Pipettierprozesse sind im Labor allgegenwärtig. Sie finden sich in der Probenpräparation, beim Erstellen von Verdünnungsreihen, bei der Zubereitung von Standards und beim Hinzufügen von Reagenzien. Die Pipette (frz. Diminutiv von pipe „Pfeife“) auch Saugröhre, Saugheber oder Stechheber genannt, war in der klassischen Form ein Glasröhrchen, das an der Spitze verengt ist und am anderen Ende entweder offen oder durch einen aufgesetzten, dickwandigen Gummiballon (Peleusball) verschlossen ist. Heute sind diese vor allem im medizinischen Bereich meist als Wegwerfartikel aus Kunststoff ausgeführt.
Wiederholgenau muss der Spritzprozess sein
In Laboren, in denen Daten zur Diagnose von Erkrankungen, zur Patientenbehandlung und zum Entwickeln neuer Wirkstoffe verwendet werden, müssen Unsicherheiten in engen Toleranzen bleiben. So muss für qualitativ hochwertige Laborergebnisse die Funktion von Pipetten schon bei ihrer Fertigung sichergestellt werden. Auch die entsprechenden Pipettenspitzen sollten so konstruiert werden, dass ein Höchstmaß an Präzision, Genauigkeit und Reproduzierbarkeit erreicht wird. Deshalb bedarf es für ein prozesssicheres Herstellen von Pipetten neben der genauen Einhaltung der entsprechenden Werkzeugtoleranzen auch einen exakten und wiederholgenauen Spritzprozess. Bereits ein zu hoher Kernversatz hat beispielsweise zur Folge, dass die sehr kleine Bohrung am Ende der Pipette nicht mehr im Zentrum liegt und die Flüssigkeit während des Gebrauchs der Pipette nicht definiert abfließen kann. Gleichzeitig ist die Reproduzierbarkeit des Füllvorgangs die wichtigste Grundlage einer hohen Gewichtsstabilität. Die Toleranz des Schussgewichtes ist ein gutes Maß für die Wiederholgenauigkeit des gesamten Spritzprozesses. Günther Heisskanaltechnik, Frankenberg, hat mit der Mehrfachdüse Oktaflow zur seitlichen Anspritzung eine effiziente Lösung für neue Werkzeugkonzepte entwickelt. Sie eignen sich in Verbindung mit einer beheizten Aufnahme oder in Verbindung mit einem Verteiler sehr gut für hochfachige Spritzgusswerkzeuge oder Kavitäten mit geringen Nestabständen.
Deshalb ist auf die Anschnittkosmetik zu achten
Neben dem für die Massenfertigung geforderten hohen Ausstoß mit maximaler Werkzeugverfügbarkeit und dementsprechend minimalen Stillstandzeiten für Routinewartungen gehören eine hohe Wiederholgenauigkeit sowie eine perfekte Anschnittkosmetik zu den Anforderungen in der Pipettenfertigung. Für eine sehr gute Werkzeugperformance ist die Auswahl der geeigneten Heißkanalkomponenten ebenso entscheidend wie eine wartungsoptimierte Werkzeugauslegung. Für ein leistungsstarkes 64-fach Pipetten-Präzisionswerkzeug eines Schweizer Medizintechnik-Herstellers empfahl sich eine seitliche Direktanspritzung mit der Mehrfachdüse Oktaflow in radialer Ausführung mit verlängerten Spitzen. Bei hülsenförmigen Bauteilen wie Pipetten, Spritzen, Kappen, Kanülen, Röhren oder technischen Komponenten ist eine seitliche Anspritzung von Vorteil. Für diese Einsätze hat der Heißkanalhersteller die Oktaflow-Düsen entwickelt. Bei dieser wirtschaftlichen Lösung entfallen Anguss oder kalte Pfropfen. Kalte Pfropfen führen in der Regel dazu, dass der Schmelzefluss durch einen oder mehrere Anschnitte zunächst blockiert oder beschränkt wird und sich dann während des Einspritzens löst. Dabei werden alle Kavitäten gefüllt, jedoch unter verschiedenen Bedingungen. Solche Pfropfen sind stark von der Gestaltung der Düsenspitze abhängig und treten häufig bei teilkristallinen Materialien auf. Je kleiner die Öffnung an der Düsenspitze ist, desto eher friert die Schmelze dort ein und bildet diesen kleinen kalten Pfropfen, der zu Unregelmäßigkeiten bei der Düsenöffnung führen kann. Bei der Konstruktion der Oktaflow-Düsenspitze hat der Heißkanalhersteller ein besonderes Augenmerk auf diese Problematik gelegt, sodass sie ausgeschlossen werden konnte.
Erfolgreich nahezu ab dem ersten Schuss
Verarbeitet werden sollte mit dem 64-fach Pipetten-Präzisionswerkzeug Polypropylen (PP). Die besonderen Eigenschaften von Polypropylen führen zu einem außerordentlich weiten Einsatzgebiet. Viele medizinische Produkte werden aus Polypropylen hergestellt oder enthalten Bestandteile aus PP. Beispiele dafür sind verschiedene Wegwerfartikel (Disposals) wie Spritzen, Masken oder Spatel, medizinisches Nahtmaterial, Membrane oder medizinische Verpackungen. Aber auch in der Corona-Pandemie kamen sehr dünne Polypropylen-Fasern als Gewebematerial für partikelfilternde Atemschutzmasken (FFP-Masken) und medizinischen OP-Masken zum Einsatz. Die Mehrfachdüse aus Frankenberg ermöglicht einen kostengünstigen, kompakten Werkzeugaufbau mit ungeteilten Einsätzen. Zum Verarbeiten von gefüllten Materialien, welche häufig in der Medizintechnik vorkommen, können die Düsenspitzen auch verschleißgeschützt ausgeführt werden. Dies war im Falle des 64-fach Pipetten-Werkzeuges jedoch nicht notwendig. Das Schussgewicht für die Pipettenspitzen lag pro Düse bei 9,76 g, was pro Spitze 1,22 g (1,075 cm³) entsprach. Der Teilkreis-Durchmesser betrug 54,742 mm und der Anspritzpunktdurchmesser wurde jedoch entgegen einer ersten Auslegung mit 0,6 mm gewählt. Für die erste Bemusterung wurde eine Werkzeugtemperatur von rund 70 °C gewählt. Die Verarbeitungstemperatur wurde nach der ersten Musterung auf 230 °C eingestellt, da bei der Starttemperatur von 250 °C ein leichter Materialaustritt am Anspritzpunkt zu erkennen war. Nach der Temperaturanpassung produzierte das Werkzeug im Sinne des Kunststoffverarbeiters.
Ganz im Sinne des Werkzeugbauers
Günther legte seine Aufmerksamkeit bei der Entwicklung der Mehrfachdüse zur seitlichen Anspritzung auf eine praxisgerechte Möglichkeit, mit einem einteiligen Formeinsatz zu arbeiten. Somit kann der Werkzeugbauer auf einen aufwendigeren geteilten Einsatz verzichten. Die Düsenspitzen können aus Richtung der Trennebene montiert und demontiert werden, ohne dass die Düsenseite des Werkzeuges komplett zerlegt werden muss. Dieser Düsentyp ist mittels beheizter Aufnahme auch als Einzeldüse in radialer und linearer Ausführung einsetzbar. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei dieser Anwendung die Eigenschaften der Oktaflow-Düse wie seitliche Anspritzung unter 90°, geringe Nestabstände, kein aufwendiger geteilter Einsatz sowie ein optimaler Temperaturverlauf und die wechselbare Düsenspitzen, das Projekt „8 x 8 Pipetten auf einen Schuss“ erfolgreich machten. Denn die Düsen stellen eine hohe Maßhaltigkeit der Teile sowie eine durchgängige Reproduzierbarkeit der Fertigung sicher.
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GÜNTHER Heisskanaltechnik GmbH
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