Grüne recycelte Plastikflaschen und -schalen. Egal, ob Kunststoff biobasiert oder mechanisch recycelt – die inneren Werte entscheiden.

Egal, ob Kunststoff biobasiert oder mechanisch recycelt – die inneren Werte entscheiden. (Bild: Daunhijauxx – stock.adobe.com)

Im Gespräch mit dem PLASTVERARBEITER betont der Nachhaltigkeitsexperte, dass der Vergleich stark von der Rohstoffbasis der Biokunststoffe abhängt. Dabei können der Anbau und die Nutzung von Agrarflächen zu hohen Wasserverbräuchen führen. Das Joint Research Centre der Europäischen Kommission hebt zudem hervor, dass „biobasiert“ nicht zwangsläufig nachhaltiger ist, insbesondere im Vergleich zu hochwertigem Recycling.

Was sind die Hauptunterschiede der Umweltauswirkungen von biobasierten im Vergleich zu mechanisch recycelten Kunststoffen?

Mann mir kurzen hellbraunen Haaren, Brille und blauem Hemd. Prof. Dr. Henning Wilts.
Prof. Dr. Henning Wilts (Bild: Lubos)

Henning Wilts: Der Vergleich zwischen biobasierten und mechanisch recycelten Kunststoffen ist extrem komplex und hängt speziell davon ab, welche Ausgangsmaterialien für die Biokunststoffe verwendet werden. Hier kann es durch den Anbau zu hohen Wasserverbräuchen und der Nutzung von Agrarflächen kommen; das kann für Reststoffe aus der Agrarproduktion aber ganz anders aussehen. Das Joint Research Centrum der Europäischen Kommission hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass „biobasiert“ nicht zwangsläufig auch nachhaltiger heißen muss – speziell, wenn es um den Vergleich zu hochwertigem Recycling geht.

Wie kann eine umfassende Lebenszyklusanalyse dazu beitragen, die Umweltauswirkungen von biobasierten und mechanisch recycelten Kunststoffen besser zu verstehen?

Wilts: Für den konkreten Anwendungsfall braucht es dann häufig eine umfassende Lebenszyklusanalyse, um die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Optionen tatsächlich abbilden und verstehen zu können. Solche LCAs sollte man allerdings nicht leichtfertig vergleichen – die Ergebnisse hängen immer sehr stark von den getroffenen Annahmen und Systemgrenzen ab; sie könnten aber eine große Hilfe sein, für ein konkretes Produkt oder Unternehmen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Welche Faktoren beeinflussen die Nachhaltigkeit der Rohstoffe, die für biobasierte Kunststoffe verwendet werden?

Wilts: Zentrale Faktoren neben den Ausgangsstoffen sind zum Beispiel auch die Annahmen zu Transportdistanzen (kommt das Ausgangsmaterial wie häufig aus Südamerika oder ist es regional angebaut?), zu den Verwertungsverfahren (wird es separat erfasst, erschwert es eventuell auch den Recyclingprozess), aber natürlich auch zur Effizienz der Herstellung – hier hat man bei den biobasierten Kunststoffen häufig noch sehr kleine Unternehmen, die natürlich nur schwer vergleichbar sind mit den großen Primärkunststoff-Herstellern.

Was halten Sie von biologisch abbaubaren Kunststoffen? Ist es von Vorteil, wenn diese biobasiert sind?

Wilts: Grundsätzlich sind biobasierte Kunststoffe meiner Meinung nach für viele Bereiche ein wichtiger Teil umfassender Lösungen für eine nachhaltige Nutzung von Kunststoffen. Wir müssen mit Sicherheit weg von den klassischen erdölbasierten Kunststoffen; gleichzeitig wird alleine eine Änderung des Ausgangsmaterials nicht ausreichend sein – wir brauchen auch intensive Debatten, wo der Einsatz von Kunststoffen tatsächlich zur Nachhaltigkeit beiträgt und wo es auch ökonomische Anreize zur Vermeidung braucht.

Wie wirken sich gesetzliche Vorschriften und Regulierungen auf die Verwendung von biobasierten und mechanisch recycelten Kunststoffen aus?

Wilts: Viele der gesetzlichen Regulierungen, genauso aber auch Normen und Standards sind noch immer stark auf primäre Kunststoffe ausgelegt und erschweren damit sowohl den Einsatz von biobasierten Kunststoffen als auch von Kunststoffrezyklaten. Zu nennen wären hier beispielsweise unklare Vorgaben, wann ein recycelter Kunststoff aufhört, ein Abfall zu sein und wieder zum Produkt wird. Gleiches gilt auch für Nachweisverfahren und Qualitätsstandards: Natürlich weisen hier sowohl biobasierte als auch recycelte Kunststoffe andere Schwankungen für einzelne Parameter auf – ohne dass das aber notwendigerweise die Qualität des Materials beeinflussen muss. Umgekehrt sehen wir aber, dass die Kommission stark auf das Instrument der Mindestrezyklatquoten setzt, um damit einen Pull-Effekt für Investitionen in Sammlung und hochwertiges Recycling zu setzen.

Welche Fortschritte und Entwicklungen gibt es in der Forschung und Technologie, um die Umweltauswirkungen von Kunststoffen weiter zu reduzieren?

Wilts: Technologisch hat sich das Recycling von Kunststoffen in den letzten Jahren enorm verbessert, speziell mit Blick auf frühere „Problemfelder“ wie Farbe oder Geruch. Technisch ist damit heute schon viel mehr möglich als zum Beispiel die nur circa 15 % Rezyklatanteil bei Kunststoffen in Deutschland. Es fehlt aber an ökonomischen Anreizen und speziell an Planungssicherheit für die notwendigen Investitionen.

Können Sie jeweils ein gelungenes Beispiel nennen für erfolgreiche Initiativen oder Projekte, bei denen biobasierte oder mechanisch recycelte Kunststoffe die Umweltverträglichkeit verbessert haben?

Wilts: Speziell bei Produkten wie der PET-Flasche, die zu sehr hohen Anteilen wieder erfasst und hochwertig recycelt werden können, zeigt sich der Beitrag zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit. Die hochumstrittene Kampagne von Lidl zur „Recyclingflasche“ basiert ja auf einer LCA, die aufzeigt, was man in so einem optimierten System alles erreichen kann. Einen ähnlichen Optimierungsprozess bräuchten wir jetzt für das Thema Mehrweg, dass in einem koordinierten System – davon bin ich zumindest überzeugt – dann auch wieder besser abschneiden würde. Hingegen ist der Einsatz von Rezyklat in Bekleidungstextilien häufig deutlich weniger sinnvoll, wenn die Produkte danach eigentlich nur in Ausnahmefällen nochmal recycelt werden.

Welche Empfehlungen würden Sie Unternehmen oder Organisationen geben, die nachhaltigere Kunststofflösungen in ihren Betriebsabläufen implementieren möchten?

Wilts: Hier braucht es, glaube ich, klare strategische Überlegungen, wo man mit dem Thema Kunststoff hinwill – die Gefahr ist groß, sich hier in aktionistischen Einzelaktivitäten zu verlieren. Die wirklich nachhaltigen Lösungen brauchen dann häufig auch angepasste Geschäftsmodelle, neue Kooperationsformen mit den Partnern in der Lieferkette und Investitionen mit entsprechenden Amortisationszeiträumen. Erst wenn man sich klare Ziele gesetzt hat, lässt sich eigentlich erst sinnvoll entscheiden, in welche Richtung man gehen will: mehr Rezyklat, recyclingfreundlicheres Design, biobasierte Kunststoffe oder ganz andere Materialalternativen. Hier gibt es keine Patentlösungen, und wer ambitionierte Klimaziele verfolgt, kommt zu anderen Lösungen als ein Unternehmen, das Plastikeinträge in die Umwelt reduzieren will – beides sind aber völlig nachvollziehbare Ziele, die sich Unternehmen setzen könnten.

Quelle: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

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Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

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