Schwarzer Kunststoff-Belüftungsauslass von der Mittelkonsole eines Autos.

Für diesen Belüftungsauslass wurden zwei Bauteile neu gedacht. (Bild: Dr. Schneider Kunststoffwerke)

Was sind disruptive Ansätze? Disruptiv bedeutet wörtlich genommen ein Gleichgewicht zerstörend oder im übertragenen Sinne die alten Pfade verlassend. Das Adjektiv wird gerne in der Innovationsmethodik benutzt und bedeutet im übertragen Sinne Hoffnung auf ein noch nie da gewesenes Geschäftsmodell. Einer der Gründer, vermutlich der Urvater der Innovationsmethodik, Joseph Schumpeter, bezeichnet das als „schöpferische Zerstörung“. Als disruptive Innovationen werden Innovationen bezeichnet, die in bestehenden Märkten mit einer neuen Technologie gewinnbringende Lösungen gefunden haben. Ein Beispiel hierfür wäre die additive Fertigung, die in vielen Bereichen der modernen Fertigung Einzug hält.
Um neue Wege zu finden, ist der Perspektivwechsel unausweichlich, aus seinem Wohlfühlbereich herauszugehen und sich in andere Fachbereiche hineinzuversetzen. Schon allein der Begriff Experte würde suggerieren, dass sich jemand in seinem Fachgebiet sehr gut auskennt, ansonsten aber auf Hilfe angewiesen wäre. Zugegeben, der Gedanke ist rein hypothetisch und möglicherweise nur in Ausnahmefällen anzutreffen, oder?

Auf den Blickwinkel kommt es an

Falls doch, kann hier beispielsweise die sechs Hüte Methode von Edward de Bono helfen, bei der ein Team dazu gezwungen wird, verschiedene Perspektiven anzunehmen. Hierbei kommt noch ein weiterer Aspekt der Innovationsmethodik hinzu – gemeinsam finden sich schneller und besser Ideen. Möglichst unterschiedliche Teams zusammenstellen hilft. Der einfachste zu generierende Perspektivwechsel ist der zwischen Mann und Frau. Mit TRIZ (Theorie des erfinderischen Problemlösens) bietet sich eine Innovationsmethodik an, die größten Widersprüche zu lösen und eben nicht wie so oft, um den heißen Brei zu reden. Unter den mittlerweile mehr als 40 bekannten Lösungsprinzipien wird für die folgenden Betrachtungen eines herausgegriffen. Das Lösungsprinzip der „örtlichen Qualität“ sagt aus, dass nicht überall die gleiche Teilequalität benötigt wird. Dies kann helfen, mit Denkbarrieren zu brechen. Was würde unternommen, wenn dabei zum Beispiel den Anforderungen der Rheologie widersprochen würde? Konstante Wandstärken führen zu einem ausgewogenen Füllverhalten und konstanter Teilequalität.

Braune Gehäusegrafik.
Bild 1: Das Gehäuse des Belüftungssystems, das Potenzial bot, um Gewicht einzusparen. (Bild: Dr. Schneider Kunststoffwerke)

„Fehlstellen“ bewusst zulassen

Warum nicht inkonstante Wandstärken konstruieren oder bewusst Inhomogenitäten im Material erzeugen? Vielleicht sogar absichtlich Lunker entstehen lassen oder ein lokales Entmischen von Verstärkungsstoffen forcieren und somit Gasbeladungen örtlich eingrenzen? Sicher wird die Teilequalität teilweise darunter leiden, und mancher wird davor warnen, unkalkulierbare Risiken einzugehen. Auf der anderen Seite ist es nicht von der Hand zu weisen, dass ein Lunker Material einspart oder das bewusste Entmischen von Glasfasern selektive Barrieren und mechanische Inhomogenitäten erzeugt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es gibt bei Spritzgussteilen eine Vielzahl von Parametern zu berücksichtigen. Manche sind sehr variabel, manche nur digital, das heißt in Stufen oder gar nicht veränderbar. Die Spritzgussmaschine beispielsweise stellt eine sehr unflexible Größe dar. Selten wird die Maschine aber bis zu ihrer maximalen Schließkraft belastet. Es wird zwar eine bestimmte Maschinengröße geplant,. Aber wird auf diese Größe konstruiert? Oft bestimmt nur die projizierte Fläche des Bauteils die Größe der Maschinen. Zuhaltekraft und andere Leistungsmerkmale der Maschine sind da meist noch nicht ausgereizt. Die Maschine ist üblicherweise die größte Investition im Spritzgussprozess. Warum wird nicht versucht, die Konstruktion dahin zu lenken, alle Fähigkeiten der Maschine maximal auszureizen, ohne dass Energiekosten unverhältnismäßig steigen?

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

So sieht der Ansatz in der Praxis aus

Zwei Beispiele anhand von Einzelteilen des mittleren Belüftungsauslasses vom Volkswagen Touareg sollen die oben genannten theoretischen Ansätze praktisch beschreiben. Bei beiden Produkten handelt es sich um Teile, die nicht im primären Sichtbereich sind. Hier bietet sich ein größerer Spielraum für technologische Ansätze, da meist stark einschränkende Designanforderungen vernachlässigt werden können. Das Gehäuse und die Schließklappen haben vorwiegend technische Funktionen zu erfüllen und sind für den Autofahrer nur als sogenannter „Graubereich“ wahrzunehmen. Insbesondere optische Eigenschaften fordern die Innovationskraft erheblich mehr, um Gewicht einzusparen. Das Gehäuse des Belüftungssystems ist für circa 25 % des Gewichts der gesamten Baugruppe verantwortlich und bietet damit einen guten Ansatz für eine Gewichtsoptimierung. Um die Anforderungen für dieses Bauteil genauer kennenzulernen, zeigt Bild 1 nur die Flächen in Rot, die für die Funktion des Bauteils benötigt werden. Aufgesplittet in die einzelnen Funktionen betrifft das die Aufnahmen der H-Lamellen und V-Lamellen, der Schließklappe sowie den Verrastungen für die Blende und die Befestigung im Fahrzeug. Eine weitere, nicht vernachlässigbare Anforderung ist, dass das Gehäuse keine größeren Löcher haben darf, um einen ungestörten Luftstrom zu gewährleisten. Dafür sind durchgängige Wandstärken von 2 mm nicht zwingend notwendig.

Schaubild mit einer Glühbirne in der Mitte darum ein Kreis unterteilt in vier Teile: Material, Prozesse, Konstruktion und Spritzguss Technologien.
Bild 2: Übersicht der Nachhaltigkeitsstrategie. (Bild: Dr. Schneider Kunststoffwerke)

Dünner und dennoch funktionserfüllend

Ziel ist es, die Wandstärken maximal zu reduzieren und gleichzeitig Funktion und Qualität des Bauteils zu erhalten. Unter Berücksichtigung der maximalen Fließweglänge des geplanten Serienmaterials und der maximal möglichen Leistungsparameter der geplanten Spritzgussmaschine werden die rheologischen Eigenschaften des Bauteils in einem iterativen Prozess immer wieder so verändert, dass Prozess, Funktion und Qualität erhalten bleiben. Mit diesem Verfahren konnte eine Materialreduktion von 34 % gegenüber dem Ausgangsgewicht erzielt werden. Wenn wir noch Änderungen in der Materialzusammensetzung, zum Beispiel durch Schäumprozesse oder das Umstellen auf gewichtsreduzierte Alternativen berücksichtigen, sehen die Konstrukteure hier noch Potenzial, um das Gewicht um insgesamt 40 % zu reduzieren. In dem oben genannten Beispiel wurde nur eine von möglichen vier Stellgrößen betrachtet.

Zitat

Die Demontage von Bauteilen zu Monomaterialien sollte im Fokus stehen.

Wie kann das Teilegewicht optimiert werden?

Konkret gibt es vier mögliche Perspektiven, um eine Gewichtsoptimierung zu erzielen. Der Ansatz über die Konstruktion stellt hierbei nur einen Lösungsansatz dar. Die Kombination aus Konstruktion, Simulation und Werkstofftechnik hat zu dem zuvor beschriebenen Ergebnis geführt. Gerne kann auch darüber diskutiert werden, ob die Felder „Prozesse“ und „Spritzgusstechnologien“ nicht zusammengeführt werden können und als „Prozess“ nur ein Feld bilden. Bei den durchgeführten Betrachtungen hat es sich gerade bei komplexeren Kunststoffteilen beziehungsweise -baugruppen herausgestellt, dass eine zusätzliche Perspektive überaus wertvoll sein kann. Inhomogene Wandstärken fordern den Konstrukteur, die Simulation und natürlich die nachfolgenden Prozessschritte. Auch die Unternehmenskultur spielt bei dieser Vorgehensweise eine große Rolle. Die Werkzeugtechnik und Prozesstechnik müssen diese Denkweise befürworten und in jedem Fall eingebunden sein. Ein weiteres Beispiel soll zeigen, dass wir komplett umdenken müssen, wenn wir Nachhaltigkeit leben wollen. Der Satz steht wohl so oder so ähnlich in vielen Artikeln zu Thema Nachhaltigkeit. Kann es nicht sinnvoll sein, auch etwas wieder zurückzuentwickeln?

Zeichnung einer grauen Schließklappe mit rotem Rand.
Bild 3: Mehrkomponententeile wie die Schließklappe können nicht recycelt werden. (Bild: Dr. Schneider Kunststoffwerke)

Deshalb könnte aus Stoffschluss wieder Formschluss werden

Mehrkomponententeile werden dann eingesetzt, wenn mit einem Werkstoff nicht alle Funktionen des Bauteils umgesetzt werden können oder um mehrere Komponenten zu einem Bauteil zusammenzufassen. Gerade bei den aufkommenden smarten Upgrades von Kunststoffteilen ist das eine beliebte Denkweise. Es wird gerne mit dem Entfall von Platinen, Reduktion von Bauraum und Ähnlichem geworben. Was übrig bleibt, ist dennoch nicht trennbar und somit Elektronikschrott, da einer sinnvollen stofflichen Verwertung nicht mehr zuführbar. Zugegeben, die anfallende Menge an Bauteilen ist weniger als vorher, aber wurde damit Nachhaltigkeit richtig verstanden? Die Demontage zu Monomaterialien sollte doch das Ziel sein, um den perfekten Kreislauf zu ermöglichen. Am Beispiel der in Bild 3 gezeigten Schließklappe soll das Dilemma von Mehrkomponententeilen bei dem genannten Belüftungssystem beschrieben werden. Einerseits sollen sie kostengünstig sein, andererseits auch ihre Funktion zuverlässig erfüllen. Hohe Anforderungen an die Lecklufteigenschaften und Geräuschminimierung stehen dem Kostendruck entgegen. Polypropylen als Hartkomponente für die Steifigkeit, gepaart mit einem thermoplastischen Elastomer, bieten mittels Stoffschluss seit Jahren eine gute Möglichkeit, den Anforderungen gerecht zu werden. Was ist aber mit der Demontage beziehungsweise dem angesprochenen Recycling der Monomaterialien? Vielleicht sollte ein Schritt zurückgegangen und die beiden Materialien nicht mehr stoffschlüssig, sondern formschlüssig verbunden werden, so wie es vor 20 bis 30 Jahren aus materialtechnischen Gründen nicht nur üblich, sondern auch notwendig war. Denn dann könnten durch Schreddern die beiden Materialien wieder sauber getrennt werden. Unter Beachtung des zuvor erwähnten Prinzips der örtlichen Qualität soll eine Einmateriallösung entwickelt werden. Hierfür kann zum einen auf die Temperaturabhängigkeit des Kristallwachstums von teilkristallinen Polymeren oder zum anderen auf eine durch Änderung der Scherraten hervorgerufene Entmischung von Verstärkungsstoffen zurückgegriffen werden.

Auch die Unternehmenskultur neu denken

Sicher sind einige sehr mutige, eventuell sogar sehr widersprüchliche Aussagen getroffen worden, deren Umsetzung immer für die im Anwendungsfall benötigten Anforderungen an den Prozess und das Bauteil gekoppelt sind. Es gilt aber zu beachten, dass Innovation keine „Kuschelwiese“ ist, in der nur Ideen auf rosa Wolken fliegen dürfen. Ideen sind keine Innovationen, um Ideen zu kommerziell verwertbaren Innovationen zu machen. Dann sind Konflikte vorprogrammiert und unvermeidbar. Nur das Auseinandersetzen mit Rückschlägen und Widersprüchen hilft, neue Lösungen umzusetzen und mutig zu bleiben. Als Fazit lässt sich sagen, dass nur eine ganzheitliche Unternehmenskultur verhindert, dass das NIH-Syndrom (not invented here) sich durchsetzt.

Quelle: Dr. Schneider Kunststoffwerke

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