Mann mit kurzen braunen Haaren sowie Brille und Schutzbrille sitzt vor einem Laborgerät. Laborentwicklung eines polymeren Additivs im 60-l-Reaktor. Produktionsmengen im Industriemaßstab werden durch Lohnhersteller realisiert.

Laborentwicklung eines polymeren Additivs im 60-l-Reaktor. Produktionsmengen im Industriemaßstab werden durch Lohnhersteller realisiert. (Bild: Polytives)

Innovationen und Beiträge, welche die Kreislaufwirtschaft stärken, führen die Trends der aktuellen Entwicklungen in der Kunststoffindustrie an. Auch das Unternehmen Polytives aus Thüringen hat mit seiner entwickelten Plattformtechnologie eine Innovation in petto, mit der Verarbeitungs- und Verwertungsprozesse von unterschiedlichen Basiskunststoffen nachhaltig optimiert werden können. In der Praxis sehen sich Pro-zesseigner beim Einsatz von Mahlgütern oder Rezyklaten oft mit intrinsischen Problemen konfrontiert: unterschiedliche Qualitäten, unterschiedliches Fließverhalten, aufwendiges Verblenden, im schlimmsten Fall Lieferengpässe und Verfügbarkeitsprobleme der ursprünglich angedachten recyclierten oder auch originären Materialien. Den Beschäftigten in Produktion, Wareneinkauf oder Qualitätskontrolle kann durch polymere Additive ein starkes Werkzeug an die Hand gegeben werden: Mit dem Einsatz eines auf Acrylat basierenden Fließverbesserers als Prozesshilfsmittel kann exemplarisch die Melt Volume-Rate (MVR) unterschiedlichster Polymersortimente vereinheitlicht und harmonisiert werden. Der Clou: Der Fließverbesserer A 3745 aus der Produktfamilie BFI fügt sich chemisch ideal ins Material ein. Einbußen bei mechanischen oder physikalischen Eigenschaften fallen dabei vernachlässigbar gering aus. Verarbeiter müssen somit keine Kompromisse eingehen.

Schlüssel liegt in der Polymerarchitektur

Die Hersteller der hier besprochenen polymeren Additive haben sich das chemische Materialdesign zur Kernkompetenz gemacht. „Kunststoffe selbst bestehen aus einzelnen Bausteinen, die wie Perlen auf einer Kette aufgefädelt sind. Die Änderung der Kettenstruktur von linear zu Kämmen, Sternen oder Bäumen beeinflusst die Eigenschaften des Materials stark. So lag der Gedanke nahe, diese Strukturen als Additive in Kunststoffen einzusetzen und so die Materialeigenschaften zu optimieren“, erklärt Oliver Eckardt, Mitgründer und CTO des Thüringer Unternehmens. Statt Basispolymere wie PMMA linear aufzubauen, verzweigt Polytives diese und erhält so eine leistungsstarke Additivalternative. In Studien mit zertifizierten Prüflaboren hat sich unter anderem gezeigt, dass eine Dosierung ab 1 % bis zu 10 % des polymeren Additivs eine erhebliche Verbesserung der Fließfähigkeit bewirkt. Diese konnte inzwischen in Bemusterungen bei Kunststoffverarbeitern bestätigt werden, weshalb beispielsweise auch Aussagen bezüglich unterschiedlicher PMMA-Typen getroffen werden können. Hier eröffnet sich auch das große Potenzial der Technologie: Die Aufarbeitung und Verwendbarkeit von Post-Industrie- und Post-Consumer-Rückständen werden technologisch attraktiver. Ressourcen für Bestell-, Verwaltung- und Kontrollvorgänge können eingespart werden.

Tabelle: Performance-Vergleich Plexiglas 6N und entsprechende 5%-ige Verblendung.
Tabelle 1: Performance-Vergleich Plexiglas 6N und entsprechende 5%-ige Verblendung. (Bild: Polytives)

Viskosität für Compoundierung und Recycling einstellen

Ein grundsätzliches Problem beim Verarbeiten oder Verwerten unterschiedlicher Sorten von Schüttgütern, insbesondere aus dem Bereich der Rezyklatware, sind die zum Teil großen Differenzen in der Viskosität, die an der Melt Flow Rate (MFR) erkennbar sind. Die Einstellung dieser Prozessgröße wird bisher zum Beispiel beim Extrudieren oder Spritzgießen vorgenommen, indem passende Viskositätsprofile verblendet werden. Durch den Einsatz der vorgestellten Additiv-Technologie wird dieser Vorgang vereinfacht. Um einen Ziel-MFR von 19 zu erhalten, wurde bisher beispielsweise ein Compound aus einer zähfließenden Qualität (MFR = 8) mit einer gut fließenden Qualität (MFR = 55) verblendet. Nun ist ein Verblenden mit 10 % des polymeren Additivs ausreichend, um die leichtfließende Komponente gänzlich zu ersetzen und den dafür eingesetzten Anteil an zäher Qualität zu steigern. Dieser Effekt kann nicht nur beim Compoundieren genutzt werden, sondern steigert auch die Attraktivität in der Recyclingbranche. Hier kann nun spezifisch ein MFR eingestellt werden, um die Bandbreite aller anfallenden Viskositäten innerhalb der vorliegenden Rezy-klate für eine Prozessierung zu bündeln. Der Umgang mit unspezifischen, wechselnden Bulk- oder Mischqualitäten wird somit deutlich vereinfacht und in der Folge deutlich effizienter. Bislang zähfließende Polymerschmelzen werden prozessierbar und bisher ungenutztes Material kann zu einer Güte verwertet werden, welche nicht mehr nur für Extrusionsanwendungen, sondern auch für den Spritzguss die nötige Performance mitbringt.

Kurvendiagramm. Veränderung des MVR unterschiedlicher Fließqualitäten bei Zugabe von A 3745.
Bild 1: Veränderung des MVR unterschiedlicher Fließqualitäten bei Zugabe von A 3745. (Bild: Polytives)

Additive mit positiven Begleiterscheinungen

Es ist ein offenes Geheimnis: Additive sind die eigentlichen Performancetreiber in vielen Kunststoffen. Das gilt in der Baubranche ebenso wie bei Lacken und Coatings, bei Klebstoffen oder im 3D-Druck. Das gesteigerte Bewusstsein für Ressourcenmanagement in der Gesellschaft führt dazu, dass eine energieeffiziente Verarbeitung und ein nachhaltiges Wirtschaften im Fokus stehen. Beides wird durch die oben vorgestellte Plattformtechnologie vereint: Materialuntersuchungen haben gezeigt, dass die hier beschriebenen polymeren Additive aufgrund ihrer Verzweigung durch bessere Fließfähigkeit und niedrigere Glaspunkte die Energieeinträge verringern und Zykluszeiten verkürzen. Im Spritzguss können Prozessdrücke und Plastifiziertemperaturen verringert werden. Das resultiert in einer kosteneffizienteren und schonenden Verarbeitung der Ausgangsmaterialien. Beispielsweise konnten bei der Verblendung von 5 % des polymeren Additivs mit einem Plexiglas 7N an einer Spritzgussmaschine einzelne Temperaturzonen von >260 °C auf unter 220 °C, in vielen anderen polymeren Prozessen teilweise um mehr als 20 % reduziert werden. Die Performance des Materials in Prozess und Endanwendung bleibt bei dieser Verblendung im Allgemeinen gleich.

Einfluss polymerer Additive auf die Zusammensetzung einer Formmasse.
Bild 2: Einfluss polymerer Additive auf die Zusammensetzung einer Formmasse. (Bild: Polytives)

Ganzheitlicher Einfluss auf die Wertschöpfungskette

Visionäre und innovationsfreudige Kunststoffverarbeiter und -verwerter können aus der oben beschriebenen Performance beispielsweise die folgenden drei Möglichkeiten entwickeln, die Kernprozesse der eigenen Firma ganzheitlich auf ein neues Level bringen:

  • Mit der beschriebenen Möglichkeit zur Erreichung unterschiedlicher Fließqualitäten mittels polymerer Additive und damit verbundener passgenauer Einstellung der Fließfähigkeit kann eine weitere Flexibilisierung der Maschinenkapazität vorangebracht werden, denn zum Beispiel Zuhaltekräfte limitieren nicht mehr. Mehr Agilität in der Prozessplanung macht das eigene Unternehmen robuster gegen Störungen in der Lieferkette oder extreme Preisschwankungen am Markt.
  • Führt man den eben aufgezeigten Gedanken fort, wird sich für den Einkaufs- und Logistikbereich – neben der Energieeinsparung – zeigen, dass eine Sortimentsbereinigung mit einer verbesserten Lagerorganisation und Skaleneffekten bei der Beschaffung einhergeht. Statt unterschiedlichste Fließqualitäten zu lagern und wie bisher zu prozessieren, wird Aufwand eingespart, wenn auf wenige hochfrequentierte Spezies zurückgegriffen wird. Diese können dann nach Bedarf schnell und unkompliziert modifiziert werden.
  • Durch die Einsparungen an Energie in Produktions- und Verwertungsprozessen sowie verminderten Abnutzungserscheinungen an den Geräten wird es einfacher werden, die eigene Aufstellung hinsichtlich Nachhaltigkeit und einer besonders schonenden Materialumgangsweise zu stärken. Da die hier betrachteten polymeren Additive an unterschiedlichen Stellen im Verarbeitungsprozess Stellschrauben beeinflussen und zusätzlich sekundäre Effekte ermöglichen, ist ihr Potenzial groß. Insbesondere Ideen in Richtung Kreislaufwirtschaft können hier bisher verschlossene Türen öffnen.
Tabelle: Adressierbare Kunststofftypen für polymere Additive.
Bild 3: Adressierbare Kunststofftypen für polymere Additive. (Bild: Polytives)

Universeller Einsatz, spezifische Anwendung

Obwohl die hier besprochene Produktfamilie der polymeren Kunststoffzusätze bisher hauptsächlich auf Acrylat basierende Fließverbesserer zurückgeht, werden momentan auch analoge Materialien entwickelt. Eine erfolgversprechende Verblendung wurde bereits mit mehreren Kunststoffsorten getestet und soll aufgrund der positiven Effekte im nächsten Schritt für die Serie pilotiert werden. Um Pilotierung und Skalierung voranzutreiben, gab es kürzlich einen Standortwechsel, dem Aufbau und Betrieb einer eigenen Produktionsanlage mit Start in 2025 folgen. Das erhöht noch einmal die Produktionskapazitäten, die bereits jetzt durch das Einbinden von Lohnherstellern gesichert sind. Neben der Herstellung von leicht modifizierbaren Standardprodukten wird auch die Kapazität ausgeweitet, spezielle F&E-Projekte lösungsorientiert für komplexe Anforderungen zu verfolgen. Die Möglichkeiten gehen hier beispielsweise von der Verblendung von biobasiertem Material über die weitere Aktivierung bisher ungenutzter Abfälle für das Recycling und die damit verbundene Kompensierung von CO2 bis hin zu völlig neuen Anwendungen, die heute (noch) unmöglich erscheinen.

Quelle: Polytives

Fakuma 2023: Halle A5, Stand 5104

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Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

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