Vier junge Männer und eine junge Frau (alle in schwarzen T-Shirts mit Arburg-Logo) auf dem Messe-Stand von Arburg auf der K-Messe 2022.

Die Verantwortung des Nachhaltigkeitspavillons auf der K 2022 lag bei den Auszubildenden des Maschinenbauers. Die jungen „Arburger“ erfüllten ihre Aufgabe mit Stolz und Begeisterung. (Bild: Arburg)

Der Fachkräftemangel macht auch vor der kunststoffverarbeitenden Industrie nicht Halt. Kann eine Steuerung wie die Gestica fehlende Fachkräfte ersetzen?
Werner Faulhaber: Die Frage ist doch, muss immer eine Fachkraft an der Maschine stehen, wenn diese im Mehrschicht-Betrieb in Produktion läuft? Diese Frage kann man eindeutig mit Nein beantworten. Unser Anspruch lautet: „Keep it simple“. Wir wollen den Kunststoffverarbeitern dabei helfen, die komplexer werdenden Prozesse und Abläufe bedienbar zu machen. Der Superuser – Schichtmeister, Schichtleiter – hat für die nach Euromap genormten drei Userlevel in der Maschinensteuerung die Möglichkeit, die Anzeige auf maximal zehn Parameterseiten zu reduzieren. Das bedeutet, dass nur genau diese Seiten dem jeweiligen Userlevel zur Verfügung stehen. Dabei kann der Superuser zusätzlich auf fünf Spezialseiten je 30 Werte aus dem gesamten Parameterumfang kombinieren. Dadurch reduziert sich die Anzahl der Werte für den Werker auf das Wesentliche. Um auch Eingabefehler vom Bediener bei Einzelwerten abzusichern, kann der Eingabebereich für eine limitierte Anzahl produkt- und werkzeugspezifisch limitiert werden, beispielsweise der Einspritzdruck von 210 bis 220 bar. Dadurch ist eine Korrektur des Prozesses möglich, aber keine ‚Verschlimmbesserung‘. Weiterhin verfügt die Steuerung über einen Assistenten für das Einrichten des Werkzeugs und des Robotsystems. Der Einrichter wird durch den Werkzeugeinbau geführt und auch am Einbauende sind keine manuellen Eingaben nötig. Das Robotsystem zur Teileentnahme fährt er manuell schrittweise zur Entnahme- und Ablagepostition. Dadurch wird der erforderliche Ablauf selbstständig erstellt und direkt mit dem Maschinenzyklus verbunden. Die Robotdaten sind bei Arburg Teil des Werkzeugdatensatzes. Dies hat den Charme, dass der Robotzyklus direkt an veränderte Fahrgeschwindigkeiten des Werkzeugs angepasst werden kann.

Monitor Gestica: Die intuitive Maschinenbedienung steht bei der Entwicklung der Steuerung Gestica im Vordergrund.
Die intuitive Maschinenbedienung steht bei der Entwicklung der Steuerung Gestica im Vordergrund. (Bild: Arburg)

Welche Features waren bei der Steuerung nötig, um eine intuitive Bedienung zu ermöglichen?
Faulhaber: Die Gestica ist, wie es der Name schon sagt, eine Gestensteuerung. Dennoch sind auch echte haptische Tasten mit den wichtigen wiederkehrenden Funktionen vorhanden. Nehmen wir das Beispiel „Werkzeug schließen“. Der Bediener drückt die Taste „Werkzeug schließen“, blickt ins Werkzeug und kann über den Slider mit der anderen Hand am Bedienfeldrand die Verfahrgeschwindigkeit regeln – von schnell bis hin zum Kriechen kurz vor dem Endpunkt. Frei belegbare Tasten sind in Touch ausgeführt, sodass die Bedienoberfläche logisch und intuitiv strukturiert ist. Die Bedienbarkeit der Steuerung ist als modernes User Interface beziehungsweise im User Experience Design ausgelegt, ganz so, wie wir es von der intuitiven Bedienung des Smartphones kennen.

Die Entwicklung an der Steuerung geht immer weiter. Wie wird die nächste Steuerungsgeneration die Verarbeiter weiter entlasten?
Faulhaber: Eine Werkzeugmaschine zur Bauteilbearbeitung kennt das zu bearbeitende Bauteil, eine klassische Spritzgießmaschinensteuerung kennt den Prozess. Hier setzen wir an: Die Steuerung muss das Bauteil, das Material sowie sich selbst (und das Robotsystem) kennen und daraus einen Prozess ableiten. Dann kann der Kunststoffverarbeiter noch weiter entlastet werden. Mit unseren Assistenzmodulen wie beispielsweise dem Fill-Assist bieten wir statt eines Arbeitspunktes einen „Arbeitsraum“, indem hunderte Simulationen hinterlegt werden. Dadurch sieht der Bediener, wie sich eine Parameterveränderung an der Maschine auf das Füllbild des Bauteils auswirken würde. Dieser Arbeitsraum ist der erste Schritt, um es einem KI-Algorithmus zu ermöglichen, die Maschine entsprechend nachzujustieren. In den Prozessmodellen sind auch möglichen Varianzen von Material und Maschine simuliert und hinterlegt. Durch die Kenntnis der möglichen Einflussfaktoren ist es relativ einfach möglich, um anhand eines Bauteilfehlers das Prozessmodell so zu verändern, dass der Fehler korrigiert wird. Hierfür braucht man die Verbindung der drei Domänen – Material, Maschine, Bauteil – dann hat man mit KI die Chance, den Prozess stabil zu halten.

Wird künstliche Intelligenz ein Teil dieser Entwicklung sein, um den kommenden demografisch bedingten Arbeitskräftemangel abzufedern?
Faulhaber: Das ist ein Thema, an dem wir intensiv arbeiten. Natürlich geht die Prozessregelung gerade bei Verwendung von PIR- oder PCR-Material mit eingeschränkt vorhersehbaren Materialparameterschwankungen in Richtung KI gestützter Regler. Aber auch in der Bedienung der Maschine kann KI eingesetzt werden.

Herr Faulhaber, vielen Dank für Ihre Ausführungen zu den Möglichkeiten, wie eine intelligente Steuerung es einem branchenfremden Mitarbeiter ermöglicht, eine Spritzgießmaschine zu bedienen. Jedoch braucht es für die Entwicklung der Maschinen und der Software zahlreiche Fachkräfte. 16 Ausbilderinnen und Ausbilder unterstützen bei Arburg die derzeit rund 300 jungen Menschen, die sich in einer Ausbildung oder einem dualen Studium befinden. Herr Vieth, bei dieser Zahl drängt sich die Frage auf: Wie kann Arburg so viele junge Menschen für den in Verruf geratenen Werkstoff Kunststoff begeistern?
Michael Vieth: Tatsächlich steht die Frage nach Kunststoff und Umwelt nur bei einem geringeren Teil der Bewerber im Vordergrund, als das es uns die Berichterstattung in den Medien suggeriert. Ein großer Teil der Bewerber bewirbt sich vorrangig bei einem Maschinenbauunternehmen und ein paar wenige fokussieren kritisch auf den Werkstoff. Dies jedoch in der Tat differenziert: Wer sind die Verursacher der Umweltschäden? Versus wie kann unnötige Produktion und Belastung der Umwelt vermieden werden?

Zwei Männer in grauen Anzügen in einer Maschinenhalle. Werner Faulhaber und Michael Vieth (rechts) haben als Bereichsleiter Entwicklung und Ausbildungsleiter das gleiche Ziel: Dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Werner Faulhaber und Michael Vieth (rechts) haben als Bereichsleiter Entwicklung und Ausbildungsleiter das gleiche Ziel: Dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. (Bild: Redaktion)

Treffen die Nachwuchskräfte ihre Berufswahl, um Teil der Lösung des Plastikproblems sein zu können?
Vieth: Die die Berufswahl hier bei uns treffen und dem Werkstoff Kunststoff kritisch gegenüberstehen, haben sich mit voller Überzeugung dafür entschieden, Teil der Lösung sein zu wollen. Das zeigte letztes Jahr ein sechsköpfiges Azubi-Team, das den VDMA-Preis „Carbon Buster“ für die Reduktion des CO2-Fußabdrucks von Kaffeeautomaten erhielt, indem Einweg- durch Mehrwegbecher ersetzt wurden. Die jungen Leute waren hoch motiviert. Wir beobachten an dieser Generation, dass sie bei Themen, die sie wirklich interessieren und für die sie Verantwortung übernehmen können, zur Höchstform auflaufen. Auch für die Verwendung des Preisgeldes waren die Auszubildenden selbst verantwortlich. Die Entscheidung fiel zugunsten von Glastrinkflaschen aus recyceltem Glas sowie in Deutschland hergestellt, die sie nicht nur für sich, sondern für alle Auszubildenden vom Preisgeld besorgten.

Zitat

„Unsere Aufgabe: Begeisterung für Technik schaffen!“

Michael Vieth

Schwerpunkte von Arburg liegen neben der Spritzgießtechnik beispielsweise auf Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung, Energieeffizienz, additive Fertigung. Wie werden die jungen Menschen an die Themen herangeführt?
Vieth: Spielerisch, in dem wir den jungen Menschen einen großen Gestaltungs- und Verantwortungsbereich zugestehen. Hier möchte ich als Beispiel den Arburg Greenworld-Pavillon zum Thema Nachhaltigkeit auf der K 2022 nennen. Es war nicht nur das Ambiente, sondern es war auch die begeisterte Stimmung, die die Auszubildenden über die ganze Messezeit an den Tag gelegt haben. Wenn die jungen Menschen ein Thema betreuen und mitgestalten können, mit dem sie sich identifizieren, dann sind sie begeistert und begeistern dann andere. Unsere Auszubildenden haben einen eigenen Instagram-Kanal, auf dem sie zwei Posts pro Woche veröffentlichen. Auf diese Weise teilen sie die von ihnen ausgewählte Projekte und präsentieren ihre Arbeit. Unser Ausbildungskonzept fußt auf den sechs Punkten: Aufgabe geben und Lösungsvorschlag fordern oder selbst Vorschläge machen, diese beim Ausbilder vorstellen – gemeinsame Entscheidung treffen – selbstständiges Tun – Ergebnis bewerten – Rückschlüsse ziehen. Wir beginnen hier mit einfachen Aufgaben und steigern sukzessive die Komplexität. Die Jugendlichen sind es von der Schule gewohnt, genaue Arbeitsanweisungen zu erhalten. Sie durchlaufen mit unserem Konzept einen Rollenwechsel hin zum eigenverantwortlichen Handeln. Wir schulen auf dem Weg ihre fachliche Kompetenz, aber auch Fähigkeiten, wie sich Probleme iterativ lösen lassen, auch interdisziplinär. Hierbei lernen auch wir Ausbilder dazu, denn wir wissen heute nicht, wie die Steuerung und die Maschinen in fünf Jahren aussehen werden.

Quelle: Arburg

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