Transportroboter im Krankenhausflur

Der neu entwickelte Transportroboter kann unter diverse Handwagen fahren, diese aufnehmen und zum vorgegeben Ziel bringen. (Bild: Rainer Bez)

In vielen großen Kliniken werden bereits fahrerlose Transportfahrzeuge eingesetzt, allerdings sind diese nur in separaten Versorgungstrakten nutzbar. Inzwischen gibt es auch erste Serviceroboter, die sich unter Menschen bewegen und so den Transport innerhalb einer Station oder eines Wohnbereichs unterstützen können. Die größeren dieser Roboter, die für das Tragen von Containern gedacht sind, haben jedoch oft Schwierigkeiten, in den engen Krankenhausfluren sicher und zuverlässig zum Ziel zu kommen. Kleinere Roboter erlauben dagegen nur den Transport von wenigen Einzelartikeln und bieten somit nur eine begrenzte Entlastung.

 

Warum der Roboter als Unterfahrschlepper konzipiert ist

Transportroboter fährt aus Aufzug
Wenn der Roboter an die Aufzugsteuerung angebunden wird, kann er sich frei im Haus bewegen. (Bild: Rainer Bez)

Der vom Fraunhofer-Projekt "MobDi – Mobile Desinfektion" geförderte und vom Wissenschaftler Theo Jacobs am Fraunhofer IPA, Stuttgart, entwickelte Transportroboter schließt diese Lücke. Als Unterfahrschlepper konstruiert, kann der Roboter mit seinem Fahrgestell unter verschiedene Pflegewagen oder Container fahren, diese anheben und autonom bis zu dem Patienten- oder Bewohnerzimmer bringen, in dem die Inhalte benötigt werden. Weitere Informationen zum Projekt MobDi erhalten Sie hier.

Im Gegensatz zu anderen Transportrobotern setzt dieses Gerät auf einen omnidirektionalen Antrieb mit speziellem Fahrwerk, mit dem sich der Roboter auch seitwärts bewegen kann. "Das ist wichtig, um eine schnellere Aufnahme von Lasten und das gefahrlose und zugleich zielgerichtete Fahren in engen oder voll gestellten Umgebungen zu ermöglichen", erklärt Jacobs. "Außerdem ist das Fahrgestell in Länge und Breite variabel. So kann der Roboter Handwagen und Container verschiedener Größe und mit unterschiedlichen Radständen transportieren und braucht nur wenig Platz. Insgesamt ermöglichen die Bewegungen des Roboters einen intuitiven Umgang mit ihm, weil er sich ähnlich dem Menschen auch seitwärts bewegen kann", ergänzt Jacobs.

Damit der Roboter an Orten fahren kann, an denen sich nicht eingewiesene Personen aufhalten, ist er mit umfangreicher 360-Grad-Sicherheitssensorik ausgestattet, die Hindernisse auch nach hinten unter der Last hindurch detektiert. Kameras und Algorithmen der Bildverarbeitung erkennen aufzunehmende Wagen und ermitteln automatisch die notwendige Bewegung zum Andocken und Anheben der Last. Der Roboter muss vorab nur die ungefähre Position eines Wagens kennen, den er abholen soll.

Wichtiges Ziel war, dass der Transportroboter die bereits jetzt in Einrichtungen vorhandenen Handwagen transportieren kann, ohne dass diese aufwendig umgerüstet werden müssen. Lediglich eine gewisse Bodenfreiheit zum Unterfahren des Wagens muss gegeben sein. Ein einzelner Roboter genügt, um beispielsweise den Wäschetransport für ein komplettes Pflegeheim zu automatisieren. Wenn Zeit ist, kann der Roboter weitere Transportdienste für Medikamente, Verbandsmaterial und mehr übernehmen. Zeitgesteuert können Routinetransporte ausgeführt oder spontan über ein Tablet oder Smartphone angefordert werden. "Je nach Anwendungsszenario und Integration in etablierte Abläufe in den Einrichtungen ist der Wagen für die reguläre Patientenversorgung oder für den spontanen Einsatz oder Springerdienst nutzbar", erläutert Jacobs die Einsatzmöglichkeiten

Wie es um die Wirtschaftlichkeit steht

Ein Forscherteam des Fraunhofer-Zentrums für Internationales Management und Wissensökonomie IMW unter Leitung von Dr. Marija Radic untersuchte die Wirtschaftlichkeit des Roboters auf Basis einer Lebenszykluskostenrechnung. Diese umfasst alle Kosten, die auf den gemessenen und zukünftig erreichbaren Leistungsdaten und den Kosten des Roboters von der Anschaffung bis zur Entsorgung anfallen. Als Vergleichswert wurden die Kosten einer Hauswirtschaftskraft herangezogen, die lediglich die genannten Transporte durchführt. Diese verbringt derzeit täglich mehrere Arbeitsstunden mit dem Transport von Schmutzwäsche von allen Wohnbereichen zu einem Lagerbereich im Keller. Hinzu kommt das Verteilen von Frischwäsche auf die Wohnbereiche.

"Übernimmt ein Roboter den gesamten Transport der Schmutz- und Frischwäsche, kann er bereits bei einer Abschreibungsdauer von drei Jahren wirtschaftlich eingesetzt werden. Die Wirtschaftlichkeit lässt sich noch deutlich steigern, wenn der Roboter weitere Transportdienste übernimmt", erläutert Dr. Marija Radic, Abteilungsleiterin am Fraunhofer IMW. In diesem Szenario arbeitet der Roboter inklusive Ladevorgängen rund um die Uhr.

Warum langjähriges Wissen wichtig ist

Mit dem neuen Transportroboter knüpft Theo Jacobs an das langjährige und umfassende Fachwissen des Fraunhofer IPA zur Entwicklung von Assistenzsystemen für die stationäre Pflege an. So präsentierte das Institut bereits 2018 einen "intelligenten Pflegewagen" als Ergebnis des Projekts SeRoDi (Servicerobotik für personenbezogene Dienstleistungen). Dieser bestand aus einem Korpus mit Schubladen, der fest auf einer ebenfalls autonom navigierenden Roboterplattform verbaut war. Über den integrierten Touchscreen und Sensor konnte das Pflegepersonal verbrauchtes Material leicht dokumentieren. Das nun umgesetzte modulare Konzept trägt dazu bei, den Roboter flexibler und damit auch wirtschaftlicher einsetzbar zu machen.

Dabei können auch mit dem neuen Transportroboter praxiserprobte Technologien aus dem SeRoDi-Projekt weiterverwendet werden. Beispielsweise könnte ein passiver, vom Transportroboter bewegter Pflegewagen mit der entsprechenden Sensorik und Intelligenz ausgestattet werden, um Materialverbräuche automatisch zu erfassen, die Pflegedokumentation zu erstellen und die Materialbestellung zu unterstützen. Für die Lagerung kleinteiliger Transportgüter wie zum Beispiel Pflegeprodukte oder Verbandsmaterial ist das im Forschungsprojekt SeRoDi verfolgte Konzept mit vorgepackten ISO-Modulkörben weiterhin nutzbar. Sie ermöglichen, durch das Austauschen vorgepackter Modulkörbe ausgegangenes Material schnell wieder aufzufüllen. Dies unterstützt insbesondere das automatische Nachfüllen der Pflegewagen, zum Beispiel in einem entsprechend umgerüsteten Lager.

Der neu entwickelte Transportroboter soll in den nächsten Monaten in Pflegeeinrichtungen getestet und die Technik anhand der dort gewonnenen Erkenntnisse entsprechend weiterentwickelt und optimiert werden. Parallel dazu werden mögliche Hersteller und Vertriebspartner angesprochen, die den Roboter in Zukunft als Serienprodukt weiterentwickeln und vertreiben wollen.

Quelle: Fraunhofer IPA

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