Matthias Rüter von Agathon (links) und Oliver Müller von Stocko Contact mit einer Agathon-Systemführung Plus.

Matthias Rüter von Agathon (links) und Oliver Müller von Stocko Contact mit einer Agathon-Systemführung Plus. (Bild: Klaus Vollrath)

Steckkontakt mit angespritzter Dichtlippe aus einem Weich-Kunststoff
Bei dieser Durchführung für ein Haushaltsgerät verhindert eine angespritzte Dichtlippe aus einem Weich-Kunststoff den Durchtritt von Feuchtigkeit. (Bild: Klaus Vollrath)

Zwei unterschiedliche Zentriersysteme werden in der Regel beim Schließen der Spritzgießform eingesetzt. An den Ecken der Form sorgen vier Führungssäulen zu Beginn der Schließbewegung für eine eher grobe Vorzentrierung, während erst auf dem letzten Teilstück zusätzlich vier Flachzentrierungen an den Formseiten die Feinzentrierung übernehmen. Sind wirklich zwei Systeme erforderlich, die zudem nicht optimal harmonieren? Einblicke gewährt Oliver Müller, Leiter Werkzeug-Service des Steckverbinder-Herstellers Stocko Contact in Hellenthal. Das Unternehmen setzt in der Herstellung auf die einstufige, hochpräzise Agathon-Systemführung Plus.

„Wir sind Hersteller von Steckverbindersystemen für Industriebranchen wie die Hausgeräte- und Heizungstechnik oder die Automobilindustrie“, sagt Müller. Bei diesen Verbindern kommen unterschiedliche Technologien wie Schneidklemm-, Crimp- oder Lötanschlüsse zum Einsatz. Dabei setze Stocko auf solide Lösungen, hohe Qualität und vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Angesichts von Marktbegleitern, die teils vielfach größer sind, setze das Unternehmen vor allem auf Innovationsfähigkeit, Flexibilität und Entwicklungspartnerschaft bei der Findung von Lösungen für neue Herausforderungen am Markt. Zunehmende Funktionsdichte und Miniaturisierung führten dazu, dass bestehende Artikel für spezielle Anwendungen nach und nach seltener eingesetzt werden. Stattdessen verlangten Anwender zunehmend individuelle Anpassungen oder Neuentwicklungen. Hier setze Stocko auf das Know-how, den Weitblick und den Pragmatismus seiner Entwickler bei der Findung von Lösungen, die sowohl technisch darstellbar als auch wirtschaftlich sinnvoll sind.

Warum die Produktionswerkzeuge mit höchster Präzision arbeiten müssen

Setzkasten mit Einzelteilen für bestimmte Werkzeugformen
Penible Ordnung: Dieser „Setzkasten“ enthält die zahlreichen Einzelteile für eine bestimmte Form. Jedes Einzelteil ist mit einem QR-Code gekennzeichnet. Für Ordnung sorgen eine ausgefeilte Logistik- und ERP-Verwaltung sowie die nahezu lückenlose Aufzeichnung der Produktionsdaten. (Bild: Klaus Vollrath)

„Diese höheren Anforderungen an die Produkte lassen sich nur mithilfe entsprechend leistungsfähiger Werkzeuge erfüllen“, ergänzt Müller. Dies gilt sowohl für die in der Stanzteileproduktion eingesetzten Folgeverbundwerkzeuge als auch für die Spritzgießformen. Während die Folgeverbundwerkzeuge überwiegend extern bezogen werden, erfolgt die Herstellung der Spritzgießformen im eigenen Unternehmen. Sie sind äußerst aufwendig und bestehen aus hunderten oder gar tausenden Einzelteilen. Viele davon sind sehr filigran. Um die einwandfreie Funktion der mit diesen Formen hergestellten Steckverbinder und Kontakte sicherzustellen, müssen sie mit höchster Präzision gefertigt werden. Bei ihrer Produktion wird deshalb der bestmögliche Stand der Technik eingesetzt. Dies gilt auch für die Normalien, die für wesentliche Funktionen der Form wie den hochpräzisen Ablauf der Schließbewegung sorgen. Jede noch so kleine Abweichung beim Zentrieren kann zu Versatz oder Graten an den Bauteilen und damit zu Ausschuss führen. Dabei spielt auch das Langzeitverhalten der Zentrier- und Führungselemente eine wesentliche Rolle, denn die Formen müssen teils etliche Millionen Produktionszyklen absolvieren. Aufwand und Kosten für Wartung und Instandhaltung sind daher ein wesentlicher Faktor. Dies gilt gleichermaßen auch für die Folgeverbundwerkzeuge.

Was sind die Vorteile der Agathon Systemführung Plus?

Agathon Systemführung Plus
Die Agathon Systemführung Plus ersetzt die herkömmliche Kombination aus Führungssäulen und Flachführungen. Dieses „Zwei-in-Eins“-System punktet durch spielfreie, vorgespannte Rollenführungen statt Gleitreibung. (Bild: Agathon)

„Im Spritzgieß-Formenbau wird die Führung und Zentrierung der Formhälften beim Schließen traditionell mithilfe von zwei unterschiedlichen Systemen bewerkstelligt: Führungssäulen und Flachführungen“, weiß Matthias Rüter, Area Sales Manager des Schweizer Präzisionsteile-Herstellers Agathon in Bellach, Schweiz. Die Führungssäulen an den Ecken sorgen dabei für die Grobausrichtung zu Beginn der Schließbewegung, während vier Flachführungen in der Mitte der seitlichen Formbegrenzung die Feinausrichtung auf den letzten Millimetern des Schließwegs übernehmen. Die recht kurze Wirkstrecke der Flachführungen kann bei Formen mit engen Abständen bei zugleich stark geneigten Konturpartien zum unerwünschten Tuschieren und damit zu nachteiligen Folgen am Produkt führen. Ebenfalls nachteilig ist der aufgrund der hohen Flächenpressung an den Flachführungen auftretende Verschleiß, wodurch es auch zum „Fressen“ der Gleitflächen kommen kann. Bei langlaufenden Formen müssen die Flachführungen deshalb unter Umständen sogar mehrfach ersetzt werden.

Als Alternative entwickelte Agathon deshalb die Systemführung Plus. Diese besteht aus präzisionsgeschliffenen Führungssäulen mit Toleranz h3 an den vier Ecken der Form, die in Rollenkäfige mit hochpräzise gefertigten Rollen an der gegenüberliegenden Formhälfte eintauchen. Führungssäulen, Käfige und Rollen sind so genau gefertigt, dass die Führung bereits bei Erreichen der ersten Rollenreihe spielfrei arbeitet. Dank ihres Linienkontakts mit der Führungssäule haben die Rollenwälzkörper mehr als die 6-fache Tragkraft und Steifigkeit im Vergleich zu einer Kugel-Säulenführung. Die Formhälften werden somit über nahezu die gesamte Länge des Schließwegs mit höchster Genauigkeit geführt. Ein weiterer Vorteil ist der geringere Platzbedarf dieser „Zwei in Eins“-Lösung im Vergleich zum traditionellen Ansatz. Das dadurch ermöglichte Weglassen der Flachzentrierung erlaubt wahlweise die Unterbringung zusätzlicher Kavitäten auf der gleichen Fläche oder die Verwendung einer kompakteren Form und damit einer kleineren Maschine bei gleicher Produktionskapazität.

So wird die Anzahl der Spritzzyklen erheblich gesteigert

Führungssäule und Rollenkäfig der Systemführung Plus
Führungssäule und Rollenkäfig der Systemführung Plus im Einbauzustand. (Bild: Klaus Vollrath)

„Wir haben uns im Jahr 2021 erstmals dafür entschieden, die Agathon-Systemführung Plus bei einer Form für Herdanschlussverbindungen einzusetzen, mit der wir Probleme hatten“, berichtet Müller. Da bereits eine langjährige Partnerschaft mit Agathon im Bereich der hochpräzisen Führungssysteme für Folgeverbundwerkzeuge bestand, lag es nahe, sich auch bei diesem Spritzgießwerkzeug mit der Neuentwicklung des Normalienherstellers näher zu befassen. Bei dieser Form mussten früher die Flachführungen aufgrund von erhöhtem Verschleiß nach jeweils etwa 625.000 Spritzzyklen ersetzt werden. Zurückzuführen war dies auch auf die mit 140 °C besonders hohe Werkzeugtemperatur. Der Austausch der bisherigen Flachführungen sowie der bisherigen Führungssäulen gegen vier Agathon Systemführungen Plus erfolgte nach 2,5 Mio. Zyklen. Mit dem neuen System hat die Form seither weitere 1,5 Mio. Spritzzyklen absolviert, ohne dass irgendwelche Beanstandungen im Bereich der Führungen aufgetreten wären.

Ein Mann schiebt die Formhälften eines Werkzeuges zusammen
Aufgrund der Rollreibung der Führungen lassen sich die Formhälften auf dem Tisch ohne großen Kraftaufwand zusammenschieben und auch wieder trennen. Die noch vorhandenen Taschen für die Flachführungen sind leer. (Bild: Klaus Vollrath)

Leider werde das mit dieser Form produzierte Steckverbindermodell in absehbarer Zukunft auslaufen. Deshalb werde man in diesem Fall wohl keine Chance bekommen, an die tatsächliche Haltbarkeitsgrenze der Agathon-Führung heranzukommen. Aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen könne er sich jedoch vorstellen, dass die maximal erreichbare Zykluszahl im zweistelligen Millionenbereich liegen könne. Da die Agathon-Führung kaum mehr koste als die ursprüngliche Ausstattung, habe sich die Investition allein schon wegen der beiden bisher eingesparten Gleitführungs-Sätze mehr als bezahlt gemacht. Hinzu kämen als Boni auch noch die höheren Verfügbarkeiten der Form und der Spritzgießmaschine, da die Agathon-Systemführung Plus im Unterschied zu den Gleitführungen nicht mehr täglich, sondern vielleicht nur einmal pro Woche geschmiert werden müssen. Zusätzlich zur höheren Verfügbarkeit erspart dies auch die N.i.O.-Teile aus den meist 5 bis 15 Anfahrzyklen, die nach solchen Stillständen erforderlich sind.  

Aufgrund dieser guten Erfahrungen seien inzwischen rund 15 Sätze dieser Formführung in andere Formen eingebaut worden. Auch bei diesen Umrüstungen habe es positive Erfahrungen gegeben. Die Zentrierungen erwiesen sich als einfach zu handhaben, wartungsarm und langlebig. Bei weniger lange laufenden Formen gehe er davon aus, dass sich bei Ausmusterung der Form die ausgebauten Systemführungen Plus problemlos in weiteren Formen wiederverwenden ließen. Im Bereich Formwartung hätten die Mitarbeiter positiv angemerkt, dass die leichtgängige Trennung der Formhälften die Arbeit deutlich erleichtere und Schonhammer sowie Montierhebel deutlich weniger zum Einsatz gebracht werden müssten. Auch sei die Minimalmengenschmierung einfach vorzunehmen.

„Eine gute Beurteilung kann ich Agathon auch im Bereich Betreuung und Hilfestellung geben“, fasst Müller seine Erfahrungen zusammen. Bei Fragen oder Problemen habe es stets prompte Unterstützung gegeben. Nicht nur aus technischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei es überlegenswert, beim Bau neuer Spritzgießwerkzeuge die Systemführung Plus als Standard vorzusehen.

Die Überwachung der Herstellung und Wartung der Werkzeuge im Formenbau selbst und die Verknüpfung ihrer Betriebsdaten mit den Daten aus der Produktion erfolge in einem sehr hohen Umfang, wobei riesige Datenmengen anfielen. Das Ergebnis sei ein sehr hoher Grad an Beherrschung der laufenden Produktionsprozesse. „Aufgrund meiner Erfahrungen in der Branche kann ich bestätigen, dass das Niveau bei der Betriebsdatenerfassung auf Werkzeugebene bei Stocko Contact vorbildlich ist“, so Rüter.

Werden Sie Teil unseres Netzwerkes auf LinkedIn

PV-Logo

 

 

Aktuelle Informationen für Kunststoffverarbeiter - News, Trend- und Fachberichte über effiziente Kunststoffverarbeitung. Folgen Sie uns auf LinkedIn.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Agathon AG – Global tätiger Hersteller von Laser- und Schleifmaschinen zur Fertigung von Wendeschneidplatten sowie von Führungselementen für den Werkzeug- und Formenbau

Gurzelenstraße 1
4512 Bellach
Switzerland