Schaubild mit vier Pfeilen in einem Kreis, daneben ein Mann mit einer Lupe in der einen und einer Aktentasche in der anderen Hand. Wie stark beeinflussen Krisen und geopolitische Herausforderungen den Markt für Composites?

Wie stark beeinflussen Krisen und geopolitische Herausforderungen den Markt für Composites? (Bild: stock.adobe.com - Nuthawut)

Wie auch die Corona-Pandemie beeinflusst nun auch der Ukraine-Krieg die Industrie und viele Wirtschaftsbereiche. Das spiegelt sich in den hohen Rohstoff-, Energie- und Logistikpreisen wider. Spuren hat das auch an den Märkten für faserverstärkte Kunststoffe hinterlassen. Zwar stieg das Gesamtvolumen am Weltmarkt für Composites 2022, die Produktionsmenge auf europäischem Boden ging jedoch leicht zurück. Am Markt herrschen viele Unsicherheitsfaktoren, die die Marktdynamik befeuern. Das zeigen die folgenden Daten zur aktuellen Marktlage von der AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe.

Wie sich der Composites-Markt im Gesamten entwickelt hat

Das Volumen des weltweiten Composites-Marktes betrug laut aktueller Zahlen der JEC im Jahr 2022 insgesamt 12,7 Mio. t. Im Vergleich zu 2021 mit einem Volumen von 12,1 Mio. t lag das Wachstum demnach bei etwa 5 %. Im Vergleich dazu ist im Jahr 2022 die europäische Composites-Produktionsmenge um 6,1 % zurückgegangen. Der gesamte europäische Markt umfasst damit ein Volumen von 2.781 kt nach 2.962 kt in 2021. Der Marktanteil von Europa am Weltmarkt liegt derzeit bei etwa 22 %. Ähnlich hoch ist der Marktanteil für Amerika. Asien steht mittlerweile für 50 % des Weltmarktes. Wie auch in den vergangenen Jahren ist die Entwicklung innerhalb Europas nicht einheitlich. Zurückzuführen ist dies laut den Marktexperten auf regional sehr unterschiedliche Kernmärkte, die hohe Variabilität der verarbeiteten Materialien, ein breites Spektrum unterschiedlicher Herstellungsverfahren sowie sich stark unterscheidende Einsatzgebiete. Es zeigen sich dementsprechend regional, vor allem aber hinsichtlich der einzelnen Verfahren unterschiedliche Entwicklungen, wenngleich es in diesem Jahr in allen Regionen und bei fast allen Verfahren Rückgänge gibt. Nur für die CFRTP- und die CFK-Materialien gab es ein Wachstum. Der mengenmäßig größte Teil der gesamten Composites-Produktion fließt in den Transportbereich, der über 50 % des Marktvolumens ausmacht. Die beiden nächstgrößeren Bereiche sind Bau und Infrastruktur sowie der Elektro-/Elektronikbereich. Der Transportbereich umfasst dabei sowohl die Pkw-Produktion, aber auch den Bereich Nutzfahrzeuge, die Luftfahrt, ÖPNV und weitere. In den Bereich Bau/Infrastruktur fallen Rohrleitungen, Behälter, Tanks oder auch Profile. Der Bereich Elektro/Elektronik umfasst beispielsweise Schalter, Gehäuse, Telekommunikationseinrichtungen oder Schaltschränke.

Tortendiagramm: Gesamter Composites-Markt nach Anwendungsbereichen 2022 (in %; ohne CFK).
Gesamter Composites-Markt nach Anwendungsbereichen 2022 (in %; ohne CFK). (Bild: AVK)

Was tut sich bei den duroplastischen Composites?

Die gesamte Herstellungsmenge duroplastischer Composites (ohne CFK) betrug 2022 1.138 kt, nach 1.250 kt im Vorjahr. Damit lag der Anteil dieser Materialgruppe den Angaben zufolge bei 41,8 % des Gesamtmarktes in Europa. Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich ein leichter Rückgang des Marktanteils im Gegensatz zu den thermoplastischen Systemen von 1,2 % gegenüber 2021. Die beiden Hauptanwendungsgebiete für duroplastische Composites bleiben der Bau-/Infrastrukturbereich sowie der Transportbereich.  Nachdem bis 2019 noch der Transportbereich das größte Anwendungssegment für die GFK-Industrie (im Folgenden Bezeichnung für alle lang- und endlosfaserverstärkten duroplastischen und thermoplastischen Composites) war, zeigt sich mittlerweile eine klare, zunehmende Verschiebung hin zum Bereich Bau und Infrastruktur. Diese setzte sich auch in 2022 fort. Bereits seit vielen Jahren wird der Thermoplast-Markt hingegen dominiert von Anwendungen im Transportbereich, hier vor allem bei Pkw und Nutzfahrzeugen.

Grafik: Europäische Composites-Marktentwicklung (kt).
Europäische Composites-Marktentwicklung (kt). (Bild: AVK)

Thermoplastische Composites leicht rückläufig

Der Markt für thermoplastische Composites umfasste in Europa im Jahr 2022 ein Gesamtvolumen von 1.586 kt, nach 1.660 kt im Vorjahr (Quelle: AMAC). Dennoch ist der Rückgang geringer als bei den duroplastischen Systemen. Der Marktanteil dieser Systeme am europäischen Gesamtmarkt stieg auf 58,2 % nach 57 % in 2021. Die größte Materialgruppe innerhalb der thermoplastischen Composites, aber auch im Gesamtmarkt, sind dabei die kurzfaserverstärkten Kunststoffe. Hauptanwendungsgebiet für thermoplastische Composites ist mit mehr als zwei Dritteln des Marktes der Transportbereich. Innerhalb dieses Segmentes dominieren der Pkw- und Nutzfahrzeugbereich. Zusammen mit Anwendungen für Elektro-/Elektronik-Anwendungen ergibt sich für das Jahr 2022 ein Marktanteil von 90 %. Seit Beginn der Erhebung 2011, und trotz der zahlreichen Herausforderungen legte das Marktsegment insgesamt um mehr als 30 % zu. Erwähnenswert ist in diesem Kontext die starke Zunahme innerhalb dieses Marktsegmentes trotz eines starken Rückgangs der Pkw-Zulassungszahlen. Die Produktion und somit auch der Verkauf von Volumenmodellen wurden dabei vielfach zugunsten der höherpreisigen, margenstarken Modelle zurückgefahren. Ein ähnliches Bild zeigt sich für 2022 auch im Bereich der Nutzfahrzeuge. Erklärbar wird die starke Zunahme über die vergangenen Jahre und der relativ geringe Rückgang im Jahr 2022 im Bereich thermoplastischer Composites also nur durch einen verstärkten Einsatz von Composites in diesem Segment. Dabei ist neben entsprechenden Designänderungen und der Umstellung von Bauteilen/Bauteilgruppen auch eine stärkere Substitution bestehender Materialien durch Composites denkbar, wie es heißt.

Tortendiagramm: Europäischer Composites-Markt nach Regionen.
Europäischer Composites-Markt nach Regionen. (Bild: AVK)

Regionale Märkte im Fokus

Die zugrunde liegenden Daten beinhalten alle lang- und endlosfaserverstärkten duroplastischen Materialien. Die Thermoplaste fließen in die regionale Betrachtung nicht mit ein, da eine regionale Aufteilung dieser Materialmengen derzeit nicht vorliegt. Die prozentuale Verteilung nach regionalen Schwerpunkten hat sich in 2022 gegenüber 2021 kaum verändert. Der deutsche Duroplast-Markt erreichte im Jahr 2022 ein Volumen von 222 kt. Mit einem Anteil von 19,5 % ist Deutschland damit, wie auch in den Vorbetrachtungen, der derzeit größte Markt innerhalb der erfassten Regionen. An zweiter Stelle folgen die osteuropäischen Länder mit einem Marktanteil von 18,8 % und einem Volumen von 214 kt. Mit einer Verarbeitungsmenge von 166 kt bilden Spanien/Portugal die drittgrößte Gruppe. Der Marktanteil liegt bei 14,6 %. Nur knapp hinter Spanien/Portugal gliedert sich Italien ein, mit einem Marktanteil von 14,2 % und einer Composites-Verarbeitungsmenge von 162 kt. Diese vier Regionen stehen zusammen für zwei Drittel des europäischen Composites-Marktes. Als nächstgrößere Verarbeitungsregion innerhalb Europas folgt UK/Irland mit einem Marktanteil von 13,2 % und einem Volumen von 150 kt. Frankreich liegt mit einem Marktanteil von 10,4 % und einer damit verbundenen Produktionsmenge von 118 kt bereits deutlich dahinter. Neben den bisher behandelten Materialgruppen bilden die kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe (CFK) sowie die naturfaserverstärkten Kunststoffe (NFK) die mengenmäßig bedeutendsten Materialgruppen. Das CFK-Marktvolumen entwickelte sich in 2022 sehr dynamisch. Das Wachstum gegenüber 2021 lag bei 9,6 %. Das Gesamtvolumen in Europa stieg auf 57.000 t. Für die NFK sind laut Marktdaten derzeit keine neuen Informationen verfügbar.

Was verheißt die Zukunft?

Für die Composites-Industrie sind der Transportbereich und der Infrastruktur-/Baubereich die wichtigsten Abnehmer. Gemeinsam machen diese beiden Bereiche mehr als 70 % des Marktvolumens aus. Die Entwicklung war in diesen Kernmärkten sehr unterschiedlich. Auf die starken Rückgänge bei Neuzulassungen im Pkw- und Nutzfahrzeugbereich in 2022, die im geringsten Wert seit 30 Jahren resultierten, wurde bereits eingegangen. Der Baubereich als zweitgrößtes Anwendungssegment hat sich in der Krise vielfach als robust erwiesen, wenngleich in den vergangenen Monaten ein leichter Rückgang der Bauaktivitäten zu verzeichnen ist. Optimistisch stimmt auch die Beschäftigungssituation, die ja maßgeblichen Einfluss auch auf den privaten Konsum hat. Die Erwerbslosenquote liegt im EU-Durchschnitt zu Beginn 2023 so niedrig wie seit vielen Jahren nicht mehr. Es spricht vieles dafür, dass sich die grundsätzlich positive Entwicklung der vergangenen Jahre auch weiterhin fortsetzen kann. Die strukturellen Änderungen im Mobilitätsbereich eröffnen Composites mittelfristig vielfach die Möglichkeit, auch in neuen Anwendungen Fuß zu fassen. Große Potenziale für Composites bietet auch der Bau- und Infrastrukturbereich. Langlebigkeit bei nahezu wartungsfreiem Einsatz und die Möglichkeit zur Umsetzung entsprechender Leichtbaukonzepte sowie oftmals ein positiver Einfluss im Hinblick auf die Nachhaltigkeit sprechen klar für den Einsatz der Materialien. Dies wird auch von der Composites-Industrie selbst so gesehen. Für den Composites-Index, der halbjährlich von Composites Germany erfasst wird, werden alle Mitgliedsunternehmen der Trägerverbände von Composites Germany (AVK und Composites United sowie der assoziierte Partner VDMA) hinsichtlich ihrer qualitativen Markteinschätzung befragt. Die Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Situation wird dabei kritisch gesehen, die Erwartungen an die Zukunft aber drehen deutlich ins Positive.

Quelle: AVK

Zwei Grafiken: Erwartungen der Industrie – Composites Development Index.
Erwartungen der Industrie – Composites Development Index. (Bild: AVK)

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