Aktuell ist zu beobachten, dass die Konstrukteure beginnen, sich mit dem Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C) – von der Wiege zur Wiege – zu beschäftigen. Das C2C-Prinzip zielt darauf ab, dass am Ende der Produktlebensdauer ein nicht verwertbarer Abfall gar nicht erst entsteht. Die Bestandteile des Produkts sind entweder biologisch abbaubar oder können komplett wiederverwertet werden. Per se gelten in der Automobilindustrie sowie auch in anderen Bereichen Metalle im Unterschied zu Kunststoffen als kreislaufgeeignet. Trotzdem werden die Kunststoffe weder aus dem Auto noch aus vielen anderen Gütern verbannt werden, denn sie haben klare und bekannte Vorteile wie zum Beispiel ein enormes Leichtbaupotenzial
Das sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen
Bereits Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre wurde in einigen Projekten die Kreislauffähigkeit von Automobilkunststoffen untersucht. Die Branche war in Aufregung, da eine EU-Regelung zur kostenlosen Rücknahme von Altfahrzeugen ins Haus stand. Die heutige Altfahrzeugverordnung, vormals Altautoverordnung, regelt die Rücknahme und Verwertung von Fahrzeugen, die zu Altfahrzeugen und damit zu Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geworden sind. Außerdem gibt die Verordnung eine Verwertungsquote für das Fahrzeugrecycling vor. Sie beruht auf der Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge und dem Kreislaufwirtschaftsgesetz. Unter anderem fordert die Altautoverordnung seit dem 1. Januar 2015 eine Verwertungsquote (Wiederverwendung + Recycling + Energierückgewinnung) für Altfahrzeuge vom mindestens 95 Gew.-% sowie eine Recyclingquote (Wiederverwendung + Recycling) von mindestens 85 Gew.-%. Da man sich in der Fachwelt einig ist, dass 75 Gew.-% eines durchschnittlichen Fahrzeugs metallischer Natur ist, müssen gemäß Verordnung mindestens zusätzliche 20 Gew.-% einer stofflichen oder thermischen Verwertung zugeführt werden und 10 Gew.-% eines jeden verwerteten Fahrzeugs müssen einer rein stofflichen Verwertung zugeführt werden. Diese gesetzliche Regelung bedeutet, dass seit geraumer Zeit Kunststoffe aus Automobilen einer Verwertung zugeführt werden müssen. Von den 2,78 Mio. Fahrzeugen, die im Pandemiejahr 2020 in Deutschland stillgelegt worden sind, sind nur etwa 410.000 in Deutschland verwertet worden. Von den 1.064 Verwertungsbetrieben wurden weniger als 1.000 t große Kunststoffteile für den Wiederverkauf und für das Recycling demontiert. Der Rest der Kunststoffe landet in der sogenannten Shredderleichtfraktion. Aus dieser Fraktion werden in der Regel noch enthaltene Metalle zum Recycling abgetrennt. Der eher mineralreiche Anteil der Shredderleichtfraktion (circa 26.000 t) kann beispielsweise im Deponiebau oder Bergversatz, also als Füllmaterial zum Stabilisieren untertägiger Hohlräume und somit stofflich verwertet werden, während der heizwertreiche Anteil (ebenfalls rund 26.000 t), der unter anderem die Kunststoffe enthält, meist energetisch in Müllverbrennungsanlagen oder als Ersatzbrennstoff verwertet wird [2]. Zum Vergleich: In Deutschland werden fast 200.000 t rPET verarbeitet, also rezyklierte PET-Flaschen ins Bottle-to-Bottle Recycling gegeben.
Diese Aktivitäten zum stofflichen Verwerten erfolgten bereits
Projekte zur Erforschung und Entwicklung des Recyclings von Kunststoffen aus Automobilen gab es bereits vor dem Flaschenrecycling. 1991 wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe (Pravda = Projektgruppe zur Altfahrzeugverwertung der deutschen Automobilindustrie) der deutschen Automobilhersteller BMW, Ford, Mercedes-Benz, Opel, Porsche und Volkswagen/Audi ins Leben gerufen. Pravda setzte sich sowohl mit den technisch-wirtschaftlichen Aspekten als auch mit dem politischen Umfeld der Altautoverwertung auseinander. Um das Verwerten der bislang nicht genutzten Automobilmaterialien zu initiieren, wurden zu den Stoffgruppen Fahrzeugverglasung, Kunststoffe, Textilien, Reifen/Elastomere und Shredderrückstände Arbeitskreise gebildet [1]. Zum anderen beschäftigte sich von 1991 bis 1998 die EWVK (EWVK = Entwicklungsgesellschaft für die Wiederverwertung von Kunststoffen mbH, Wiesbaden), ein Joint-Venture der früheren Höchst mit BASF und Bayer, mit der Entwicklung von Konzepten für das Recycling von gebrauchten Kunststoffen speziell aus automobilen Anwendungen. In zahlreichen Publikationen wurden die Ergebnisse ausführlich dargestellt. Die Gesellschaft beschäftigte sich mit dem Recycling von Interieur- und Exterieurbauteilen und auch mit Kunststoffen aus dem Motorraum [3-6]. Insgesamt konnte eindrucksvoll aufgezeigt werden, dass die Kunststoffe auch am Ende ihres ersten Lebens noch erstaunliche Eigenschaften aufweisen und somit für ein zweites Leben durchaus brauchbar sind (Bild 2).
Das Recycling von Verbundglas wäre branchenübergreifend sinnvoll, um größere PVB-Mengen zu generieren.
Das sind die Herausforderungen
In der Altautoverordnung ist die Rede von „großen Kunststoffteilen“, die vorrangig einem Recycling zugeführt werden sollen. Leicht demontierbar sind Exterieurbauteile wie die Stoßfängeraußenhaut beziehungsweise -abdeckung oder auch ganze Stoßfängersysteme (Bild 1). Sie bestehen häufig aus einem PP/EPDM-Compound. Leider steht die heute fast durchgängig angewendete Lackierung einer Verwertung auf hohem Niveau entgegen. Vorzerkleinerte Stoßfängerflakes werden also sinnvollerweise einem Entlackungsprozess unterworfen, bevor das unter der Lackierung befindliche Polymercompound zurückgewonnen werden kann. Pionierarbeit hat in diesem Zusammenhang Peter Wiedemann geleistet [9], der einen Verfahrensweg beschritten hat, um Lackschichten von Kunststoff-Stoßfängern zu entfernen. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der im Jahr 2020 verwerteten 1.000 t Kunststoff aus End-of-Life Vehicles (ELV) tatsächlich verwertete Altstoßfänger waren. Generell gilt bei Kunststoffteilen aus Automobilen, dass unter einer Lackschicht meistens schwarz eingefärbte Formteile zum Vorschein kommen. Häufig ist nicht eindeutig erklärbar, warum das so ist. Jedenfalls erschwert die Rußfüllung der Bauteile eine optische Sortierung, falls diese erforderlich sein sollte, um eine hohe Sortenreinheit der Kunststofffraktionen gewährleisten zu können [7]. Schwarze Oberflächen reflektieren eben wenig bis gar kein Licht. Hier können laserbasierte optische Sortierverfahren wie Libs (= laser-induced breakdown spectroscopy) oder LIF (= laserinduzierte Fluoreszenz) helfen. Eine Zusammenfassung dieser Möglichkeiten findet man unter anderem in [15]. Auch kann der Laser genutzt werden, um Lackschichten selbst abzutrennen [13]. Einem Forscherteam der Hochschule Ansbach gelang im Verlauf eines von der DBU geförderten Forschungsprojekts die Ablösung der Lackschicht von verschiedenen Kunststoffmaterialien wie ABS, PP und PC/PBT [14]. Herausforderungen beim Recycling von Automobilkunststoffen sind also die fast immer vorliegende schwarze Einfärbung, aufgebrachte Lackierungen, fest haftende Werkstoffverbünde und in den Kunststoff eindiffundierte Verunreinigungen. Im Fall der Kunststoff-Kraftstoffbehälter sind dies eingedrungene Kohlenwasserstoffe. Letztlich hat sich herausgestellt, dass, um ein hochwertiges PE-HD zurückgewinnen zu können, eine Extraktion des Polymers mit überkritischem CO2 ein sicherer Weg ist [8, 10]. Allerdings ist fraglich, ob diese Aufbereitung auch wirtschaftlich sein kann. Weitere große Kunststoffteile im Sinne der Richtlinie 2000/53/EG sind Instrumententafeln, Sitze, Kofferraumauskleidungen oder Unterbodenverkleidungen. Bezüglich der Instrumententafeln gibt es auch schon lange Recyclingkonzepte und auch in die Praxis eingeführte Techniken, mit denen es gelingt, den mehrschichtigen Verbund aufzulösen und die eingesetzten Produkte zu separieren [11, 12]. Doch wer baut schon aus alten Autos die I-Tafel aus? Sitze hingegen wären einfach zu entnehmen. Wege zum Recycling von PU-Schäumen gibt es auch. Hier sind also größere Mengen relativ schnell zu generieren.
Warum es sinnvoll ist, die Glasscheiben zu recyceln
Wenn es um das Recycling von Automobil-Kunststoffen geht, wurde bisher auch selten das Thema Polyvinybutyral (PVB) beachtet. Dabei wird PVB-Folie benötigt, um als polymere Zwischenschicht im Verbundsicherheitsglas zu wirken. Die Fahrzeugverglasung soll ohnehin vor dem Shredderprozess entnommen werden, und es gibt zusätzlich im Glasrecycling große Mengen Alt-VSG aus Gebäuden. Den Glasrecyclern ist die klebrige Folie ohnehin ein Dorn im Auge beim Flachglasrecycling. PVB ist ein hochpreisiger Thermoplast, sodass ein Recycling wirtschaftlich attraktiv erscheint. PVB ist in Alkoholen löslich, und so liegt es nahe, dass die Solvolyse, also die Inlösungnahme des Kunststoffs mit sich anschließender Ausfällung des Kunststoffs nach Reinigungsschritten ein sinnvoller Recyclingweg wäre, so wie dies das Fraunhofer IVV für diverse Kunststoffe beschreibt [16]. Dabei ist zu beachten, dass auch lösemittelbasierte Recy-clingverfahren „nur“ physikalisch wirken und streng genommen kein chemisches Recycling sind, denn aufgrund ihrer Polarität wechselwirken Lösungsmittelmoleküle mit den Polymermolekülen und bilden eine Polymerlösung. Das Polymer wird chemisch nicht verändert. In weiteren Untersuchungen wurden die mit Glasanhaftungen verunreinigten PVB-Abfälle aus dem Flachglasrecycling nassmechanisch mit Friktionswäscher und Dichtetrennung aufbereitet. Auch auf diesem Weg gelingt die Herstellung einer Rezyklatfolie (Bild 3), obwohl sie die hohen Anforderungen an eine Glasfolie der Automobilindustrie so nicht erfüllen kann [17]. Würden die Mengen aus Automobilen (Reparatur + ELV) und Gebäude gebündelt, so ist das Potenzial groß: Allein in Deutschland fallen bis zu 10.000 t PVB-Folie pro Jahr an.
Wann Kunststoffrecycling von Automobilteilen funktioniert
Kunststoffrecycling funktioniert, wenn die Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Das Beispiel Recycling von PET-Flaschen wurde schon erwähnt. Die Batterieverordnung hat letztendlich dafür gesorgt, dass bei den Bleirecyclern große Mengen an Akkumulatorgehäusen anfallen. Diese Gehäuse der Autobatterien sind durchgängig aus Polypropylen. Wen wundert es, dass seit geraumer Zeit rezykliertes PP aus alten Autobatterien sogar in automobilen Anwendungen zu finden ist. Es wird genutzt für Radhausschalen und Unterbodenverkleidungen (Bild 4).
In einem gewissen Umfang werden heute vor allem Stoßfängerverkleidungen dem Werkstoffrecycling zugeführt. Der Ausbau weiterer Kunststoffteile aus Automobilen, die dem Recycling zugeführt werden könnten, rechnet sich nicht. Circa 26.000 t kunststoffreiche Shredderabfälle werden bei uns der thermischen Verwertung zugeführt. Technologien zur werkstofflichen Aufbereitung von Shredderabfällen wurden in Deutschland wieder verworfen. Firmen wie Galloo machen das, gewinnen aber minderwertige Fraktionen mit geringen Ausbeuten zurück. Neue Forschungsansätze bestehen darin, die organischen Anteile der Shredderleichtfraktion zum Beispiel mithilfe der Pyrolyse in kleine chemische Bestandteile zu zerlegen. Diese können dann wieder Bausteine für neue Polymere sein. Auch dieser Ansatz ist nicht neu, so betreibt die Group Mitsubishi Chemical (ehemals CFK Valley Stade Recycling und Carbo NXT) eine Pyrolyseanlage zum Recycling carbonfaserverstärkter Kunststoffe.
Literatur
[1] Schwald, B.: Auswahl verfahrenstechnischer Technologien unter Nutzung synergetischer Ansätze beim Altautomobilrecycling. 2001, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61857, abgerufen am 10.05.2023
[2] Kohlmeyer, R.: Jahresbericht über die Altfahrzeug-Verwertungsquoten in Deutschland im Jahr 2020. Dessau-Roßlau 2022
[3] Baierweck, P. et.al.: Wiederverwertung betriebsmittelkontaminierter Kfz-Teile dargestellt am Beispiel des Kühlerwasserkasten. Kunststoffe 82(1992) 915-920
[4] Meyer, H. et.al.: Kühlergrill-Recycling: Stoffkreislauf in der Praxis. Kunststoffe 83 (1993) 35–38
[5] Meyer, H. et.al.: Recycling von ABS - Technologien und Perspektiven, Teil I und II. Plastverarbeiter 45 (1994) 16–21 und 80-83
[6] Orth, P., Schmiemann, A.: Werkstoffliches Recycling. In: Bottenbruch und Binsack (Hrsg.): Kunststoff-Handbuch 3/4: Polyamide, Hanser Verlag 1998
[7] Lindweiler, P.: Sensortechnik für Kunststoffrecycling. In: Thomé-Kozmiensky und Goldmann (Hrsg.): Recycling und Rohstoffe. TK Verlag, Neuruppin 2015, S. 603-617
[8] Schäfer, K. et.al.: Extraktion mit überkritischem Kohlendioxid im Rahmen des Kunststoffrecyclings. Chemie Ingenieur Technik, 78(2006) 1251-1252. https://doi.org/10.1002/cite.200650367
[9] Wiedemann, P.: Verfahren zum Entlacken von lackierten Substratteilen und Einrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens. Veröffentlichung 22.10.1998, Patent DE19715945A1
[10] Woidasky, J. et.al.: Kontaminierte Kunststoffe im Kreislauf. Kunststoffe (2005) 104-106
[11] Löhr, K. et.al.: Aufbereitungstechnik. Hanser Verlag, 1995
[12] Wiedemann, P.: Geschlossene Kreisläufe für Kunststoffverbunde. Tagung „Autorecycling in Europa – Chancen und Risiken“. 3. bis 4. Mai 2000, HdT, Essen
[13] Sover, A., Zink, M. Lackschichten umweltfreundlich entfernen. J. Oberfl. Techn. 61, 50–53 (2021). https://doi.org/10.1007/s35144-021-1188-4, abgerufen am 10.05.2023
[14] So werden Lackschichten umweltfreundlich entfernt. (plastverarbeiter.de), abgerufen am 10.05.2023
[15] Nienhaus, K. et.al.: Sensor technologies. Impulses for the raw materials industry. Shaker Verlag, Aachen 2014. Schriftenreihe Zur Aufbereitung und Veredlung. Bd. 50. ISBN 978-3-8440-2563-7
[16] Schlummer, M. et.al.: Die Rolle der Chemie beim Recycling – Physikalisches und chemisches Recycling im Vergleich. Kunststoffe (2020) 6, 51-54
[17] Schmiemann, A.: Recycling of Polyvinyl Butyral (PVB) from Laminated Safety Glass. SPE-ANTEC 2012
Quelle: Ostfalia Hochschule
Kunststoffrecycling: Der große Überblick
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