Ein Sparschwein aus schwarzem Partikelschaum. 3D-Demonstrator aus dem neuartigem ABS-basierten Partikelschaum mit einem Rezyklatanteil von 50 %.

3D-Demonstrator aus dem neuartigem ABS-basierten Partikelschaum mit einem Rezyklatanteil von 50 %. (Bild: NMB)

Das Thema Nachhaltigkeit hat in der heutigen Zeit hohe Priorität und fordert Innovationen zur Energieeffizienz für eine klimaneutrale Zukunft. Leichtbau spielt dabei eine wichtige Rolle, wobei die dafür verwendeten Materialien entsprechend ihrer Anwendung leistungsstark und auch bevorzugt rezy-kliert und rezyklierbar sein sollen. Partikelschäume, die zu etwa 90 % aus eingeschlossener Luft bestehen, reduzieren sowohl den Materialeinsatz als auch das Bauteilgewicht erheblich. Daher sind Partikelschäume aus Thermoplasten ein wichtiger Bestandteil für eine nachhaltige Produktentwicklung. NMB und Ineos Styrolution setzen im Rahmen ihrer Kooperation den Fokus in der Materialentwicklung auf Nachhaltigkeit und schöpfen das Potenzial der Partikelschäume noch weiter aus, indem sie einen expandierbaren, auf ABS basierenden Partikelschaum mit einem Rezyklatanteil von 50 % (E-rABS) entwickeln. Der Werkstoff soll dem Eigenschaftsprofil von EPP (expandiertes Polypropylen) möglichst nahekommen, jedoch der Verarbeitungsweise von EPS (expandiertes Polystyrol) ähneln. Das bedeutet, das Material wird wie EPS in kompakter Form als treibmittelbeladenes, expandierbares Mikrogranulat verschickt und kann vor Ort beim Verarbeiter aufgeschäumt werden. Die Transporteffizienz ist somit deutlich höher, wodurch Emissionen eingespart werden: Zum Beispiel können in einem Lkw (Volumen: rund 85 m³) bei idealer Raumnutzung circa 6 t aufgeschäumte Perlen mit einer Schüttdichte von 75 kg/m³ transportiert werden. Dahingegen passen aufgrund der Volumenersparnis theoretisch 50 t treibmittelbeladenes Mikrogranulat in den Lkw. Zudem kann das Verarbeiten auf für EPS entwickelten Formteilautomaten erfolgen, da nur geringe Sattdampfdrücke vorwiegend unter 1 bar Relativdruck (<120 °C) nötig sind. Standard-EPP Typen hingegen benötigen Dampfdrücke um die 2,5 bis 3 bar (≈140 °C), was einen höheren Energieeinsatz bedeutet. Ein weiterer wichtiger Beitrag des neu entwickelten Partikelschaums ist die Möglichkeit zur Kombination mit anderen Kunststoffelementen: So kann er beispielsweise mit ABS-Folien kombiniert und als Monomaterialverbund stofflich recycelt werden.

Schematische Darstellung der fünf wichtigsten Schritte des für Partikelschäume üblichen dampfbasierten Verarbeitungsprozesses.
Schematische Darstellung der fünf wichtigsten Schritte des für Partikelschäume üblichen dampfbasierten Verarbeitungsprozesses. (Bild: EPP-Forum)

Erfahren Sie die Entwicklungsschwerpunkte

Neben der Materialentwicklung ist es Ziel der Forschungsarbeiten, ein möglichst energieeffizientes und damit ressourcenschonendes Verarbeiten zu ermöglichen, was eine Optimierung der gesamten Prozesskette voraussetzt. Hierbei ist der Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe der Universität Bayreuth für das Herstellen von treibmittelbeladenem Mikrogranulat aus dem von Ineos Styrolution entwickelten Basispolymer rABS zuständig. Dieses Mikrogranulat wird anschließend bei der NMB vorgeschäumt und zu Formteilen verarbeitet. Die Herausforderungen liegen unter anderem in einer homogenen Partikelgrößenverteilung, um reproduzierbare Formteile herstellen zu können. Schwankt zum Beispiel der Treibmittelgehalt des beladenen Mikrogranulats, wird der Vorschäumprozess beeinflusst: Das Ergebnis ist eine inhomogene Partikelgrößenverteilung. Das wiederum bedeutet einen instabilen Formteilprozess, da die produzierten Bauteile Dichteschwankungen aufweisen. Ein weiteres Problem stellt ein zu hoher Treibmittelgehalt dar: Dies bedeutet bezogen auf den Formteilprozess Zykluszeiten im zweistelligen Minutenbereich. Prozessoptimierungen beim Verarbeiten und Untersuchungen zur Analytik, wie das Bestimmen des Treibmittelgehalts, der Zellstruktur und der thermischen sowie mechanischen Eigenschaften, führten zum erfolgreichen Meistern dieser Herausforderungen.

Wie die Schaumperlen hergestellt werden

Das Herstellen von mit Treibmittel beladenen, expandierbaren Partikeln erfolgt am Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe mittels einer Tandem-Extrusion-Anlage, an die eine Unterwassergranuliereinheit mit integrierter Lochplatte angeschlossen ist. Das Treibmittel wird in die Schmelze injiziert und mittels der Extruder homogenisiert und zur Lochplatte transportiert. Die daraus austretenden beladenen Schmelzstränge werden durch rotierende Messer zu Partikeln granuliert. Ein hoher Wasserdruck sorgt dafür, dass die Expansion unterbunden und das Treibmittel in den Polymerpartikeln eingeschlossen wird. Zum Abschluss werden die Partikel mit einer Antistatikbeschichtung ausgestattet. Die expandierbaren Partikel werden an der NMB entweder am dampfbasierten Vorschäumer oder am dampffrei arbeitenden, IR-basierten Vorschäumer auf die gewünschte Schüttdichte (50 bis 200 kg/m³) vorgeschäumt. Der nächste Schritt ist die Formteilherstellung, welche ebenfalls im Technikum der NMB über dampfbasierte Verschweißung am Formteilautomaten erfolgt. Die bereits vorgeschäumten Partikelschaumperlen werden unter Staudruck in die Kavität gefüllt. Das Bedampfen erfolgt anschließend mit Wasserdampf, wobei weniger als 1 bar Sattdampfdruck zum Verschweißen der einzelnen Schaumperlen nötig ist. Um eine geschlossene Bauteiloberfläche zu erhalten, wird zusätzlich ein Autoklavdampf mit ebenfalls weniger als 1 bar Sattdampfdruck eingestellt.

Tabelle: Vergleich der Ergebnisse der Wärmeleitfähigkeit, Biegefestigkeit, maximale Durchbiegung und Druckspannung von EPP und E-rABS mit einer Bauteildichte von 100 kg/m³.
Vergleich der Ergebnisse der Wärmeleitfähigkeit, Biegefestigkeit, maximale Durchbiegung und Druckspannung von EPP und E-rABS mit einer Bauteildichte von 100 kg/m³. (Bild: NMB)

Die mechanische und thermische Performance des Partikelschaums

Um mehr über das Eigenschaftsprofil und die Performance des E-rABS zu erfahren, wurden mechanische und thermische Tests durchgeführt. Folgende Werte beziehen sich auf Formteile mit einer Dichte von 100 kg/m³, welche bei Normklima (Temperatur 23 °C, relative Luftfeuchte 50 %) geprüft wurden. Hierbei handelt es sich um den aktuellen Versuchsstand, welcher weiterhin optimiert wird. Somit weist das E-rABS beispielsweise eine geringere Wärmeleitfähigkeit und demnach eine deutlich bessere Isolation als expandiertes Polypropylen (EPP) auf. Die Biegefestigkeit des E-rABS ist deutlich höher: Selbst bei einer Bauteildichte von 50 kg/m³ erreicht das E-rABS die Biegefestigkeit von EPP mit 100 kg/m³. Die Druckspannung bei verschiedenen Stauchungsgraden zeigt in dem Fall keinen Unterschied zwischen EPP und E-rABS. Das Rückstellvermögen jedoch ist bei EPP höher als bei E-rABS.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Hierfür könnte der Werkstoff eingesetzt werden

Der mögliche Bauteildichtebereich des E-rABS beginnt bei etwa 50 kg/m³. In Kombination mit dem Eigenschaftsprofil führt das zu einem breit gefächerten Anwendungsfeld: Dieses reicht unter anderem von Wärme- beziehungsweise Schallisolierung für Wohnwägen und Trucks bis hin zur Energieabsorption in Helmen für die Sportindustrie und den Personenschutz sowie in wiederverwendbaren Transportboxen. Dank seines breiten Eigenschafts- und Anwendungsprofils bietet E-rABS neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Zukunft. Das Material vereint ein hohes Leichtbaupotenzial mit einem Rezyklatanteil von 50 Gew.-% und kann zudem im Gegensatz zu Polyurethanschaum am Ende der Lebensdauer mechanisch rezykliert werden.

Weitere Autoren:

  • Stefan Meier, Business Development Manager bei Inesos Styrolution
  • Peter Schreier, Teamleiter Kunststoffe Partikelschäume bei NMB
  • Dr.-Ing. Thomas Neumeyer, Leiter Geschäftsbereich Kunststoffe bei NMB
  • Prof. Dr. Holger Ruckdäschel, Geschäftsführer NMB

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Neue Materialien Bayreuth GmbH

Gottlieb-Keim-Str. 60
95448 Bayreuth
Germany

Universität Bayreuth Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe Polymer Engineering - IMA II

Universitätsstr. 30
95440 Bayreuth
Germany