Dr. Ralf Düssel

Dr. Ralf Düssel, Vorsitzender des Kunststofferzeugerverbandes Plastics Europe Deutschland. (Bild: Plastics Europe Deutschland)

Herr Dr. Düssel, bislang hat die kunststofferzeugende Industrie gut von einem linearen Wirtschaftsmodell gelebt. Wieso nun der Wandel in Richtung Kreislaufwirtschaft?
Dr. Ralf Düssel: Das ist der einzige Weg, die Ziele, die sich Europa und Deutschland hinsichtlich einer Treibhausgas-Verringerung und Klimaneutralität gesetzt haben, zu erreichen. Unsere Studie Reshaping Plastics – Pathways to a Circular, Climate Neutral Plastics System in Europe zeigt, dass wir schon einige Schritte in die richtige Richtung gemacht haben. Aber sie zeigt auch, dass wir noch zu langsam sind. Die Transformation zur Klimaneutralität muss schneller gehen und da ist Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Beitrag. Sie hilft dabei, Abfälle zu reduzieren und den Einsatz von fossilen Rohstoffen zu senken. Viele unserer Mitgliedsunternehmen setzen bereits verschiedene nachhaltige Rohstoffe ein. Es gibt auch schon erste Beispiele für geschlossene Materialströme. Aber wir müssen an dieser Stelle noch schneller werden und deshalb unterstützen wir als Verband den Wandel vom linearen zum zirkulären Wirtschaften sehr stark.

Chemisches Recycling kann einen Beitrag leisten. Wie weit ist man da technologisch?
Düssel: Es gibt erste Anlagen, die im kleineren industriellen Maßstab Pyrolyseöle herstellen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Forschungsprojekte in Deutschland und Europa. Wir müssen die Innovationen in diesem Bereich aber noch stärker vorantreiben. Wir müssen zum Beispiel verstehen, wie man mit unterschiedlichen Abfallströmen umgeht. Dafür brauchen wir aber ein innovationsfreundliches Umfeld. Als Wirtschaftsbranche haben wir klare Investitionszusagen gemacht. Wir werden 2025 etwa 2,6 Milliarden Euro investieren und diese Summe bis 2030 auf bis zu 7,2 Milliarden Euro steigern. Aber wir brauchen dabei die Sicherheit, dass die Produkte, die aus dem chemischen Recycling gewonnen werden, auch als Rezyklate regulatorisch anerkannt werden.

Derzeit überlegt die EU, die Produkte aus chemischem Recycling anders zu klassifizieren als die aus mechanischem. Was würde das für Ihre Industrie bedeuten?
Düssel: Das wäre nicht gut. Wir unterstützen Technologieoffenheit. Denn wir sind überzeugt, weder wir in der Industrie noch die Regulierer in der EU und in Deutschland wissen, wie die Welt in zehn Jahren aussieht. Deshalb brauchen wir eine technologieoffene Einstufung des Recyclings. Nur dann können auch alle Investitionen und Innovationen vorangetrieben werden, so dass am Ende die beste Recycling-Methode für die jeweilige Anwendung etwa hinsichtlich ihres Klimaschutzpotenzials zum Einsatz kommt. Deshalb sind wir ausdrücklich kein Unterstützer der unterschiedlichen Behandlung der verschiedenen Recyclingmethoden.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Bunte Bauklötzchen gestapelt
(Bild: Plastics Europe Deutschland)

Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie sich mit Ihrer Verbandssicht durchsetzen?
Düssel: Ich glaube, wir sind auf einem ganz guten Weg. Es freut mich sehr, dass das Thema im deutschen Koalitionsvertrag aufgegriffen wurde und dass das chemische Recycling demnach in der Verpackungsverordnung seinen Platz finden soll. Wir werden alles dafür tun, dass das auch so kommt.

Können Sie einmal beschreiben, welche Methode wo künftig ihren Platz haben wird?
Düssel: Es wird oft behauptet, dass das chemische Recycling dem Mechanischen Marktanteile wegnimmt. Dieser Denkansatz ist falsch. Wir brauchen ganz klar noch mehr mechanisches Recycling, die Kapazitäten müssen hier deutlich ausgebaut werden. Das chemische Recycling setzt dort ein, wo das mechanische an seine Grenzen kommt. Zum Beispiel wenn zu oft rezykliert wurde und die Kunststoffketten deshalb immer kürzer geworden sind oder aber wenn wir sehr gemischte Abfälle haben. Ein gutes Beispiel sind die Rotorblätter von Windrädern, die meist aus glasfaserverstärktem Kunststoff bestehen. Hierfür brauchen wir chemisches Recycling, weil durch das mechanische kein verwertbares Produkt herausbekommt. Mit chemischem Recycling können wir dort eine Qualität erreichen, die mit Neuware vergleichbar ist. Man kann dieses Material also etwa wieder in Medizinprodukten oder für Lebensmittelanwendungen einsetzen. Und genau deshalb sind beide Recyclingverfahren komplementär und wir brauchen unbedingt beide.

Die Way2K-Interviewreihe:

Hand mit Recyclingzeichen in der Hand
(Bild: Ourteam - stock.adobe.com)

Bis zur K-Messe 2022 sind es zwar noch einige Monate, nichtsdestotrotz können Sie die verbleibende Zeit investieren und einen Blick in die bisherigen Interviews aus der Way2K-Reihe des VDMA werfen. Hier gelangen Sie zur Übersicht.

Chemisches Recycling erfordert allerdings einen hohen Energieeinsatz.
Düssel: Neue Studien zeigen, dass man für den Prozess des chemischen Recyclings fünf bis zehn Prozent des Energieinhaltes des Abfalls einsetzen muss. Man holt dann etwa 70 Prozent des Kohlenstoffatoms wieder zurück. Das ist nicht schlecht. In anderen Studien wird der Energiebedarf von mechanischen mit chemischem Recycling verglichen. Auch da sieht das chemische Recycling gar nicht so schlecht aus. Wir arbeiten an weiteren Verbesserungen. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch das chemische Recycling auf ein gutes Niveau beim Energieverbrauch bringen werden, erst recht, wenn die Versorgung mit Strom und Wärme aus grünem Strom besteht.

Welche Rolle kommt dem Design-for-Recycling in dem Bemühen um Klimaneutralität zu?
Düssel: Das ist auch ein wichtiger Baustein für das Schließen des Kreislaufs und damit für die Erreichung von Treibhausgasneutralität. Da gibt es schon viele gute Beispiele. Etwa eine recycling-fähige Zahnbürste oder ein Autositz aus nur einem Material – beides erhöht die Chancen, aus ausgedienten Kunststoffprodukten wieder Rezyklate zu gewinnen. Wir werden auf der K sicher viele solcher Beispiele sehen. Man muss es nur konsequent umsetzen und die Kunden und Endverbraucher müssen die Produkte akzeptieren. Vermeiden von Abfall, Abfallreduzierung, Wiederverwendung und dann erst Recycling, gefördert etwa durch Design-for-Recycling, das ist der richtige Weg.

Können wir irgendwann ganz auf fossile Rohstoffe verzichten?
Düssel: Wenn wir die Kreisläufe schließen, brauchen wir keine fossilen Rohstoffe mehr. Wenn wir das dann mit grüner Energie kombinieren, ist das ein enormer Schritt, um Treibhausgasneutralität zu erreichen. Ohne Kreislaufwirtschaft wird es allerdings nicht gehen.

Quelle: VDMA

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