Mann mit kurzen grauen Haaren, hellblauem Hemd, blau/weiß gestreifte Krawatte und Jackett.Klaus Hilmer ist leidenschaftlicher Kunststofftechniker.

Klaus Hilmer ist leidenschaftlicher Kunststofftechniker. (Bild: Hilmer)

Das Thema Energieeinsparung gibt es seit über 30 Jahren in der Kunststoffverarbeitung, und es hat stetig und zuletzt gar sprunghaft an Bedeutung gewonnen. Es wurden über die Jahre verschiedene Stellschrauben eingeführt – verbesserte Werkzeugisolierung, grundlegend überholte Antriebskonzepte der Spritzgießmaschinen oder auch die Effizienz der Materialvortrocknung. Ein weiteres großes Thema war und ist es immer noch – die Wärmerückgewinnung. Ich hatte vor einigen Jahren die Aufgabe, auf der grünen Wiese ein Werk für Spritzgießfertigung zu bauen. Hierbei wurde dessen energieoptimierter Betrieb bereits in der Planung als ein Topthema eingestuft. So führte beispielsweise die Bewertung einer Wärmerückgewinnung zu der grundlegenden Entscheidung, keine Rückgewinnung umzusetzen. Denn solche Anlagen benötigen selbst eine hohe Antriebsleistung. Dies hat unser Team direkt zum Nachdenken und Nachrechnen angeregt und zu der Entscheidung geführt, eine energieeffiziente Fertigung ohne Wärmerückgewinnung zu bauen. In allen fertigungstechnischen Planungen wurde darauf geachtet, von Haus aus möglichst nicht mehr Energie aufzuwenden als nötig. Daher lag das Augenmerk auf allen Fertigungsdetails – große wie kleine!

Darauf lag das Augenmerk

Ein großes Thema war die Auswahl der Antriebstechnik für die nahezu 60 zu installierenden Spritzgießmaschinen. Hier waren in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Entwicklungen erfolgt:

  • Konstantantrieb mit Konstantpumpe
  • Konstantantrieb mit Regelpumpe
    Frequenzumgerichteter Antrieb mit Konstantpumpe
  • Frequenzumgerichteter Antrieb mit Regelpumpe
  • Servomotorischer Antrieb mit Konstantpumpe („servohydraulisch“)
  • Teilelektrische Maschinen mit Servohydraulik
  • Vollelektrische Maschinen

Umgesetzt wurde aus Kostengründen schließlich eine Mischung aus Maschinen mit frequenzumgerichteten Antrieben mit Regelpumpen, servohydraulischen und vollelektrischen Maschinen.

Weiterhin wurden zusätzlich „kleinere“ Maßnahmen ergriffen, um die Wärme so gut wie es geht im System zu halten. So wurden die Plastifizierzylinder und Werkzeuge auch im mittleren Temperaturbereich isoliert. An allen Werkzeugen mit Temperierung über 50 °C wurden Isolierschläuche zwischen Temperiergeräten und Werkzeug eingesetzt, um auch hier Energieverluste zu reduzieren. Um die energiesparenden Antriebe der modernen Temperiergeräte zu nutzen, ist es wichtig, kurze Schläuche mit großem Schlauchdurchmesser und den passenden Fittings zu verwenden. Weiterhin hat sich als sehr günstig erwiesen, den Kühlwasserkreislauf mit 20 bis 23 °C zu betreiben und bei Bedarf an den nötigen Stellen ein Zusatzkühlgerät einzusetzen. Diese kommen im Sommer bei sehr selten produzierten Teilen zum Einsatz, bei denen die Werkzeuge kühl gefahren werden und der Kühlwasserkreislauf etwas über dem Zielwert lief. In den letzten Jahrzehnten haben die Hersteller von Materialtrockentechnik deutlich die Energieeffizienz der Geräte verbessert, sodass der Verarbeiter nun die Aufgabe hat, die Technik effizient einzusetzen. Hier sind die Themen Trocknungstemperatur, Trocknungsdauer und Förderwege zu nennen. Beispielsweise benötigt warmes Granulat bei der Plastifizierung weniger Energie als kaltes. Dieser Aspekt ist bei der Extrusion sicher von weitaus größerer Bedeutung als im Spritzguss. Weitere Einsparungsmöglichkeiten bieten sich beim Betrieb von hydraulischen Maschinen durch den Einsatz von niedrigviskosem Öl. Es wurden alle Maschinen mit Öl des Typs HLP 32 statt des üblichen HLP 46 betrieben. Dadurch kann bei tieferen Maschinentemperaturen gearbeitet werden und Strömungsverluste im Prozess sind geringer, wodurch eine Ölkühlung nahezu unnötig wird. Für den aufgezeigten Ansatz, die Fertigung ohne Wärmerückgewinnung aufzubauen und das Konzept, möglichst nicht mehr Energie aufzuwenden als nötig, hat das Unternehmen den Arburg-Energieeffizienz-Award 2014 erhalten. Der Loßburger Spritzgießmaschinenhersteller verleiht den Preis seit 2008 an Unternehmen mit herausragenden Aktivitäten im Bereich Energieeffizienz. Eine ganzheitliche Betrachtung des Energieverbrauchs startet mit der ganzen Fabrik und endet beim Einzelprozess. Dies ist sehr aufwendig, sollte aber in Erwägung gezogen werden. Außerdem hat sich das Betrachten von Ausschuss und Materialverlust als Energieverlust als hilfreich erwiesen. Mit diesem Ansatz lässt sich gut in eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 50001 oder ein anderes registriertes Umweltmanagementsystem einsteigen und dieses strukturiert umsetzen.

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