Ein Auto-Modell aus blauem Partikelschaum.

Die Partikelschaumverarbeitung befindet sich aufgrund der Materialvielfalt und neuer Verarbeitungsverfahren im Umbruch. (Bild: NMB)

Der Schwerpunkt der Expertenstudie liegt in den Bereichen Prozessstrategien, dampflose Technologien sowie Hürden in der Verarbeitung von Partikelschäumen. Auch die Relevanz von Digitalisierung und Nachhaltigkeitsbetrachtungen wird thematisiert. Befragte Experten sind sowohl Verarbeiter als auch Endanwender. Die Partikelschaum-Verarbeiter wurden gefragt, welche Materialien bei ihnen selbst im Fokus stehen und welche Trends sich aufgrund aktueller Anfragen abzeichnen. Derzeit ist der Partikelschaum EPS mit 85 % am häufigsten genannt worden, gefolgt von EPP mit 62 % und ETPU mit 23 %. Außerdem werden sonstige Materialien erwähnt, zu denen XPS, PU, EABS, EPET, EPE und EPA gehören. Genannt sind die Nennungen und nicht die abgenommenen Materialmengen. Mehrfachnennungen möglich. Befragt wurden dazu 13 Partikelschaum-Verarbeiter. Als Entwicklungsbedarf wurde ganz klar die Entwicklung und Verfügbarkeit neuer biobasierter und bioabbaubarer Werkstoffe sowie rezyklierter Materialien genannt. Die Nachfrage steigt stetig an und wird immer mehr vom Markt gefordert, nicht zuletzt, weil durch EU-Vorschriften vorgegeben.

Warum Funktionalisierung und Automatisierung gewünscht sind

Ein klarer Trend ist, dass Funktionalisierung und Monomaterialverbunde im Fokus der Verfahrenskombinationen stehen. Jedoch ist dieser Trend material- und formabhängig. Die befragten EPS-Verarbeiter sehen verhältnismäßig wenig Relevanz in Verfahrenskombinationen oder Funktionalisierung. Dahingegen ist diese bei Verarbeitern und Endanwendern von EPP oder anderen Partikelschäumen hoch: Umschäumen und Hinterschäumen sowie Funktionalisierung stehen im Mittelpunkt. Starkes Interesse besteht an Hybridbauteilen sowie mit Blick Richtung Nachhaltigkeit an Monomaterialverbunden. Techniken zum Um- und Hinterschäumen sind bereits etabliert. Bei der Funktionalisierung besteht noch Entwicklungsbedarf, vor allem bei Hybridbauteilen. Beispielsweise das in-situ Einschäumen von Elektronik besitzt zum jetzigen Stand lange Zykluszeiten, da dieser Prozess in der variothermen Verarbeitung erfolgt. Zu diesem Thema wurden im Projekt Funcifoam (NW-1809-0002) sowohl Metallelemente und Elektronik in-situ eingeschäumt. Zukünftig gewünscht sind Kombinationsbauteile vor allem als Monomaterialverbund, um ein einfaches Recycling zu ermöglichen. Um erfolgreich diverse Monomaterialverbunde herstellen zu können, ist teilweise noch Entwicklungsbedarf notwendig. EPS-Verarbeiter äußern den Wunsch nach Verfahrenskombinationen zum Verbessern des Wärmedämmverbundes. Auch in-situ Prozesse zur Substitution des nachträglichen Klebeprozesses werden benötigt, um  eine sortenreine Produktion zu ermöglichen. In Hinblick auf diese Prozesse und weitere Verarbeitungsschritte in der Partikelschaum-Branche stellt die Automatisierung einen interessanten Faktor dar. Schweißen, Kleben oder Coating sind zusätzliche Prozessschritte, welche automatisiert werden können, beziehungsweise es zum Teil bereits sind. Weitere Schritte vor dem Schäum- oder Verschweißprozess sind je nach Material das Vorschäumen, das Auslagern oder die Druckbeladung. Danach steht unter anderem die Konfektionierung, das Nachlagern oder das Tempern an. Eine Automatisierung der Vor- und Nachbereitung nimmt zu, bedarf zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch weiterer Entwicklung, beispielsweise bei der Wareneingangskontrolle.

Zitat

Monomaterialverbunde sind auch bei Partikelschaum-Formteilen wichtig.

Das sind aktuelle Hürden und Einschränkungen

Wie in jeder Branche sind auch der Partikelschaum-Branche Grenzen hinsichtlich der Verarbeitung, der Materialauswahl oder der Kosten gesetzt. Tatsächlich werden die Kosten als stärkste Einschränkung gewertet. Sie sind für nahezu alle Befragten die größte Hürde hinsichtlich Verarbeitung und Einsatz neuer oder rezyklierter Werkstoffe: Zum einen sind die Energiekosten zur Dampferzeugung sehr hoch, zum anderen sind die hohen Werkzeugkosten insbesondere für Kleinserien problematisch. Des Weiteren wird vereinzelt erwähnt, dass für neuartige Schäume, welche hohe Temperaturen in der Verarbeitung erfordern, die entsprechenden Technologien fehlen oder noch nicht ausgereift sind (zum Beispiel dampflos). Vereinzelt stellt zudem die mögliche Geometrie im Formteilprozess – vor allem bezogen auf die Bauteildicke – eine Beschränkung dar. Für gewisse Anwendungen sind sehr dünnwandige Bauteile nötig, welche sich mit Partikelschaum nur schwer realisieren lassen. Im Gegensatz dazu benötigen manche Bauteile dicke Wandstärken, die sich derzeit mit dampflosen Prozessen nur schwer umsetzen lassen. Neben der Bauteildicke wird die mangelnde Materialauswahl für spezielle Anwendungen als Einschränkung genannt.

Balkendiagramm.
Dargestellt sind die Nennungen und nicht die abgenommenen Materialmengen. Mehrfachnennungen möglich. Befragt wurden dazu 13 Partikelschaum-Verarbeiter. (Bild: NMB)

Hohe Dampfdrücke oder doch dampflose Verarbeitung?

In den vergangenen Jahren ist das Thema Energie immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Der dampfbasierte Formteilprozess in der Partikelschaumverarbeitung steht dadurch vermehrt im Fokus. Vor allem Hochleistungskunststoffe benötigen deutlich höhere Temperaturen als Polystyrol in der Verarbeitung, was deutlich höhere Dampfdrücke bedeutet. Die Teilnehmer wurden nach ihrem Interesse an Dampfdrücken über 5 bar befragt. Die Antwort ist eindeutig: 90 % der befragten Firmen hat keinen Bedarf an höheren Dampfdrücken als 5 bar. Teilweise sind die Grenzen bereits durch den Arbeitsschutz (TÜV) gesetzt. Sind für bestimmte Materialien höhere Temperaturen beziehungsweise Dampfdrücke nötig, so wird beispielsweise auf die dampflose RF-Technologie gesetzt. Hier erfolgt der Energieeintrag nicht über Wasserdampf, sondern über Strahlung im Radiowellen-Frequenzbereich. Aber auch der dampflose variotherme Prozess stellt eine Alternative zu der dampfbasierten Verarbeitung dar. Hier wird lediglich das Werkzeug wasser- oder ölbasiert geheizt, sodass der Partikelschaum selbst nicht mit dem Heizmedium in Kontakt kommt. Dies ermöglicht zudem die Verarbeitung von wasserempfindlichen Materialien und beispielsweise das Einschäumen von Elektronik. Bei Notwendigkeit von höheren Dampfdrücken über 5 bar wird vorzugsweise auf eine andere, dampflose Technologie ausgewichen. Alternativen stellen unter anderem der RF-Prozess, der variotherme Prozess oder das Atecarma-Verfahren dar.

Prozessschema zum radiowellen-basierten Formschäumen.
Dampfbasiertes Formschäumen und radiowellenbasiertes Formschäumen (RF-Technologie, Kurtz). (Bild: NMB)

Trotzdem erfährt die dampflose Verarbeitung derzeit noch viel Kritik. Das Potenzial der Technologien ist als hoch eingeschätzt, jedoch sind vor dem Einsatz in der Serie weitere Prozessentwicklungen und Prozessverständnis nötig. Alle Befragten äußern sich interessiert gegenüber der dampflosen Verarbeitung, vor allem bezogen auf die RF-Technologie. Über den variothermen Verarbeitungsprozess sind nicht alle Teilnehmer ausreichend informiert. Als Vorteile sind die Energieeinsparung, die Möglichkeit der Verarbeitung von neuen Materialien (Hochleistungspartikelschäume, wasserempfindliche Partikelschäume) sowie die Dekorherstellung genannt. Die Verarbeiter erwähnen zudem geringere Investitions- und Energiekosten sowie den Wegfall der Dampfperipherie. Nach Erlangen dieser Informationen stellt sich folgende Frage: Welche Veränderungen sind durch die dampflose Verarbeitung zu erwarten? Durch mehr Technologien ergeben sich mehr Möglichkeiten (Innovationen) in der Verarbeitung. Jedoch sind sich die Verarbeiter einig: Erst in einigen Jahren werden die Technologien zur Serienproduktion eingesetzt werden, denn noch ist der Dampfprozess die beste Option für eine gute Verschweißung und stetige Reproduzierbarkeit. Folgende Nachteile werden als Erklärung geliefert: Zum heutigen Stand sind die Einschränkungen zu hoch, die Technologien seien noch nicht ausgereift. Vor allem komplexe Geometrien sowie die Bauteildicke und -größe zeigen deutlichen Entwicklungsbedarf. Entsprechende Werkzeugtechnologie  – auch abhängig von den eingesetzten Materialien – wird auf dem Markt ebenfalls als noch nicht etabliert angesehen. Weiterer Entwicklungsbedarf liegt beim Rohstoff: Diese müssen an die neuen Verfahren angepasst werden, sodass eine zuverlässige Verarbeitung gewährleistet ist. Eine weitere Frage, die sich die Befragten stellen, ist folgende: Liegt der Energieverbrauch der dampflosen Technologien tatsächlich weit unter dem der dampfbasierten Technologien? Dies sollte laut der Experten noch weiter untersucht und quantifiziert werden.

Wer wurde befragt?

An der Expertenstudie haben insgesamt 21 Entscheider aus Unternehmen im deutschsprachigen Raum – Deutschland, Österreich, Schweiz – teilgenommen. Davon sind 8 Partikelschaum-Verarbeiter (3 davon EPS-Verarbeiter), 8 Endanwendern (unter anderem Sport, Automotive, Luftfahrt, …) und 5 Firmen, die Partikelschäume verarbeiten oder geschäumte Teile in ihren Produkten einsetzen.

Wie neue Werkzeugkonzepte Dampf sparen

Neben der bereits erläuterten dampflosen Verarbeitung kann durch verbesserte Werkzeugtechnologie eine deutliche Einsparung von Dampf erreicht werden. Primäres Ziel ist, durch verbesserte Werkzeugkonzepte den Energieeinsatz zu reduzieren. Der Fokus aller Partikelschaum-Verarbeiter liegt aktuell auf der Dampfreduktion, beispielsweise durch kleinere Dampfkammern, um die temperierte Masse zu reduzieren. Ein weiterer Ansatz ist, vermehrt additiv gefertigte Werkzeuge zu nutzen, primär aus Metall, jedoch auch aus Kunststoff, um auch hier die temperierte Werkzeugmasse zu reduzieren und somit eine konturnahe Temperierung zu erzeugen. Vereinzelt befinden sich additiv gefertigte Werkzeuge bereits zum Test im Serienlauf. Spezielle Werkzeugkonzepte können zudem andere positive Eigenschaften mit sich bringen: beispielsweise die Strukturierung oder Texturierung der Werkzeuge. So kann die Oberfläche der Partikelschaumbauteile direkt im Formteilprozess strukturiert werden, was sich positiv auf die Oberflächenqualität auswirkt. Bei den EPS-Verarbeitern besteht derzeit kein Interesse an strukturierten Werkzeugoberflächen, sondern lediglich an der Dampfreduktion.

Digitalisierung und Ökobilanzierung

Das Thema Digitalisierung spielt in der gesamten Partikelschaum-Prozesskette eine wichtige Rolle. Die Datenerfassung von Parametereinstellungen und auch von Stoffströmen ist bei fast allen befragten Verarbeitern bereits etabliert. Jedoch ist die Aufzeichnung nicht immer automatisch, was jedoch als kurzfristiges und vor allem sehr wichtiges Ziel genannt wurde. Die Digitalisierung wird von allen Befragten als notwendig angesehen, um Prozessgenauigkeit und -sicherheit gewährleisten zu können. Die Nachverfolgbarkeit bis hin zur Rohmaterialcharge ist bisher nicht im großen Stil etabliert. Stark gefragt ist die Automatisierung, wie beispielsweise für das Tempern oder generell das Einführen einer vollautomatisierten Serienproduktion. Dies ist jedoch nur zu einem gewissen Grad umsetzbar. Zudem ist ein häufig geäußerter Wunsch die integrierte Qualitätsprüfung, wodurch die Verarbeitung um einiges stabiler werden würde. Die befragten Endanwender erläutern, dass die Nachverfolgbarkeit der verbauten Bauteile unbedingt auf die verwendete Charge zurückzuführen sein muss, was derzeit nicht immer der Fall ist. Oftmals muss proaktiv nach Daten gefragt werden, da nicht alle Maschinen gut an die Datenerfassung angebunden sind. Stark gefragt ist zudem der CO2-Fußabdruck, welcher nach heutigem Stand eine enorm wichtige Rolle auf dem Markt spielt. Life-Cycle-Assessment (LCA) ist hier das Stichwort. Nur mithilfe umfassender, zuverlässiger Datenerfassung kann über ausgewählte LCA-Software eine Ökobilanzierung erfolgen. Entwicklungsbedarf besteht hier auf jeden Fall: Die ständige Datenerfassung und vor allem auch die Korrelation der Daten sind notwendig. Unter den Befragten herrscht noch keine Klarheit, welche Daten in der Partikelschaumbranche tatsächlich von Bedeutung sind und wie die Daten anschließend sinnvoll ausgewertet werden können.

Darstellung des Entwicklungsbedarfs mit blauen Punkten.
Abgefragte Themen bewertet nach deren Entwicklungsbedarf. Der Fokus zukünftiger Entwicklungen sollte auf der dampflosen Verarbeitung, der Dampfreduktion durch neue Werkzeugkonzepte, der Digitalisierung und der Ökobilanzierung liegen. (Bild: NMB)

Recycling von Partikelschäumen

Auffällig ist sowohl bei der Befragung von Verarbeitern als auch Endanwendern, dass die Nachfrage nach Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen sowie mit Rezyklatanteil enorm hoch ist. Nicht zuletzt gibt es seitens der EU teilweise Vorschriften über einen bestimmten Anteil an Rezyklat. Jedoch liegt hier die Sorge der befragten Personen in der geforderten gleichbleibenden Qualität und Leistung sowie in der Verfügbarkeit der rezyklierten Materialien. Die Verarbeiter verwenden zum jetzigen Stand zu einem großen Teil die Ausschussteile als Rezyklat erneut im Prozess. Außerdem wird die Forderung nach nachhaltigen Materialien (Sekundärmaterialien und biobasierte Materialien) lauter. Es bildet sich ein Konflikt aus hoher Nachfrage an Rezyklat und nachwachsenden Rohstoffen zu der Anforderung an gleichbleibender Bauteilqualität und Eigenschaften. Die Befragten sind zudem aufgrund der regulatorischen Randbedingungen zu Nachhaltigkeitsberichten verpflichtet. Relevant sind dazu Energiereduktionen sowie der Einsatz von Wärmetauschern. Auch diese Ansätze werden in vielen Firmen verfolgt und weiter ausgebaut. Der Entwicklungsbedarf liegt vor allem im Bereich der dampflosen Verarbeitung beziehungsweise der Dampfreduktion. Das Einsparen von Energie und Kosten ist ein elementares Vorhaben. Auch die Datenerfassung und die zielführende Auswertung der Daten birgt noch großen Entwicklungsbedarf. Die Materialvielfalt der Partikelschäume ist ausbaufähig und muss vor allem um Rezyklate und biobasierte Werkstoffe ergänzt werden, wobei ein Qualitätsstandard gewährleistet sein muss.

Quelle: NMB

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