465 Teilnehmende aus 32 Ländern besuchten die Konferenz für erneuerbare Materialien, wo neben 80 Vorträgen, 20 Podiumsdiskussionen und fünf Workshops die drei Gewinner des Innovationspreises ihre Awards entgegennahmen.
Der erste Platz ging an die von Kuori entwickelten umweltschonenden elastischen Materialien. Auf dem zweiten Platz landete Colipis CO2-armes Hefeöl, den dritten Platz belegte das plastikfreie Naturpolymer Traceless des gleichnamigen Unternehmens.
Platz 1: Bio-basierte und biologisch abbaubare elastische Materialien
Das Schweizer Unternehmen Kuori entwickelt und produziert bio-basierte und biologisch abbaubare elastische Materialien auf der Grundlage von Lebensmittelabfällen wie Bananenschalen und Nussschalen, die nachhaltige Alternativen zu herkömmlichen elastischen Materialien für verschiedene Anwendungen bieten.
Der erste Anwendungsfall sind Schuhsohlen. Kuori arbeitet hierzu mit Schuhherstellern zusammen, die Sohlen aus diesen Materialien herstellen. Dadurch wird laut Unternehmen die Anhäufung von dauerhaftem Mikroplastik vermieden und eine ökologische End-of-Llife-Perspektive für das Produkt geboten.
Christoph Gürtler, Leiter der globalen Industrie- und Forschungskooperationen bei Covestro, gratulierte wie folgt: „Mit Kuori, die an bio-basierten und biologisch abbaubaren elastischen Materialien arbeiten, beispielsweise für Schuhsohlen, hat das Publikum ein hochinteressantes Thema für den renommierten Renewable Materials of the Year Award 2023 ausgewählt. Wir gratulieren dem Gewinner und sind stolz darauf, diesen Preis zu sponsern und eine langfristige Beziehung mit dem Nova-Institut und der Renewable Carbon Initiative zu pflegen“.
Die von Kuori eingesetzten Materialien können laut Unternehmen durch industrielle Kompostierung vollständig in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden. Somit ermöglichen sie ein zirkuläres Geschäftsmodell für Schuhproduzenten und Hersteller anderer Waren.
„Der positive Spirit und Veränderungswille hin zu einer Kreislaufwirtschaft entspricht unseren Unternehmenswerten und unserer Mission. Wir hatten die Möglichkeit, mit internationalen Unternehmen wertvollen Austausch darüber zu führen, haben wertvolle Kontakte gewonnen und freuen uns über weitere Kontaktaufnahmen“, so Raul Schweizer, COO von Kuori.
Platz 2: CO₂-armes Hefeöl
Das Hamburger Start-up Colipi entwickelt Bioprozesse für die Umwandlung von CO₂ in nachhaltige, CO₂-arme Alternativen zu Pflanzenölen wie Palmöl. Die Kerninnovation ist ein patentierter Gasfermentations-Bioreaktor, der die weltweit schnellsten CO₂-verwertenden Mikroorganismen nutzt und Abgase, die CO₂ (direkt), H2 und O2 enthalten, in kohlenhydratreiche Biomasse umwandelt. Diese Biomasse und/oder industrielle organische Nebenströme dienen als Ausgangsmaterial für heterotrophe Fermentationen, beispielsweise die Hefeöl-Fermentation.
Bestimmte Hefestämme haben die Stärke der Rohstoff-Agnostik: eine große Vielfalt an verschiedenen Rohstoffen kann als Kohlenstoffquelle dienen, unter anderem C5-Zucker, C6-Zucker, flüchtige Fettsäuren und Fettreste. Colipi arbeitet aktiv an der gemeinsamen Forschung und Entwicklung mit Unternehmen, die potenzielle Rohstoffe zur Verfügung stellen, während das Start-up diese auf ihre Eignung für den jeweiligen Zweck testet.
Das Produkt besteht aus Triacylglyceriden, die in ihrer Zusammensetzung denjenigen von Pflanzen, beispielsweise Ölpalmen, entsprechen und hauptsächlich aus C16:0-, C18:0- und C18:1-Fettsäuren bestehen. Außerdem werden Moleküle wie antioxidative Vitamine, nämlich Astaxanthin, Tocopherole und andere Carotinoide gewonnen.
Laut Unternehmen haben Ökobilanzen und techno-ökonomische Analysen ergeben, dass die Produkte sowohl einen niedrigen CO₂-Fußabdruck hinterlassen als auch wirtschaftlich tragfähig sind. Die Fermentation mit zwei separaten Prozess-Schritten soll in Zukunft auf einen einstufigen Prozess reduziert werden.
Platz 3: Plastikfreies Naturpolymer
Traceless, ebenfalls ein Hamburger Start-up, erhielt für sein gleichnamiges plastikfreies Naturpolymer Bronze. Das Material basiert auf pflanzlichen Rückständen aus der Landwirtschaft und enthält ausschließlich bio-basierten Kohlenstoff. Der Ansatz unterstützt den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien und vermeidet gleichzeitig einen direkten Nahrungsmittelkonflikt.
Darüber hinaus ist Traceless laut Unternehmen eine giftfreie und klimafreundliche Lösung, da bei der Herstellung und Entsorgung bis zu 95 % weniger CO₂ ausgestoßen wird als bei herkömmlichen Kunststoffen. Die zum Patent angemeldete Produktionstechnologie ist skalierbar und effizient und spart bei der Herstellung durchschnittlich 83 % des fossilen Energiebedarfs ein. Obwohl Traceless optisch wie haptisch Plastik gleicht, ist das Material zertifiziert, plastik- und mikroplastikfrei und vollständig biokreislauffähig.
Das Start-up produziert Traceless als Basismaterial in Granulatform. Die Kunststoff- und Verpackungsindustrie kann dieses Granulat mit Standard-Verarbeitungstechnologien zu festen Produkten, flexiblen Folien, Beschichtungen oder Klebstoffen weiterverarbeiten. Auf diese Weise kann Traceless in einer Vielzahl von Endprodukten eingesetzt werden – von Einwegprodukten, über starre und flexible Verpackungen, bis hin zu Produkten mit hohem Abrieb und Beschichtungs- und Klebstofflösungen.
Fragen zur Zukunft der Chemie- und Werkstoffindustrie
Ein zentrales Thema der Konferenz war die Zukunft der Chemie- und Werkstoffindustrie. Wichtige Aspekte in diesem Kontext waren unter anderem die folgenden Fragen: Wie kann eine starke und nachhaltige Industrie aussehen, die ihren Kohlenstoff nicht mehr aus fossilen Quellen bezieht? Welche Möglichkeiten bieten bio-basierte Produkte, Produkte aus CO2 und chemisches Recycling im Jahr 2023? Welche Trends zeichnen sich für die Raffinerien der Zukunft ab? Welche neuen Bausteine und Polymere wachsen am Markt überdurchschnittlich und lohnen sich für eine Investition? Welche Nachfrage besteht und welche Impulse kommen von den Markenherstellern? Welche politischen Rahmenbedingungen können den Wandel der Branche begleiten und unterstützen?
Investitionen in fossile Kohlenstoffprodukte stellen Risiko dar
Für das Erreichen von Net-Zero-Emissionen, insbesondere wenn Scope-3-Emissionen einbezogen werden, zu denen die Rohstoffe und das Lebensende der Produkte gehören, stellen fortgesetzte Investitionen in fossile Kohlenstoffprodukte ein erhebliches Risiko dar. Investoren und Markeninhaber üben zunehmend Druck auf die Anbieter aus, schnell in alternative Kohlenstoffquellen zu investieren. Deren Verfügbarkeit war ein weiteres zentrales Thema der Renewable Materials Conference.
Michael Carus, Geschäftsführer des Nova-Instituts, einem Forschungs- und Beratungsinstitut in Hürth und Veranstalter der Konferenz in Siegburg, fasst die aktuelle Situation wie folgt zusammen: „Es ist klar, was getan werden muss, die Technologien sind vorhanden und viele Unternehmen sind bereit, in erneuerbare Lösungen zu investieren. Was jetzt noch fehlt, sind kluge politische Maßnahmen, um die Brücke zwischen heute und 2050 zu schlagen, damit die Unternehmen in der Nachhaltigkeitstransformation wettbewerbsfähig bleiben“.
US-Inflation Reduction Act trifft auf European Green Deal
Der US-Inflation Reduction Act legt eine politische Strategie fest, um die Defossilisierung der chemischen Industrie hin zu einer Industrie, die auf erneuerbarem statt fossilem Kohlenstoff basiert, zu beschleunigen. In Siegburg wurde in diesem Kontext die Frage diskutiert, wie der europäische Green Deal gestaltet werden kann, um einen ähnlichen Effekt auf umweltfreundliche Investitionen in Europa zu haben. In einem Workshop der Brüsseler DG Grow wurden dazu Vorschläge aus der Industrie gesammelt. Momentan stammen 93 % des Kohlenstoffs, der für Chemikalien und Materialien in Europa verwendet wird, aus fossilen Quellen – bis 2050 muss dieser Anteil vollständig reduziert werden.
Wandel hin zu einer Netto-Null-Kreislaufwirtschaft
Auf der Konferenz wurden zudem mögliche Wege zu einer Netto-Null-Zukunft für Materialien und Chemikalien vorgestellt. Dominik Müller, Senior Manager Sustainability & Market Development bei UPM Biochemicals, dem wichtigsten Sponsor der Konferenz, sah in der Veranstaltung „die perfekte Plattform, um mit anderen Experten zu diskutieren, wie wir den Wandel hin zu einer Netto-Null-Kreislaufwirtschaft beschleunigen können. Es wurde deutlich, dass alternative Rohstoffe wie bio-basierte, CO2-basierte und recycelte Rohstoffe die wichtigsten Hebel sind, um diesen Wandel zu ermöglichen. Es bedarf klarer Botschaften und eines starken Engagements entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von den Rohstofflieferanten über den Chemiesektor bis hin zu den Marken, damit die Industrie schneller und mutiger handeln kann“.
Sponsoren und Unterstützer
Auf der Renewable Materials Conference waren Unternehmen aus drei Kontinenten als Sponsoren tätig: „Platinsponsor“ war UPM Biochemicals aus Finnland. Als „Goldsponsoren“ agierten der ebenfalls finnische Mineralölkonzern Neste, Alfa Laval aus Schweden, TÜV Austria aus Österreich, Covationbio und IFF aus den USA, die kanadischen Konzerne Sugar Energy und GS Biotech und der südafrikanische Zellstoff- und Papieranbieter Sappi.
Als „Bronzesponsoren“ agierten Echo Instruments aus Slowenien und Sulzer aus der Schweiz sowie die deutschen Unternehmen Din Certco, Heraeus, JRS, BASF und das Forschungsinstitut Kunststoff und Recycling. Borealis aus Österreich war Sponsor des „Get Together“, der Innovationspreis wurde von dem deutschen Werkstoffhersteller Covestro gesponsert.
Unterstützt wurde die Konferenz zudem von Industrie- und Handelsverbänden, gemeinnützigen Organisationen, Forschungseinrichtungen und Interessengruppen wie der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik, der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe oder dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen.