellen über die Dauer von mindestens sieben Tagen verhindert, ohne die Zellen generell vom Wachstum abzuhalten. Darüber hinaus ist die Membran resorbierbar und weist keine Zyto- oder Gentoxizität auf, sie verursacht also weder direkte Schäden am Gewebe noch an der DNA. Für die Anwendung als Adhäsionsbarriere, um postoperative Verwachsungen und Narbenbildung zu vermeiden, wurde ein dünner Faserdurchmesser mit dünnen Maschen gewählt, sodass nur Nährstoffe das Faservlies passieren konnten – jedoch keine Bindegewebszellen. Bei einem Faserdurchmesser von einem Mikrometer und entsprechend weiteren Maschen hingegen wachsen die Zellen in das Fasergeflecht ein, vermehren sich dort und wirken regenerierend auf das umliegende Gewebe. Im Gegensatz zur Membran, die direkt nach dem Aufbringen aufgrund ihrer offenmaschigen Natur einen Nährstofftransport, nicht aber einen Zelldurchtritt erlaubt, ermöglichen viele am Markt erhältliche Produkte einen derartigen Stofftransport oft erst nach der Biodegradation beziehungsweise nach beginnender Degradation. Eine schnelle und effektive Wundheilung ist aber nur möglich, wenn das verwundete Gewebe ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird. Gleichzeitig müssen Stoffwechselprodukte abtransportiert werden, was durch die offene Maschenstruktur der Kieselgelmembran gefördert wird. Die Renacer-Membran löst sich vollständig auf und zersetzt sich fast pH-neutral zu untoxischer Monokieselsäure, die einzige wasserlösliche Form von Kieselsäuren. Sie ist nativ im Körper vorhanden und stimuliert nachweislich den Bindegewebsaufbau in der Haut und den Knochenaufbau. Darüber hinaus können Wirkstoffe in das Faservlies integriert werden, die mit der Auflösung des Materials freigesetzt werden. So lässt sich beispielsweise ein Antibiotikum auf eine Wunde im Körper abgegeben, damit sich keine Bakterienherde bilden können. Am Fraunhofer ISC wird im BMBF-geförderten Projekt „Glio Gel“ geprüft, ob sich die Renacer-Materialplattform als Wirkstoffdepot zur Behandlung von Hirntumoren eignet.
Quelle: Fraunhofer ISC