Bei Igus, Hersteller von Hochleistungskunststoffen und Produkten wie Gleitlager und Energieketten, sieht man Kunststoff nicht einfach als Werkstoff, sondern begreift ihn als Technologie. An dieser wird geforscht und getestet und dafür gibt es am Firmensitz in Köln-Porz das 3.800 m² große Testlabor, nach Unternehmensangaben das größte der Branche. Insgesamt werden dort rund 11.000 Testergebnisse im Jahr erarbeitet. Sie bilden ein festes Fundament für Aussagen zur Eignung in unterschiedlichen Einsatzgebieten und sind die Basis für 30 bis 50 neue Patente pro Jahr.
Was genau macht Kunststoff umweltverträglich?
Zum einen ist es der Verzicht auf zusätzliche Schmiermittel. Sich ablösende Fette belasten die Umwelt. Weltweit sind es bis zu 22,7 Mio. t. Ein anderer Aspekt ist die geringe Reibung, die hier entwickelte Kunststoffe besitzen. Möglich machen das die speziellen Rezepturen, in denen unter anderem Festschmierstoffe eingebunden sind. Die inerten Partikel machen eine weitere Schmierung überflüssig. Jedes Jahr werden in Köln-Porz über 500 neue Mischungen entwickelt und getestet. Nur eine Handvoll davon schaffen es auf den Markt. Auch das geringe spezifische Gewicht wirkt sich positiv aus. Ein Gleitlager aus Kunststoff wiegt bis zu 75 % weniger als das gleich große Pendant aus Metall. Weniger Gewicht erfordert weniger Antriebsenergie in Maschinen, Autos oder Flugzeugen. Industrielle Produkte aus Kunststoff sind wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Alternativen. Beim Hersteller weiß man aber auch, dass nicht jedes Teil aus Metall pauschal durch Kunststoff ersetzt werden kann. Deshalb werden alle Einsatzbedingungen geprüft, bevor nach einer Anfrage eine Empfehlung ausgesprochen wird. Online können sich Interessierte selbst von zahlreichen Konfiguratoren passende Produkte anzeigen lassen und auch bestellen.
Bemühen um nachhaltige Produkte
Das Bestreben, nachhaltig zu agieren, treibt Inhaber Frank Blase an: „Bis 2025 wollen wir mit unseren Gebäuden und der Produktion CO2-neutral sein. Wir sind auf einem guten Weg.” Es gibt viele Ansatzpunkte, um Energie zu sparen, nachhaltige Produkte herzustellen, sich umweltbewusst zu verhalten. Für eine bessere Projektierung und Zuordnung der Maßnahmen hat man intern ein Schaubild erstellt, das die „grünen“ Themen in drei Bereiche gliedert: „Durch diese Aufteilung lassen sich Fragestellungen differenzierter betrachten, und es fällt auf, wo sich Schnittmengen ergeben“, so Lena Naumann, Lean Ingenieurin und Projektverantwortliche. „Und intern können wir unsere Bestrebungen so auch besser den Kolleginnen und Kollegen vermitteln.“ Mit dem Programm „Clean Igus“ wurden und werden zahlreiche Maßnahmen in der Produktion umgesetzt: An den Maschinen wurden Förderbänder fixiert und Leitbleche und Magnetfolien eingesetzt, um die Teile besser zu lenken und keinen Produktionsausschuss zu verschwenden. Weiterhin ist man gerade auch dabei, mit Experten den CO2-Abdruck zu ermitteln und zwar nicht nur am Hauptsitz in Köln, sondern weltweit. Ungeachtet des ausstehenden Ergebnisses wird der Energieverbrauch der Spritzgussmaschinen gemessen und reduziert, in energieeffizientere Maschinen investiert. Auch die Belegung der Maschinen wird genauer geprüft.
Deshalb bleibt die Heizung aus
Das Machine Heat Recovery System (MHRS) nutzt die Abwärme der Spritzgussmaschinen zum Heizen der Hallen. Während des Spritzgießprozesses werden die Hydraulikmotoren der Spritzgussmaschinen warm. Damit sie nicht überhitzen, werden sie mit Wasser gekühlt. Dazu kommen Kühltürme zum Einsatz, die kaltes Wasser bereitstellen und über ein Rohrsystem zu den Maschinen leiten. Das erwärmte Wasser gelangt dann zurück zum Kühlturm. Bei der erneuten Kühlung entweicht die Wärme in die Atmosphäre und geht als Energie verloren. Mit MHRS wird ein Teil der Wärme aus dem Kühlkreislauf über eine Durchflussregelung abgegriffen und direkt zu den Heizungen geleitet, die sich neben den alten Gasheizungslüftern befinden. Die schwankenden Kühlkreistemperaturen sind durch das System variabel anpassbar. Das MHRS kommt ohne eine Wärmepumpe oder Wärmetauscher aus. Letzterer würde zu Temperaturverlusten führen. „Mit dieser hauseigenen Heizung können wir in Zukunft den Gasverbrauch gegen null fahren. Außerdem benötigen wir weniger elektrische Energie zum Kühlen“, freut sich Frank Blase. Das Unternehmen sieht für das entwickelte MHRS in der Industrie großes Potenzial. Daher macht der Kunststoffspezialist sein Wissen auch anderen Unternehmen kostenfrei zugänglich. „Mit unserer Website informieren wir bereits jetzt, wie MHRS und das entwickelte Regelgerät funktionieren. Immer mehr Details kommen dazu“, so Dennis Berninger, Fabrikleiter bei Igus.
Investition in Recycling-Technologie
Ein besonderes Projekt, das der Kunststoffverarbeiter mit Start-up-Investitionen unterstützt, ist das des Unternehmens Mura Technology. Die Ingenieure dort haben eine Technologie entwickelt, mit der unsortierte, nicht mechanisch recycelbare Plastikabfälle mittels Wasser, hoher Temperatur und Druck wieder in Rohöl umgewandelt werden: Hydro PRS (Hydro Plastic Recycling Solution). Gerade einmal 25 Minuten dauert dieser Prozess. Der Bau der ersten Großanlage hat diesen April in Teesside, Großbritannien, begonnen. Die erste Linie mit einer Kapazität von 20.000 t pro Jahr soll dieses Jahr in Betrieb gehen. Sobald alle vier Linien fertiggestellt sind, wird Mura in der Lage sein, bis zu 80.000 t Kunststoffabfälle pro Jahr zu recyceln. Bis 2025 soll im sächsischen Böhlen die erste Anlage in Deutschland entstehen. Mit Dow ist ein großer Partner eingestiegen, nicht nur mit Kapital, sondern auch als erster Abnehmer von recycelten Materialien, der internationale Brand Owner dann mit nachhaltigen Kunststoffprodukten beliefern wird.
Ausgezeichnet: Nachhaltig wiederverwertet statt entsorgt
Auch der Energiekettenhersteller selbst kümmert sich um das Recycling, jedoch von technischen Kunststoffen. Im Rahmen des Chainge Programms werden ausrangierte Energieketten recycelt. Betriebe können zu ersetzende Energie- und Schleppketten zurückschicken, statt sie im Industriemüll zu entsorgen. Das Besondere: Igus nimmt herstellerunabhängig die Energieketten an. Im Gegenzug wird ein Wertgutschein ausgegeben, der sich nach dem Gewicht der eingesendeten Ketten bemisst. Die ausrangierten Kunststoffe werden dann sortenrein getrennt, gereinigt und zertifiziert regranuliert. Im Oktober 2022 wurde aus dem Chainge Programm eine ganze Plattform. Das Recyclingprogramm wurde auf sechs Kunststofftypen erweitert. Angenommen werden PA, POM, PBT, PEEK, PE und PP. Neben Energieketten können auch andere ausgediente Kunststoffkomponenten schnell und unkompliziert zur Rücksendung angemeldet werden. Gleichzeitig bietet die Plattform einen digitalen Marktplatz, der einen Zugang zu ausgewählten Rezyklaten bietet. Neben der Rücknahme alter Energieketten wird seit Anfang dieses Jahres Altmaterial im Rahmen von Montageaufträgen gesammelt. Für das Recycling-Programm wurde das Unternehmen jüngst mit dem Wirtschaftspreis Rheinland in der Kategorie Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Und auf Basis von „Chainge“ ist die weltweit erste Energiekette aus 100 % recyceltem Material entstanden.
Quelle: Igus
Kunststoffrecycling: Der große Überblick
Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.