Scaffold aus dem 3D-Drucker

Aus dem Kompositmaterial druckt ein 3D-Drucker das Scaffold im Technikum. (Bild: Bellaseno)

Scaffold im Röhrenknochen
Das Scaffold im Projekt Scabaego lässt sich auf alle großen Röhrenknochen individuell anpassen. Die Anpassung erfolgt auf Basis eines CT des Knochens durch additiven 3D-Druck. (Bild: Fraunhofer IFAM)

Ungefähr 800.000 Knochenbrüche werden in Deutschland pro Jahr im Krankenhaus behandelt. Bei bis zu 10 % der Fälle gibt es nach der Behandlung Komplikationen. Der Knochen heilt nicht richtig, und es kommt zu schmerzhaften Pseudoarthrosen, die eine Belastung des Knochens unmöglich machen. Für die Patientinnen und Patienten ist oftmals ein weiterer Krankenhausaufenthalt mit einer Nachoperation und Langzeitbehandlung erforderlich. Kliniken müssen sich auf aufwendige und kostenintensive Therapien einstellen.

Das Fraunhofer IFAM in Bremen stellt nun im Verbundprojekt Scabaego (Scaffold bioactive glass enhanced osteogenesis) eine ebenso elegante wie effektive Lösung vor. Projektziel ist es, die Arbeitshypothese zu prüfen, dass der Einsatz bioaktiver Materialien bei der Operation den Heilungsprozess unterstützt und das Risiko von Infektionen senkt. Als Partner beteiligt sind die Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg und Bellaseno, ein Medizintechnikspezialist aus Leipzig.

Die Forscher am Fraunhofer IFAM haben ein Kompositmaterial aus dem biologisch abbaubaren Polymer Polycaprolacton (PCL) und bioaktivem Glas entwickelt. Daraus entsteht in additivem 3D-Druck ein individuell angepasstes Stütz- und Leitgerüst für die Bruchstelle im Knochen, das sogenannte Scaffold. Zuvor werden die Strukturen des beschädigten Knochens mittels Computertomografie (CT) erfasst. Das passgenaue Gerüst ersetzt das fehlende Knochenstück. Dieses wird dann mit Knochenmark gefüllt, das zuvor aus dem Beckenkamm oder dem Markraum großer Röhrenknochen entnommen wurde. Hierdurch ist gewährleistet, dass dieses biologische Knochenersatzmaterial (Autologous Bone Graft, ABG) zuverlässig und sicher an der gewünschten Stelle einheilt.

Bioaktives Scaffold wird zu Knochen

Vom PCL zum Komposit
Vom PCL (links) zum Komposit (rechts) gefüllt mit bioaktivem Glas (mittig). (Bild: Fraunhofer IFAM)

Das innovative Medizinprodukt bietet weitere Vorteile. "Das bioaktive Glas im Scaffold hebt den pH-Wert des umgebenden Milieus in den basischen Bereich. Die hierdurch erwartete Hemmung des Wachstums von Bakterien wollen wir als nächstes untersuchen", erklärt Dr. Kai Borcherding, Geschäftsfeldleiter Medizintechnik und Life Sciences am Fraunhofer IFAM. Die Forscher erwarten, dass dadurch das Risiko von Infektionen nach der Operation deutlich sinkt.

Darüber hinaus fördert bioaktives Glas die Neubildung von Knochensubstanz an der Bruchstelle. Denn in Kontakt mit Körperflüssigkeiten wandelt sich das Glas in Hydroxylapatit um, eine chemische Verbindung, die hauptsächlich aus Calciumphosphat besteht, einer knochennahen Substanz. "Mit bioaktivem Glas können die klinisch relevanten Probleme adressiert werden – Hemmung des bakteriellen Wachstums und wirksame Unterstützung der Knochenheilung. Nach sechs oder sieben Jahren ist auch das Scaffold vollständig abgebaut beziehungsweise in Knochensubstanz umgewandelt", sagt der Unfallchirurg PD Dr. Tobias Großner, Oberarzt und Leiter der Experimentellen Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg.

Das bioaktive Glas wird bereits für die Behandlung von Knochendefekten eingesetzt. Neu ist jedoch die Kombination mit PCL im Industriemaßstab. Den Fraunhofer-Forschenden ist es gelungen, Glas und PCL zu einem Kompositmaterial zu verbinden, welches direkt in der additiven Fertigung einsetzbar ist. So sind insbesondere patientenindividuelle 3D-Scaffolds realisierbar. Die Herstellung des Kompositmaterials ist einfach und schnell industriell anwendbar. "Das Polymer PCL wird mit dem Glasgranulat und einem Lösungsmittel gemischt und anschließend über mehrere Stufen prozessiert. Abschließend wird das Lösungsmittel durch Trocknung entzogen und das zurückbleibende Komposit fein granuliert", erklärt Borcherding.

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Passgenaue Stützstruktur für bessere Heilung

Aus diesem Material druckt der Projektpartner Bellaseno das Scaffold im 3D-Drucker. "Wir nutzen ein additives 3D-Druckverfahren. Damit können wir das Scaffold individuell und passgenau für die Fehlstelle im Knochen einer Patientin oder eines Patienten fertigen", sagt Bellaseno-Geschäftsführer und Projektkoordinator Dr. Mohit Chhaya. Im Vorfeld wird ein CT des beschädigten Knochens erstellt. Daraus entsteht ein dreidimensionales virtuelles Abbild des Knochens. Mit diesen Daten lässt sich der 3D-Drucker so ansteuern, dass das Scaffold exakt zum Knochen passt.

Gegenüber herkömmlichen Verfahren soll das neuartige Kompositmaterial einen bedeutenden Fortschritt bei der Behandlung ermöglichen. Bisher wurde die Bruchstelle in einer ersten Operation mit einem Knochenzement versehen. Der menschliche Organismus nimmt den Zement als Fremdkörper wahr und umhüllt ihn durch eine neue Knochenhaut (Masquelet-Membran). Dieser Prozess dauert bis zu zwei Monate. Anschließend muss der Patient wieder in den Operationssaal. Dort schneidet der Chirurg die Knochenhaut auf, entfernt den Zement, füllt die an anderer Stelle entnommene autologe Knochensubstanz ein und vernäht die Knochenhaut wieder. Bisher gab es nur eingeschränkte Möglichkeiten, die weiche Knochensubstanz sicher zu verankern und so eine ungestörte Heilung zu erreichen. Das Scaffold gibt in Verbindung mit einer Platte oder Nagel der weichen Knochensubstanz den nötigen Halt, bis der Knochen geheilt ist.

Das Forscherteam des Scabaego-Projekts ist gerade dabei, das Konzept gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg mit präklinischen Tests in vitro und in vivo weiter zu erproben. Parallel dazu soll die Rezeptur des Komposits optimiert werden. Der mögliche Anteil von bioaktivem Glas im Scaffold liegt bereits zwischen 10 und 30 %.

Quelle: Fraunhofer IFAM

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