Update vom 26.05.23: Wohnungsbau: Erneut weniger Baugenehmigungen
Da die Bauindustrie einer der wichtigsten Nachfrager nach Kunststoffprodukten ist, rücken wir sie immer mal wieder besonders ins Blickfeld. Nicht nur Baubedarfsartikel werden für diesen Sektor produziert, sondern auch Halbzeuge (Platten, Rohre, Folien, Profile), Technische Teile (zum Beispiel für Haustechnik, Heizungen), Konsumwaren (Einrichtungsgegenstände), ja sogar „Verpackungsmittel“ (Tanks). In den letzten Jahren war die Bauindustrie ein verlässlicher Stützpfeiler der Kunststoffwarenproduktion. Das hat sich im Laufe des Jahres 2022 geändert. Seit August geht die Zahl der Baugenehmigungen immer stärker zurück. Auch im März 2023 wurden mit knapp 21.000 Einheiten wieder deutlich weniger Baugenehmigungen erteilt als im Vorjahresmonat. Das Minus beläuft sich auf 9.500 Wohnungen oder -31,3 %. Das ist der bisher stärkste Rückgang in einem Monat. Nimmt man das erste Quartal, dann wurden im Schnitt der drei Monate jeweils nur knapp 20.000 Wohnungen pro Monat genehmigt, ein Minus von -26 % gegenüber dem ersten Quartal 2022. Bleibt es dabei, dann werden im Jahr 2023 wohl weniger als 240.000 Baugenehmigungen erteilt werden. Da nicht alle genehmigte Bauvorhaben realisiert werden, könnte es also sein, dass man bei den Wohnungsfertigstellungen noch einmal deutlich unter der Zahl der Baugenehmigung verbleibt. 2022 wurden noch im Schnitt monatlich über 25.000 Baugenehmigungen erteilt, das heißt aufs Jahr gerechnet insgesamt knapp 305.000. 289.000 Wohnungen wurden tatsächlich realisiert. Genehmigt werden können nur Wohnungen, für die ein Bauantrag gestellt wurde. Die Genehmigungsdauer entscheidet darüber, wann ein Baubescheid ergeht. Wie lange eine Baugenehmigung dauert, ist unbekannt, aber man kann von mehreren Monaten ausgehen. Von daher ist wohl damit zu rechnen, dass so schnell keine Besserung bei den Baugenehmigungen eintritt. Die Bauanträge, die sich in den nächsten Monaten in Baugenehmigungen niederschlagen können, sind wohl schon längst gestellt. Und pünktlich mit den Zinserhöhungen und der durch Diskussionen um neue Klimaschutzvorschriften ausgelöste Unsicherheit hat die Bautätigkeit auf Sparflamme geschaltet.
Update vom 17.05.23: Warum leidet die Kunststoffverarbeitung so sehr? Ein Beispiel
Wer wissen möchte, warum die Kunststoffverarbeitung in den letzten drei Jahren so viel an Produktionseinbußen hinnehmen musste, insbesondere die Hersteller von Technischen Teilen, braucht sich nur einmal die Produktion von Pkws anschauen. Gerade verfügbar geworden sind die Daten für das erste Quartal 2023. In den ersten drei Monaten des neuen Jahres wurden knapp 700.000 Pkw hergestellt. Keinen Vergleich zu den über 1,1 Mio. im ersten Quartal 2019. Seither ging es bergab. Vom ersten Lockdown mit einem über 60%igen Einbruch erholte sich die Produktion nur wenig, im Laufe des Jahres 2021 ging sie dann wieder zurück. Der neuerliche Tiefpunkt wurde im zweiten Halbjahr 2021 erreicht, mit einer Quartalsproduktion von wenig mehr als 400.000 Stück. Im Jahr 2022 schaffte man im Schnitt wieder 550.000 Einheiten im Quartal. Über die Gründe für die anhaltende Schwäche der Produktion wollen wir hier nicht schreiben. Aber eines ist klar: Die Rekorde der Vergangenheit bleiben vermutlich nur eine Erinnerung an bessere Zeiten. Nichts spricht dafür, dass diese bald wieder erreicht werden könnten. Und wenig, dass alte Produktionsrekorde überhaupt jemals wiederkehren.
Umsatz rauf, Menge runter
2022 ist der Produktionswert der Kunststoffwaren ähnlich stark wie im Vorjahr (+12,7 %) um 10,1 % auf 68,4 Mrd. Euro gestiegen. Was auf den ersten Blick Freudensprünge auslösen könnte, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Trugschluss: Die Produktion ist real um -3,0 % gesunken, der Wertzuwachs also allein auf die auf über 13 % gesprungene Erzeugerpreisinflation zurückzuführen, ein vorher nie dagewesener Vorgang. Praktisch alle Kostenfaktoren (Rohstoffe, Arbeit, Energie und Logistik) haben diese Preiserhöhungswelle ausgelöst und nötig gemacht, ohne dass dabei die Kostenerhöhungen völlig weitergegeben werden konnten, sprich die Gewinnsituation sich massiv verschlechtert hat.
Über ein Jahr Flaute
Seit dem vierten Quartal 2021 ist die Produktion real zurückgegangen oder hat stagniert. Produktionswerte sind trotzdem weiter gestiegen. Beginnend im ersten Quartal 2021 waren die Produktionswerte jeweils stärker als die Produktion geklettert. Die Erzeugerpreisinflation hält nun schon zwei Jahre lang an, also lange bevor der Ukrainekrieg begonnen hatte, der gemeinhin als Wurzel allen Übels herhalten und die wahren Ursachen des Preisdrucks verschleiern helfen soll. Was wird künftig stärker sein: Die preisdämpfende Wirkung schwacher Nachfrage oder die preistreibende Wirkung von Energieverknappung und -verteuerung und Rohstoff- und Vorproduktknappheit?
Preisexplosion trotz Nachfrageschwäche
Real betrachtet sehen wir, dass die baunahen Bereiche Halbzeuge (Rohre, Profile, Platten, Folien) und Baubedarfsartikel deutliche Produktionsrückgänge erleiden, während die Produktionswerte stark steigen. Henne oder Ei? Lässt die Preisexplosion die Nachfrage einbrechen oder lassen die Einbrüche die Stückkosten weiter steigen? Sondersituation bei Technischen Teilen und Konsumwaren: Dort steigt die Produktion minimal. Notwendig nach den starken Einbrüchen der Vergangenheit. Vor allem Technische Teile erleben nach den Einbrüchen der Vergangenheit wieder eine leichte Erholung.
Produktionswerte steigen – noch
Seit dem zweiten Halbjahr 2021 stiegen die Produktionswerte in fast allen Teilsegmenten, meist zweistellig. Überwiegend gehen die Zuwächse mit der Zeit zurück, aber bleiben vergleichsweise hoch. Bei Halbzeugen verzeichnen wir im vierten Quartal allerdings eine „Rote Null“. Auch Baubedarfsartikel haben ihren alten Glanz eingebüßt. Bei Technischen Teilen und Konsumwaren legen die Produktionswerte im Jahresverlauf bis zum dritten Quartal immer stärker zu, im vierten Quartal hat sich der Zuwachs aber verlangsamt. Notwendige Preisanpassungen sind wieder schwerer durchzusetzen.
Technische Teile vs. Konsumwaren
In der Branchenstatistik können wir Technische Teile und Konsumwaren nicht trennen und müssen sie unter „sonstigen Kunststoffwaren“ gemeinsam ausweisen. In der Warenproduktion ist die Trennung jedoch möglich. Es zeigen sich deutliche Unterschiede: Konsumprodukte schwächeln angesichts von Kaufkraftschwund durch Inflation, Technische Teile retten die Produktionsbilanz. Vorher bremste der Mangel an Zulieferteilen, auch wachsende E-Mobilität forderte ihren Tribut. Nun erholt sich die Produktion etwas von ihrem Tief, aber hat immer noch einen gewaltigen Rückstand im Vergleich zu 2018 (Vorkrisenjahr).