Das 8-fach-Nadelverschluss-Werkzeug für das Herstellen von Weich-PVC-Tropfkammern für die Medizintechnik.

Das 8-fach-Nadelverschluss-Werkzeug für das Herstellen von Weich-PVC-Tropfkammern für die Medizintechnik. (Bild: Arburg)

Auf einem Allrounder 470 H mit 8-fach-Nadelverschluss-Werkzeug wurden während der Jubiläumstage von Arburg Weich-PVC-Tropfkammern für die Medizintechnik produziert. Werkzeug wie auch das Heißkanalsystem stammen von dem Schweizer Werkzeugbauer Fostag, Stein am Rhein. Damit kann das temperatursensitive Material schonend und nicht wie bisher üblich über eine Angussspinne verarbeitet werden. Das Heißkanalsystem von Fostag macht die Produktion von PVC-Produkten einfach, sicher, schnell sowie nachhaltig und wirtschaftlich, denn durch das angusslose Verarbeiten von PVC kann der Materialeinsatz um bis zu 70 % reduziert werden. Außerdem ist der Energiebedarf geringer und das kompaktere Werkzeug ermöglicht, kleinere Maschinen mit geringerer Stellfläche einzusetzen.

Warum es anspruchsvoll ist, PVC im Spritzguss zu verarbeiten

Der Schweizer Werkzeugbauer hat für das Herstellen der Tropfkammer einen Nadelverschluss-Heißkanal zum direkten Anspritzen von Teilen aus PVC, also ohne Angussspinne, entwickelt. Thomas Eberhard, Leiter Marketing und Vertrieb bei Fostag, sagt zur Entwicklung: „Bei PVC und anderen ähnlich anspruchsvoll zu verarbeitenden Materialien hat Fostag mit diesem System ein Alleinstellungsmerkmal. Unser Heißkanal und unsere Werkzeuge sind immer das Herzstück der Produktionsanlagen.“ Aber was genau macht dieses System nun so besonders? Dazu ist es wichtig zu wissen, dass PVC beim Verarbeiten ein anspruchsvolles Kunststoffmaterial ist. Eberhard: „Nur wenige trauen sich den Einsatz zu, aber in vielen Branchen ist es notwendig und unverzichtbar. Gerade in der Medizintechnik oder im Automotivebereich. PVC hat viele interessante Charakteristika, vor allem auch im Medizinsektor. Unter anderem ist es säurebeständig und hat gute chemische Eigenschaften.“ Es ist aber empfindlich, weil sehr hitzesensitiv und wird daher meist im Kaltkanal oder bestenfalls mit Teilheißkanal verarbeitet. Im Heißkanal bilden sich gerne sogenannte „Black Spots“, dunkle Verunreinigungen, die durch Schmelzrückstände im Heizsystem oder durch anhaftendes Material in den Zuführkanälen oder Schnecken entstehen können. Solche Verschmutzungen sind bei glasklaren Produkten nicht nur optisch störend, sie können die Funktion eines Produktes auch direkt beeinflussen.

Wie die Maschine für die PVC-Verarbeitung softwareseitig...

Sven Kitzlinger, Senior Application Manager bei Arburg erklärt: „Der hybride Allrounder 470 H verfügt über eine optimierte Nachdruckumschaltung mit dem ‚AXW Control Pressurepilot‘ und eine bionische Druckregelung am Umschaltpunkt auf Basis natürlicher Druckabbauvorgänge. Dadurch wird die Formfüllung konstanter und die Balancierung verbessert. Gratbildungen und Unterfüllungen werden so vermieden. Die Sollwertvorgabe erfolgt von Umschaltspritzdruck auf Nachdruck, also über nur einen Parameter. Hinzu kommen der ‚AXW Control Meltassist‘, der ‚AXW Control Energy-assist‘ sowie der Gestica-Assistent ‚4.Start-Stop‘.“ Der Meltassist erlaubt die Kommunikation zwischen Zylindermodul und Maschine. Schneckenbezogene Parameter werden für die Prozessberechnung zur Verfügung gestellt, um das Aufbereiten des Materials schnell bewerten und anpassen zu können.
Die Abhängigkeiten während des Ein- und Ausschaltens der Maschine zeigt der Energyassist auf einer zentralen Seite der Steuerung an. Das unterstützt unter anderem die energetische Optimierung beim Hochfahren und Abschalten von Maschine und Prozess. Geringere Energiekosten und Reduktion von CO2-Emissionen sowie das Vermeiden von thermischer Zersetzung des Materials und Beschädigung des Heißkanals werden ebenfalls erfasst. Der Assistent „4.Start-Stop“ sorgt für einen schnellen und sicheren Produktionsanlauf, etwa durch seine Zusatzfunktionen für Werkzeuge mit Heißkanal. So können die Produktionskapazitäten erhöht, die Anfahrteile reduziert, auch komplexe Prozesse sicher gestartet und ein kontrollierter Abschaltablauf zur Energieeinsparung und Vorbereitung für den Neuanlauf eingesetzt werden. Die Features von Maschine und Werkzeug greifen also ineinander und sorgen für eine gute Verarbeitungsumgebung.

Die transparente Tropfkammer aus Weich-PVC wiegt 5,5 g und wird in   einer Zykluszeit    von 15 s hergestellt.
Die transparente Tropfkammer aus Weich-PVC wiegt 5,5 g und wird in einer Zykluszeit von 15 s hergestellt. (Bild: Arburg)

... und hardwareseitig angepasst wurde

Der Allrounder hat einen BMA-Bimetall-Zylinder, eine spezielle PVC-Rückstromsperre sowie eine Chromnitrid-beschichtete Niederkompressionsschnecke, eine Spitze mit flachem Winkel und angepasstem Düsenkörper. Die Chromnitrid-Schicht sorgt für eine sehr hohe Beständigkeit gegen Abrasion und Verschleiß, Korrosion und Oxidation bei einer gleichzeitig extrem niedrigen Neigung zum Verkleben. Durch solche Beschichtungen werden auch Spritzzylinder und Schnecken für das Verarbeiten von Kunststoffen mit einer hohen Haftneigung ertüchtigt. Entsprechend darauf angepasst sind auch die Düsenkörper. Die Maschinenaufspannplatten sind zum Vermeiden von Korrosion chemisch vernickelt, die gesamte Maschine wird durch eine zusätzliche Lackierung metallischer Oberflächen gegen Korrosion geschützt.
Auch verschiedene Reinraumoptionen lassen die Maschine produktionssicher werden. Dazu zählen:

  • NSF H1-Zulassung von Schmierstoffen und Öl
  • die Maschineneinhausung in GMP-konformer Edelstahlausführung
  • erhöhte Maschinenfüße zur besseren Reinigung des Bodens
  • eine Qualifizierungs- und Validierungsdokumentation
  • Reinraummodule mit Ionisierung
Große grüne Maschine. Die Tropfkammern aus Weich-PVC wurden auf einem Allrounder 470 H gefertigt.
Die Tropfkammern aus Weich-PVC wurden auf einem Allrounder 470 H gefertigt. (Bild: Arburg)

Das sind die Besonderheiten des Heißkanalsystems

Beim Heißkanalsystem ist vor allem die Materialführung entscheidend und erfolgt bei dieser Entwicklung auf direktem Weg. Für Weich- und Hart-PVC stehen Needle Valve- und Thermogatesysteme zur Verfügung. Durch den Wegfall der Angussspinne reduziert sich die Zykluszeit, und je nach hergestelltem Produkt kann die Materialeinsparung bis zu 70 % betragen. Durch das kompakte Werkzeug kann die Maschinengröße reduziert werden. Beim gezeigten Beispiel mit dem 64-fach-Werkzeug für die Weich-PVC-Tropfkammer mit dem Nadelverschlusssystem konnte die Maschine mit 3.500 kN Schließkraft und Kaltkanal auf eine Maschine mit 2. 000 kN Schließkraft verkleinert werden. Durch die Direktanspritzung liegen sehr kurze Fließwege vor, und es gibt keine toten Ecken, in denen Material verbrennen könnte. Die Verweilzeit des Materials im Heißkanalsystem ist kurz und der Druckverlust gering. Das Heißkanalsystem ist aus rostfreiem Stahl gefertigt, und durch die zugänglichen Fließkanäle ist eine einfache Heißkanalreinigung möglich, wodurch sich Instandhaltungszeiten und -kosten reduzieren. Für die Beständigkeit wurden die Auswerfer sowie die Formeinsätze und -platten ebenfalls Chromnitrid-beschichtet. Weiterhin sind die Umlenker austauschbar und die Materialbohrungen besitzen eine hohe Oberflächengüte. Neben Hart- und Weich-PVC können mit diesem Heißkanalsystem auch Materialien wie COC oder PVDF verarbeitet werden.

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Wie viele Kavitäten möglich sind

Der Schweizer Werkzeugbauer rüstet mit dem Heißkanalsystem 2- bis hin zu 96-fach-Werkzeuge aus. Das in Loßburg produzierte transparente Medizinteil besitzt ein Schussgewicht von 44 g und ein Teilegewicht von 5,5 g. Die Zykluszeit liegt bei 15 s, was einer Zykluszeitreduktion im Vergleich zur herkömmlichen PVC-Verarbeitung von 8 bis 10 s entspricht.
Bei einem Schussgewicht von 44 g liegt die Materialeinsparung durch den überflüssigen Anguss allein bei etwa 31 g, die reduzierte Schließkraft bei 100 kN. Wird dies auf ein 64-fach-Werkzeug hochgerechnet, so kann eine Maschine mit rund 800 kN geringerer Schließkraft auskommen. Das Heißkanalsystem ist mit hochkavitätigen Werkzeugen also auch auf kleineren, kompakteren Maschinen nutzbar. Am Ende steht somit eine merkliche Produktivitäts- und Produktqualitätssteigerung.

Quelle: Arburg, Loßburg

Quelle: Fostag Formenbau, Stein am Rhein, Schweiz

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