Eine Rolle mit Hanfbast, die in eine Vorrichtung geklemmt wird. Das Interesse an nachhaltigeren Produkten und Prozessen steigt weiter an, wodurch sich auch für die Kunststofftechnik im Allgemeinen und für Faserverbundkunststoffe im Speziellen neue Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten können.

Das Interesse an nachhaltigeren Produkten und Prozessen steigt weiter an, wodurch sich auch für die Kunststofftechnik im Allgemeinen und für Faserverbundkunststoffe im Speziellen neue Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten können. (Bild: TU Chemnitz)

Das Interesse an nachhaltigeren Produkten und Prozessen steigt. Im Bereich der Verstärkungsfasern, wo Glas- und Kohlenstofffasern am häufigsten Anwendung finden, bieten Naturmaterialien eine Alternative. Bekannte Vertreter hierfür sind Flachs, Hanf und Jute. Naturfasern können eine ähnlich hohe Zugsteifigkeit wie Glasfasern aufweisen. In Tabelle 1 ist der E-Modul verschiedener Naturfasern und von E-Glasfasern aufgeführt [1]. Jedoch gibt es bei Naturfasern durch eine hohe Variation von Faserlängen und -durchmessern eine hohe Streuung der mechanischen Eigenschaften [2] [3]. So ist in der Arbeit von A. Keller [4] der E-Modul von Hanffasern zwischen 30 und 90 GPa angegeben [4]. Als nachwachsender Rohstoff besitzt Hanf einen um 86 % (30 MJ/kg) niedrigeren Energiebedarf für die Faserherstellung im Vergleich zu Glasfasern [5]. Im Vergleich zu Flachs ist Hanf resistenter gegenüber Schädlingen und weniger anspruchsvoll hinsichtlich Boden, Pflege und Klima. Insbesondere ist der Wasserbedarf von Hanf im Vergleich zum Flachs geringer. Zudem werden beim Hanfanbau im Gegensatz zum Flachsanbau keine Pflanzenschutzmittel benötigt, sodass der Hanfanbau grundsätzlich nachhaltiger sein kann [5]. Nach aktuellem Stand wird ein aufwendiges Aufschlussverfahren verwendet, um die einzelnen Hanffasern zu isolieren und anschließend weiterzuverarbeiten [7]. Bei diesem Prozess werden durch verschiedene Brech- und Reißvorgänge die Fasern geschädigt. Ein alternativer Verfahrensablauf zur direkten Verwendung des Hanfbasts nach Ablösen vom holzigen Kern der Pflanze bietet hingegen das Potenzial, faser- und ressourcenschonender zu sein [5]. So wurde in einem Förderprogramm VDI/VDE Innovation + Technik, gefördert durch den Projektträger ZIM-Netzwerkförderung an der Professur Kunststofftechnik der TU Chemnitz, in Zusammenarbeit mit Pinkert Machines untersucht, wie das werkstoffliche und ökologische Potenzial von Hanfbast für die Herstellung lang- beziehungsweise quasi-endlosfaserverstärkter Leichtbaustrukturen mit thermoplastischer Matrix genutzt werden kann.

Tabelle 1: E-Modul verschiedener Fasern.
Tabelle 1: E-Modul verschiedener Fasern. (Bild: TU Chemnitz)

Welches Ziel wurde verfolgt?

Ziel der Arbeit war die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung von Leichtbaustrukturen aus einem Hanfbast-Thermoplast-Verbund. Zunächst wurde der Hanfbast mittels Dampfdruckaufschlussverfahren vom holzigen Kern isoliert. Für die anschließende Weiterverarbeitung war es notwendig, die Hanfbaststreifen endlicher Länge zu einem Endlosstrang zu fügen. Es wurde ein mehrlagiges Gelege aus Fasern und Folie hergestellt, welches anschließend zu einem Organoblech verpresst wurde. Um aus den Organoblechen Profile oder Hohlkörper zu fertigen, wurden diese umgeformt und nach Bedarf miteinander geschweißt.

Wie der Hanfbast gewonnen wurde

Als Faserverstärkung wurde die Rinde des Hanfstängels, welcher ein Jahr dunkel gelagert wurde, auch Hanfbast genannt, eingesetzt. Dieser wurde verwendet, da sich an der Außenseite des Hanfstängels die langen und festen Fasern befinden [8]. Um den Hanfbast verwenden zu können, musste dieser von dem Holzkern isoliert werden. Dazu wurde eine hydrothermische Isolierung genutzt, um den Hanfbast unter Wärme, Feuchtigkeit und Druck (1,8 bar, 115 °C und 30 min) vom Holzkern schonend zu isolieren. Bei einer zu langen Behandlungszeit wurde der Hanfbast geschädigt, die Struktur hat sich aufgelöst. Letzter Schritt der Isolierung war der primärstrukturadäquate Abzug des Hanfbastes vom Holzkern. Um dies schonend und ohne Schädigung der im Hanfbast vorhandenen Hanffasern durchzuführen, wurde dieser mithilfe einer Matrize in spezieller Form unter einer definierten Kraft und einem definierten Winkel abgezogen. Der Hanfbast besitzt eine Zugfestigkeit von 531 N/mm2 +/- 108 N/mm2.

Schematische Darstellung der Prozessschritte zur Herstellung eines Hanfbast-Thermoplast-Verbunds.
Bild 1: Schematische Darstellung der Prozessschritte zur Herstellung eines Hanfbast-Thermoplast-Verbunds. (Bild: TU Chemnitz)

Endlosfügen der Hanfbaststreifen

Für die Herstellung eines Geleges und später eines Organoblechs war es notwendig, die Hanfbaststreifen zu einem Endlosstrang zu fügen. Umfangreiche Fügeversuche haben gezeigt, dass ohne Zusatzwerkstoff nur mithilfe des im Hanf vorhandenen Lignins keine ausreichende Verbindung der einzelnen Baststreifen erzielt wurde. Letztendlich stellte sich das Ultraschallschweißen im Vergleich zum Heizstempelschweißen als das geeignetste Fügeverfahren heraus. Hier wurden geringe Prozesszeiten von circa 3 s erreicht, und eine thermische Schädigung der Hanffasern war bei geeigneter Wahl der Prozessparameter nicht feststellbar. In Bild 2 ist eine Mikroskopieaufnahme aus dem Fügebereich dargestellt. Hier lässt sich eine gute Verbindung zwischen Hanfbast und polymerem Zusatzwerkstoff sowie teilweise eine Umschließung der Faserbündel durch das Polymer erkennen. Der Zusatzwerkstoff kann je nach späterer Anwendung und verwendetem Matrixmaterial angepasst werden, sodass Matrixmaterial und Schweißzusatzwerkstoff das identische Polymer sind. Mit den gefügten Hanfbaststreifen wurden circa 60 % der Höchstzugkraft eines einzelnen Hanfbaststreifens erreicht, dies war eine ausreichende Festigkeit für die Weiterverarbeitung des Endlosstrangs.

Hanfbaststreifen mit PLA und geschweißt mittels Ultraschallschweißverfahren; im Querschnitt betrachtet, Lichtmikroskop.
Bild 2: Hanfbaststreifen mit PLA und geschweißt mittels Ultraschallschweißverfahren; im Querschnitt betrachtet, Lichtmikroskop. (Bild: TU Chemnitz)

So wird das Organoblech hergestellt

Für die Herstellung eines Organoblechs wurde das Thermopressen verwendet. Da der Hanfbast nach dem Auschluss einen zu hohen Restfeuchtegehalt aufwies und sich durch die Trocknung an der Luft zusammenrollen würde, wurde dieser in einer Thermopresse bei 160 °C für 8 min bei 3,4 MPa gepresst. Dieses Vorgehen führte neben der Trocknung des Hanfes zu einer deutlichen Reduzierung in der Dicke, von durchschnittlich 0,3 mm auf circa 0,1 mm, was zu einer besseren Wärmedurchleitung führte sowie zu einer Verbreiterung des Hanfbastes, wodurch weniger Streifen für den Erhalt einer geschlossenen Gelegefläche notwendig waren. Der Hanfbast wurde anschließend in 0,1 mm dicke Polyethylen-Folien eingelegt und zu Lagen in 0 ° sowie 90 ° gepresst. Diese Sheets wurden dann erneut in die Press-Matrize eingelegt, um einen 5-Schicht-Verbund aus drei Sheets in 0 ° Ausrichtung sowie zwei Sheets in 90 ° Ausrichtung zu erzeugen. Nach erneutem Pressen in der Thermopresse konnte ein flächiges Halbzeug entformt werden. Das Organoblech enthielt 30 Gew.-% Hanfbast. In Tabelle 2 sind der E-Modul, die Bruchspannung und -dehnung für den Verbundwerkstoff sowie als Vergleich für ein PP-GF47 in Längs- und Querrichtung aufgeführt.

Ergebnisse für E-Modul, Bruchspannung und -dehnung für Streifenprüfkörper des Verbundwerkstoffs.
Tabelle 2: Ergebnisse für E-Modul, Bruchspannung und -dehnung für Streifenprüfkörper des Verbundwerkstoffs. (Bild: TU Chemnitz)

Matrixmaterial zu Halbschalen umformen

Das Matrixmaterial lässt sich durch Wärmeeinfluss erweichen und umformen. Als Heizelement wurden zwei parallel angeordnete Infrarotstrahler genutzt. Die Platten wurden einzeln unter die Strahler gelegt und so ausgerichtet, dass die äußeren Faserlagen in Strahlerrichtung lagen. Nach 35 s wurde die Platte entfernt und sofort in die nebenstehende Biegevorrichtung gelegt. Mit dieser wurden die Seiten der Platte nach oben gebogen und zu Schenkeln geformt. Die umgeformte Platte blieb für 30 s in dieser Position, damit die soeben entstandene Form beibehalten wurde, während der Kunststoff abkühlte und wieder erstarrte.

Fügen der Halbschalen zu einem Hohlprofil

Um zwei Halbschalen zu einem Hohlprofil zu fügen, wurde das Infrarotschweißverfahren genutzt. Die beiden Halbschalen wurden überlappend gefügt, sodass es zu keiner Faserumlenkung in der Fügeebene kam, wie es bei der sonst üblichen Doppelhutprofilform der Fall ist. Zum Aufbringen des benötigten Fügedrucks wurde ein Silikonballon verwendet. Dieser befand sich im Inneren des Hohlprofils und wurde mit Druckluft gefüllt, um den benötigten Fügedruck aufzubringen. In Bild 3 ist der Prozessablauf schematisch dargestellt. Die Erwärmzeit betrug 22 s und die Füge- und Abkühlzeit lag bei 60 s. Außerdem wurde ein Fügedruck, welcher durch den Silikonballon aufgebracht wurde, von 0,5 bar verwendet. Ein hergestelltes Hohlprofil ist in Bild 4 dargestellt. Die Fügeverbindung des Hohlprofils erreichte die Zugscherfestigkeit der thermoplastischen Matrix. Eine weitere Festigkeitssteigerung darüber hinaus war nicht realisierbar, da die Verstärkungsfasern des Hanfbasts nicht über die Fügeebene hinwegliefen.

Schematischer Prozessablauf in der Draufsicht beim überlappenden Infrarotschweißen von Halbschalen mittels Innendruck und Erwärmung der Überlappflächen mit einem definierten Strahlerabstand 25 mm [10].
Bild 3: Schematischer Prozessablauf in der Draufsicht beim überlappenden Infrarotschweißen von Halbschalen mittels Innendruck und Erwärmung der Überlappflächen mit einem definierten Strahlerabstand 25 mm [10]. (Bild: TU Chemnitz)

Zusammenfassung

Hohlprofil mit 0,5 bar Innendruck geschweißt.
Bild 4: Hohlprofil mit 0,5 bar Innendruck geschweißt. (Bild: TU Chemnitz)

Es wurden verschiedene Prozesse untersucht und durchgeführt, um ein Hohlprofil aus einem Hanfbast-Polyethylen-Verbund herzustellen. Hierfür wurde der Hanfbast zuerst hydrothermisch und schonend von dem Holzkern isoliert. Ein wichtiger Bestandteil in der Prozesskette ist der Fügeprozess. Mithilfe von Kunststoff als Zusatzwerkstoff und geeigneten Fügeparametern konnte mittels Ultraschallschweißen aus den Hanfbaststreifen ein Endlosstrang hergestellt werden, ohne den Hanfbast hierbei thermisch zu schädigen. So war es möglich, den Hanfbast als Endlosstrang auf einer Rolle zu lagern und zu transportieren und später gegebenenfalls einem automatisierten Verarbeitungsprozess zuzuführen. Für die Herstellung des Hohlprofils wurden zunächst Halbzeug-Platten mittels Thermopressen gefertigt. Durch erneutes Erwärmen an den späteren Kanten wurden die Platten zu einem U-Profil gebogen. Schließlich wurden zwei U-Profile per Infrarotschweißverfahren zu einem Hohlprofil gefügt. Somit konnte durch diese Prozesskette ausgehend von Hanfstängeln ein Hanfbast-Polyethylen-Hohlprofil erfolgreich angefertigt werden. Zukünftig sollte die Fügeverbindung optimiert, die Prozesse sollten automatisiert und die Matrix sollte angepasst werden.

Quelle: TU Chemnitz

Literatur

[1]

Steuernagel L.: Neue Ergebnisse der FNR-Nachwuchsgruppe "Naturfasern". http://veranstaltungen.fnr.de/fileadmin/allgemein/images/veranstaltungen/ Nachwuchs-gruppen_2010/Steuernagel_Oberhausen_2010.pdf, 2010. Abruf: 21.06.2023

[2]

Neitzel M.; Mitschang P.; Breuer U.: Handbuch Verbundwerkstoffe - Werksotffe, Verarbeitung, Anwendung 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. München: Carl Hanser Verlag GmbH Co. KG, 2014.

[3]

Fangueiro R.; Rana S.: Natural Fibres: Advances in Science and Technology Towards Industrial Applications. Dordrecht: Springer Science+Business Media B.V. , 2016.

[4]

Keller A.: Biodegradable Hanffaser-Verbundwerkstoffe - Einflüsse der Faserzelle auf strukturelle, mechanische und degradationskinetische Verbundeigenschaften. Dissertation, Technische Hochschule Zürich, 2001.

[5]

Carus M. et. al.: Studie zur Markt- und Konkurrenzsituation bei Naturfasern und Naturfaser-Werkstoffen (Deutschland und EU). Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), 2008.

[6]

Zöphel B.; Kreuter T.: Nachwachsende Rohstoffe (Hanf, Flachs, Salbei und Kamille) - Anbau und Bedeutung für den Lebensraum Acker in Sachsen. Technische Universität Dresden Institut für Botanik, Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie

[7]

Carus M.; Partanen A.: Bioverbundwerkstoffe - Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) und Holz-Polymer-Werkstoffe (WPC).Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), Gülzow-Prüzen, 2019.

[8]

Marquardt S.; Savage L.: Growing Hemp for the Future - A global fiber guide. Textile Exchange, 2023.

[9]

N. N.: Tepex MATERIAL DATA SHEET: Tepex® dynalite 104–RGUD600(x)/47% – Roving Glass – PP Consolidated Composite Laminate. Werkstoffdatenblatt, LANXESS Deutschland GmbH, Köln, 20.10.2023

[10]

Constantinou M.; Gehde M.: Herstellung von Organoblechhohlkörpern mit Überlappverbindungen durch Nutzung des Infrarotschweißens – Prozesseinflüsse und Schweißnahteigenschaften. Joining Plastics, 2019.

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