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Dr.-Ing. Stefan Caba, Head of Innovation Area Sustainable Vehicle Development, EDAG Engineering, Fulda (Bild: Redaktion)

Kunststofftechnik war für mich als Studiengang optimal, denn mit den Leistungskursen Chemie und Physik gibt es wohl kaum eine passendere Wahl. Gerade die Möglichkeiten, die sich im Leben daraus entwickeln können, waren zudem ausschlaggebend. Kunststoff war und ist ein immer vielfältiger werdender Werkstoff, der einfach nicht mehr wegzudenken ist und auch nicht weggedacht werden muss. Für mich war klar, dass es ein Wachstumsmarkt ist und ich gerne wissen würde, wie die Dinge, die ich täglich sehe, hergestellt werden.

Meist war für mich Kunststoff verbunden mit der Automobilindustrie. Mein Studium Maschinenbau mit Vertiefungsrichtung Kunststofftechnik war Dual, sodass ich vieles, was ich in den Vorlesungen sehen konnte, entweder schon kannte oder wenige Wochen später live sehen konnte. Nach dem Bachelor hatte ich noch nicht den Eindruck, alles über Kunststoffe zu wissen, sodass ich direkt den Master Kunststofftechnik in Darmstadt anschloss. Hier fand ich sehr gut, dass man seine eigenen Schwerpunkte setzen konnte und das Studium eher in einen Projektarbeitsmodus wechselte. So konnte ich mich unter anderem mit Prozessoptimierung und Faserverbundwerkstoffen eingehender beschäftigen. In der Masterarbeit entwickelte ich das Wickelverfahren für Gusspolyamid. Auch heute bin ich mir immer noch sicher, dass das vor mir noch niemand gemacht hat. Eine besonders schöne Erfahrung.

In meiner späteren Tätigkeit auf dem Weg zur Promotion an der TU Ilmenau konnte ich auch viele tiefe Einblicke in Verpackung, Medizintechnik oder Bauwesen sammeln. Dabei zeigte sich immer wieder, dass die Ersteinschätzung der großen Vielfältigkeit definitiv stimmt. Denn durch neue Werkstoffe, Verfahren und den sich daraus ergebenden Kombinationen lassen sich weiterhin völlig neue Konzepte umsetzen, die zu besseren Produkten führen. Das gilt insbesondere für den damals im Fokus stehenden Bereich der Faserverbunde, wo ich einen sehr tiefen Blick in die Prozesstechnik des Resin Transfer Molding werfen durfte.

Die Aufgaben des Kunststofftechnikers erstrecken sich von Werkstoffauswahl und -herstellung über Konstruktion bis zur Prozessauslegung und Maschinenbau. Und in jedem Schritt müssen die folgenden mitgedacht werden. Lineare Zusammenhänge gibt es im Grunde genommen nicht und es zahlt sich immer wieder aus, alle Möglichkeiten im Voraus abschätzen und bewerten zu können. Die Früchte der Ingenieursarbeit in der Kunststofftechnik wachsen in der Regel in großen Mengen. Gerade im Spritzgießen fallen jede Minute mehrere bis hin zu hunderten Bauteilen aus der Maschine. Es macht mir weiterhin viel Spaß am Ende zu sehen, wie schnell ein Bauteil dann produziert wird. Ein besonderes Erlebnis war es hier für mich, eine Maske gegen Covid-19 zu entwickeln und 200.000-fach zu produzieren – und das in gerade einmal 5 Wochen.

Aber auch in der täglichen Arbeit als Projektmanager im Innovationsbereich der EDAG Group kann ich vielfach aus meiner Ausbildung schöpfen. Es fällt mir immer wieder auf, dass das Wissen, wie Kunststoffbauteile entwickelt werden, keine Selbstverständlichkeit ist. Die zu berücksichtigenden Faktoren, das Verstehen der Begrifflichkeiten und Kennzahlen, die Notwendigkeit und die Interpretation von Tests – all das ist für Außenstehende meist sehr kompliziert. Häufig bekomme ich kleine Anfragen von Kollegen zu Kunststoffen oder neuen Fertigungsverfahren, denen ich mit einfachen Antworten eine große Recherche ersparen kann. Kunststoff ist und bleibt ein entscheidender Werkstoff im Fahrzeug, der Wechsel zur E-Mobilität ändert daran nichts, sondern erzeugt neue Chancen.

Ich kann daher überzeugt sagen, das Studium zahlt sich für mich sehr aus und ich würde es definitiv wieder tun. Darüber hinaus freue ich mich immer wieder das Wissen weitergeben zu können, was auch häufig angefragt wird, denn verglichen mit er Anzahl von Kunststoffprodukten ist die Anzahl der Kunststofftechniker vergleichsweise klein. Daher kann ich nur jedem raten, auch ein Studium – sei es Bachelor und Master oder auch nur eines der beiden aufzunehmen. Das gilt für mich auch für die häufig als Problem ohne Lösung beschriebenen Entsorgungsmöglichkeiten. Die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft setzt tieferes Verständnis voraus, das ein echter Gewinn sein kann.

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