Verschiedene vollständig entleerbaren Ampullen können aus dem neuen Werkstoff  gefertigt werden.

Die aseptischen, vollständig entleerbaren Ampullen können aus dem neuen Werkstoff gefertigt werden. (Bild: Kraiburg TPE)

Aseptisch bedeutet keimfrei, und die wachsende Nachfrage nach parenteralen medizinischen und pharmazeutischen Produkten erfordert eine weitestgehend automatisierte Fertigung, die das Risiko der Kontamination durch Keime und Fremdpartikel zuverlässig eliminiert. Bei den meisten aseptischen Verpackungsformen aus Glas ist dies nicht gewährleistet, da ihre traditionelle Produktion, Qualitätssicherung und Befüllung mehrere händische Arbeitsschritte umfasst. Außerdem führte die Bruchgefahr der Behälter zum verstärkten Einsatz von Polyolefinen. Diese können kostengünstig in Mehrfach-Spritzgießwerkzeugen verarbeitet und die Container automatisch befüllt werden. Ganz anders verhält es sich bei der Blasform-, Füll- und Siegeltechnologie (BFS), bei der alle Schritte innerhalb einer Anlage erfolgen. Dies stellt besondere Anforderungen an die Flexibilität und Transparenz der verarbeitbaren Materialien. Polyethylene sind in dieser Hinsicht zwar prädestiniert, stoßen jedoch bei der Sterilisierbarkeit unter Heißdampf bei Temperaturen über 110 °C an ihre Grenzen. Die meisten Polypropylene halten der Sterilisierung in den Autoklaven bei 121 °C zwar stand, sind jedoch für diese Anwendungen zu steif. Deshalb hat Kraiburg TPE ein neues Thermolast M (für ‚medical grade‘) entwickelt, das zusätzlich zu den geforderten Eigenschaften sehr flexibel ist und eine angenehme Haptik besitzt. Das Styrol-Block-Copolymer basierte thermoplastische Elastomer (TPS) wurde im Verarbeitungstechnikum beim BFS-Anlagenbauer Rommelag umfassend erprobt und für aseptische Verpackungen auf voll automatisierten BFS-Anlagen bemustert. Das TPS erfüllt sämtliche Vorschriften in diesem Einsatzbereich, wie die VDI-Richtlinie 2017 für Kunststoffe für Verpackung von Pharmaprodukten, Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika. Weiterhin sind die zum Dosieren und vollständigen Entleeren des Behälters benötigten Kräfte gering.

Tabelle mit Eigenschaftskennwerten eines TPS 85 Shore A für aseptische BFS-Anwendungen.
Eigenschaftskennwerte eines TPS 85 Shore A für aseptische BFS-Anwendungen. (Bild: Kraiburg TPE)

Wie funktioniert das Blasform-, Füll- und Siegelverfahren?

Im ersten Schritt wird das Material zu einer Schlauchfolie extrudiert und der Blasformanlage zugeführt. Dort wird der Schlauch in einem meist mehrere Kavitäten umfassenden Blaswerkzeug zu Vorformlingen umgeformt. Das Werkzeug schließt, quetscht und verschließt den Boden der Vorformlinge, und Dorne bringen sie mittels steriler Blasluft in die gewünschte Behälterform. Zusätzlich kann mit Vakuum gearbeitet werden. Im dritten Schritt wird das flüssige oder halbfeste Medikament in der vordefinierten Menge präzise abgefüllt. Anschließend werden die Dorne zurückgezogen und die Behälter mit ihrem spezifischen Verschlusssystem hermetisch versiegelt. Das Werkzeug öffnet sich, und die fertigen Behälter werden entformt, entnommen oder ausgeworfen. Der gesamte Prozess erfolgt voll automatisiert und aseptisch, ohne Zwischenschritte oder menschliche Eingriffe. Der Logistik-aufwand ist vergleichsweise minimal und Leergebinde, deren Vorhaltung, Entkeimung sowie Zuführung entfallen. Zu den typischen Anwendungen zählen Ampullen und andere kleinvolumige Behälter bis hin zu mittelgroßen Kanistern für eine Vielzahl medizinischer und pharmazeutischer Produkte wie Impfstoffe und Infusionen, Inhalationen und Ophthalmika sowie enterale Wundspül-, Elektrolyt- und Trinklösungen.

Lieniendiagramm. Der Werkstoff besitzt hohe Flexibilität und eine sehr gute Dampfsterilisierbarkeit bei 121 °C.
Der Werkstoff besitzt hohe Flexibilität und eine sehr gute Dampfsterilisierbarkeit bei 121 °C. (Bild: Kraiburg TPE)

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Diese Spezifikationen erfüllt der Werkstoff

Das erstmals auf der Pharmapack 2023 vorgestellte thermoplastische Elastomer setzt auf der bewährten Technologie der Thermolast M-Familie des Materialherstellers auf. Das heißt, es wird in einer eigenen Produktionslinie hergestellt, um die Rohstoffreinheit zu gewährleisten, unterschreitet die marktüblichen Grenzwerte für Schwermetalle und Phthalate und ist frei von Latex und PVC. Das ‚Medical Servicepaket‘ sichert außerdem die langfristige Liefersicherheit im Einklang mit EU- und FDA-Vorschriften. Neben der Übereinstimmung mit VDI 2017 ist auch die physiologische Unbedenklichkeit nach ISO 10993-5 (In vitro-Toxizität) sowie ISO 10993-4 (Hämokompatibilität), ISO 10993-10 (Hautsensibilisierung) und ISO 10993-11 (systemische Toxizität) gesichert. Die typischen physikalischen und mechanischen Kennwerte des Materials sind in der Tabelle aufgeführt. Beim Blasformen stellt sich insbesondere die Frage der Streckbarkeit. Das neue TPS besitzt eine Bruchdehnung im Bereich von 700 bis 850 %, was eine große Bandbreite von Behältergrößen mit einem Fassungsvermögen von bis zu 1.000 ml und mehr ermöglicht. Primär ist das Material allerdings auf kleine Verpackungsformen ab 0,1 ml ausgerichtet. Seine Sterilisierbarkeit in den Autoklaven liegt bei 121 °C/21 min, Formstabilität, Flexibilität und Transparenz bleiben dabei erhalten. Die angenehme Haptik des TPE erhöht auch die Verbraucherakzeptanz in der häuslichen Gesundheitspflege. Aufgrund der Haptik wird ein anderes Verschlusssystem erforderlich sein, da beispielsweise klassische Twist-off-Kappen aufgrund der hohen Elastizität nicht möglich sind. Die generelle Verarbeitbarkeit in bestehenden Werkzeugen bleibt davon allerdings weitgehend unberührt.

Die Prozessschritte des BFS-Verfahrens.
Die Prozessschritte des BFS-Verfahrens. (Bild: Kraiburg TPE)

„Es besteht eine wachsende Nachfrage nach parenteralen Lösungen in leicht zu handhabenden und kosteneffizienten aseptischen Verpackungen.“

Wie die Materialentwicklung ablief

Die Eignung des neuen TPS für aseptische Verpackungen wurde in enger Zusammenarbeit mit industriellen Partnern geprüft und optimiert. Der für ‚harte‘ Kunststoffe aussagefähige Fließindex (MFI) ist dafür jedoch kein geeigneter Indikator. In Kooperation mit Borealis, Wien, Österreich, gelang es, die Formulierung für den BFS-Prozess einzustellen. Neben Extrusions- und Sterilisationsversuchen im eigenen Haus wurde die Verarbeitbarkeit anschließend gemeinsam mit Rommelag, Sulzbach-Laufen, auf einer Bottlepack BFS-Anlage untersucht. Die durchgeführten Tests bestätigten die Verarbeitbarkeit des Materials mit diesem Verfahren.
Der Werkstoffhersteller unterstützt Anwender bei der Feinanpassung des Materials an spezifische Anforderungen. Erste Abmusterungen laufen bereits, und mit einigen Pilotanwendungen wird noch in diesem Jahr gerechnet. Darüber hinaus wird der Werkstoff bereits für Verschlüsse auf Durchstechampullen eingesetzt. Weiterhin ist die Haftfestigkeit zu anderen Verschlusskomponenten aus Polyolefinen und technischen Kunststoffen sehr gut. Die Co-Recycelbarkeit der thermoplastischen Elastomere in bestehenden PP- und HDPE-Abfallströmen ist zertifiziert durch das Cyclos HTP Institut.

Quelle: Kraiburg TPE

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