Herr Kölzig, Ihre biobiasierten UD-Tapes für Leichtbauanwendungen zählten 2022 zu den Gewinnern des Biopolymer Innovation Award. In diesem Jahr wurden Sie zudem mit dem JEC World 2024 Innovation Award ausgezeichnet. Skizzieren Sie bitte kurz für unsere Leser Ihr ausgezeichnetes Produkt Fuse-Tapes.
Kölzig: Unsere UD-Tapes werden aus einheimischen Hanf- oder Leinenfasern hergestellt und sind somit zu 100 Prozent ökologisch und vielseitig anwendbar. Mit Hilfe dieses biobasierten Materials, kommen wir unserem Ziel, den ökologischen Fußabdruck in Composite Produkten drastisch zu reduzieren, ein großes Stück näher. Unsere UD-Tapes bieten hervorragende mechanische Eigenschaften bei geringer Dichte. Sie sind somit eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen faserverstärkten Kunststoffen, die oft aus Glas-, Synthetik- oder Kohlenstofffasern bestehen. Unsere Tapes zeigen qualitativ ähnliche Eigenschaften im Bereich von Steifigkeit wie Halbzeuge aus Glasfaserverbundwerkstoffen auf und können daher in diversen technisch anspruchsvollen Composites eingesetzt werden.
Gibt es zwischenzeitlich Serienanwendungen, für die Ihre Verstärkungsfasern eingesetzt werden?
Kölzig: Die Nachfrage nach unseren Verstärkungsfasern ist groß. Mehrere Produkte sind derzeit in der Entwicklungsphase, und die ersten Ergebnisse sind äußerst positiv. Aktuelle Beispiele gibt es für Kleinserienprodukte wie Ski, Snowboards und Skistöcke, aber auch in Massen-Industrieanwendungen wie Paletten für die Warenlogistik. Diese positiven Resultate bestärken uns in unserer Überzeugung, dass unsere nachhaltigen Lösungen nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch technisch leistungsfähig sind und somit am Markt Fuß fassen können.
Allerdings befinden wir uns immer noch in der Skalierungsphase. Kleinstmengen an Fuse Halbzeugen werden bis jetzt im Technikumsmaßstab produziert und unseren Kunden für Produktentwicklungsversuche zur Verfügung gestellt. Aufträge im größeren Maßstab können voraussichtlich ab Mitte 2024 bearbeitet werden.
Der JEC World 2024 Innovation Award fokussierte sich maßgeblich auf die kooperative Zusammenarbeit verschiedener Akteure der Wertschöpfungskette von der Materialherstellung bis hin zur Produktion neuartiger Innovationen verschiedenster relevanter Märkte, wie Luft- und Raumfahrt, Erneuerbare Energie, Hoch- und Tiefbau oder Sport, Freizeit & Erholung. Mehr dazu lesen Sie auch hier.
Prämiert wurde dabei der Snowboardhersteller und zugleich Fuse-Kooperationspartner Silbaerg aus Chemnitz. In der Kategorie Sport, Freizeit & Erholung konnte Silbaerg den ersten Platz machen. Überzeugen konnte die Jury das "A.L.D.-tech. Hemp Snowboard", das unter Verwendung von Fuse Micro-Tapes hergestellt wurde. Das Tape wird mittels Dry-Fiber-Placement zu A.L.D.-tech. Hemp Preforms verarbeitet und bereits als Standardkomponente in der Serienherstellung des sogenannten Shreddomats verwendet.
Im Gegensatz zu den energie- und ressourcenintensiv hergestellten Glasfasern - welche üblicherweise im Snowboardbau verwendet werden - ist die Herstellung dieses 100 % biobasierten Naturfaser UD-Tapes wesentlich umweltfreundlicher und steht Glasfasern in Sachen Leichtigkeit, Stabilität und Widerstandsfähigkeit in nichts nach.
Welche Branchen interessieren sich für das hanffaserverstärkte Produkt?
Kölzig: Wir sind in Gesprächen mit verschiedenen Branchen. Da handelt es ich zum einen wie eben bereits erwähnt, Unternehmen aus der Sport- und Outdoorindustrie und der Logistik Branche, aber es gibt auch Anfragen aus dem Bereich Mobilität, Holz- und Möbelbau. Großes Interesse erhalten wir außerdem aus dem Bereich der Profilproduktion, um zum Beispiel Rohre und andere Endlosprofile herzustellen.
Herr Kneisel, ich kann mir gut vorstellen, dass Sie zwischenzeitlich weitere Produkte aus den Hanffasern herstellen. Welche sind dies?
Kneisel: Wir haben die Entwicklung von Micro Tapes aufbauend auf der Basistechnologie begonnen und das Produkt bereits ersten potenziellen Produktentwicklern zur Verfügung gestellt. Wir versuchen dadurch außerdem unser Portfolio zu erweitern und mit Kunden erste Anwendungen zu erschließen. Darüber hinaus arbeiten wir an der Entwicklung von Geweben, sogenannte Non Crimp Multixialgelege und Prepregs. Die ersten Ergebnisse dieser neuen Produktentwicklungen sind äußerst vielversprechend. Es besteht bereits ein signifikantes Kundeninteresse und wir sind in fortgeschrittenen Gesprächen für mögliche Anwendungen. Der große Vorteil an unserer Basistechnologie ist ihre Flexibilität; sie ermöglicht es uns, eine Vielzahl von unterschiedlichen Halbzeugen zu entwickeln, die in verschiedenen Branchen und Anwendungen eingesetzt werden können. Dies bestätigt unser Fuse Composite Konzept, nachdem wir auf der Grundlage unserer einen Basistechnologie viele verschiedene Halbzeuge flexibel herstellen können. Eine große Unterstützung sind dabei staatliche Förderprogramme, die es uns erst ermöglichen so viele innovative Entwicklungen an unseren Halbzeugen und der Pilotanlage durchzuführen. Ohne solche Mittel wären wir nicht in der Lage so schnell auf den dynamischen Markt der Naturfaserwerkstoffe zu reagieren und so viel Knowhow zu generieren.
Woher beziehen Sie die stetig steigenden Mengen an Hanffasern?
Kneisel: Für die Herstellung unserer Fuse-Halbzeuge sind homogene und zuverlässige Rohstoffqualitäten erforderlich. Auf Grund unserer konsequenten Ausrichtung auf Hanf als Rohstoffgrundlage konnten wir ein stabiles internationales Sourcingnetzwerk etablieren. Aktuell beziehen wir unsere Hanffasern aus Frankreich, Belgien und Osteuropa. Für die Fuse-Fertigung sollen jedoch mittelfristig Rohstoffe ausschließlich über regionale Lieferungen von Partnern aus Deutschland verwendet werden. Unter dem Label Fuse-Fiber arbeiten wir an einer weiteren Rohstoffdiversifikation, mit dem Ziel zukünftig einen Großteil des von uns benötigten Hanffaserbedarfs durch eigene Produktion zu decken. In diesem Jahr fand im Süden von Leipzig ein erster Feldversuch in Kooperation mit lokalen Verbänden und der Landwirtschaft statt, um zu sehen, welche Hanfpflanzenarten gut in der Region wachsen, und welche die gewünschten homogenen Langfaserqualitäten produzieren können.
Alles zum Thema Biokunststoffe
Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.
Ziehen Sie neben Hanf auch weitere Naturfasern für die Verstärkung in Betracht? Wenn ja, wie sind deren Eigenschaften?
Kneisel: Im Moment fokussieren wir uns auf die Hanf- und Leinenfasern. Diese Bastfasern bieten hervorragende mechanische Eigenschaften und sind daher ideal für unsere Anwendungen. Zusätzlich zu Hanf und Leinen experimentieren wir auch mit Ananasfasern. Diese Faser zeigt besonders im Bereich des Leichtbaus vielversprechende Eigenschaften. Sie ist nicht nur leicht, sondern auch sehr Zugfest. Die Ananasfaser weist eine geringe Dichte auf, was sie ideal für Anwendungen macht, bei denen Gewicht eine entscheidende Rolle spielt. Bei der Ananasfaser haben wir eine andere Businessstrategie im Sinn als beim UD-Tape aus Hanf. Wir werden die Fasern für die Halbzeug-Produktion nicht über globale Lieferketten zu uns nach Deutschland importieren, sondern zielen darauf ab für Regionen mit anderen Rohstoffquellen wie Asien und Afrika, unsere Technologie zu erschließen und perspektivisch vor Ort zu lizensieren, um so einen regionalen Mehrwert für die Akteure vor Ort zu schaffen.
Unsere Basistechnologie ermöglicht es uns eine Vielfalt an Naturfasern in unseren Halbzeugen zu verarbeiten. Das hat den Vorteil, dass wir für spezifische Anwendungen maßgeschneiderte Lösungen entwickeln können. Dadurch können wir die nachhaltige Produktion in verschiedenen Branchen vorantreiben, jeweils mit den lokalen Faserrohstoffen der Zielregion.
Wie ist Ihr Blick in die Zukunft?
Kneisel: Die aktuelle Marktnachfrage lässt erwarten in 3 Jahren die Produktion von 10 Tonnen zum Zeitpunkt des Produktionsstarts unserer Industrieanlage in 2024 auf 80 Tonnen/Jahr zu skalieren. Dabei verfolgen wir das Ziel, Kunden für hochwertige Spezialprodukte in Richtung Großkundenanwendungen, wie beispielsweise in der Mobilitäts- oder Windkraftindustrie, zu erweitern. Langfristig planen wir, die Produktionsauslastung auf 160 Jahrestonnen bis 2028 zu erhöhen.
Vor ein paar Monaten haben Lovis und ich uns einem Skibau-Workshop angeschlossen, um unsere UD-Tapes aus Hanf einmal für den Bau eines Skis zu testen. Diese Erfahrung hat uns wertvolle Einblicke in die Praktikabilität unserer Produkte gegeben. Unsere neu gewonnen Erkenntnisse haben uns dazu veranlasst, unsere Produktentwicklungsstrategien weiter anzupassen und spezielle Versionen unserer UD-Tapes für verschiedene Anwendungen zu entwickeln. Wir planen nun, weitere Tests und Partnerschaften einzugehen, um die Vielseitigkeit und Effizienz unserer Produkte weiter zu erforschen. Neben unserer innovativen, flexiblen und kosteneffizienten Basistechnologie bleibt die individuelle Kundenberatung und kooperative Endproduktentwicklung aus unseren Halbzeugen eins unserer wichtigsten Fokuspunkte für die Zukunft.