Frau im schwarzen Anzug vor einer Hecke

Bettina Dempewolf, Leiterin Kommunikation bei Plastics Europe Deutschland (Bild: Luca Hofmannbeck)

Der August hat begonnen und damit das neue Ausbildungsjahr. Wie viele Lehrstellen sind in der Kunststoffindustrie im Lehrjahr 2023/24 unbesetzt geblieben?

Bettina Dempewolf: Basierend auf der Statistik der Bundesagentur für Arbeit waren im Juli 2023 von 2.780 Berufsausbildungsstellen zum Kunststoff- und Kautschuktechnologen 1.510 Stellen unbesetzt. Das sind mehr als 50 %. Dramatisch ist das Ganze, wenn man sich die Zahlen über die vergangenen 10 Jahre ansieht. Im Juli 2013 hatten wir noch 3.030 Ausbildungsstellen, von denen gerade einmal 890 unbesetzt waren. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber hat sich über die letzten 10 Jahre um mehr als die Hälfte verringert, während die Zahl der Ausbildungsstellen nahezu gleich geblieben ist. Diese Tendenz nehmen wir leider insbesondere auch an den Fachhochschulen wahr, die über einstellige Studienanfängerzahlen im Bereich der Kunststofftechnik klagen.

Wann sollte Ihrer Meinung nach mit der Fachkräftewerbung für die Kunststoffbranche begonnen werden?

Dempewolf: Mit der Fachkräftewerbung kann gar nicht früh genug begonnen werden.  Denn nur wenn es uns gelingt, den Kindern in der Grundschule die Lust am Experimentieren und die Lust an MINT-Fächern zu wecken, werden die naturwissenschaftlichen Fächer in der Sekundarstufen I & II auch als spannend empfunden. Frei nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein!“ Deshalb haben wir bei Plastics Europe Deutschland schon seit über 20 Jahren das Bildungsprogramm für die Grundschulen „Kunos coole Kunststoff-Kiste“ ins Leben gerufen und machen jährlich etwa 25 Lehrkräftefortbildungen mit verschiedensten Kooperationspartnern zu diesem Thema. Inzwischen gibt es allerdings Überlegungen, das bestehende Unterrichtsmaterial, nämlich das Schulbuch „Kunststoffe – Werkstoffe unserer Zeit“ sowie die „Kunststoff-Probensammlung“, um ein Experimentierprogramm für eben jene Zielgruppe, die kurz vor der Berufswahl steht, also für Realschüler und Gymnasiasten der Sekundarstufe I & II, zu erweitern. Nichtsdestotrotz sind wir fest davon überzeugt, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Industrie als Multiplikatoren benötigen, um zu jeder Zeit Werbung für unsere tolle Branche zu machen. Wer sich wirklich für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft interessiert, kommt nun genau zur richtigen Zeit in die Kunststoffbranche.

Welche Möglichkeiten sieht Plastics Europe Deutschland für die mittelständische Kunststoffindustrie, damit sie für die Fachkräfte attraktiv bleibt?

Dempewolf: Ein großer Vorteil der mittelständischen Industrie ist die lokale Verbundenheit der Firmen. Für die Generation Z spielt das Gehalt nicht mehr die vorrangige Rolle. Immer wichtiger sind andere Faktoren wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, die 3-Tage-Woche und motivierende Führungskräfte. Aber auch die Themen Image und Nachhaltigkeit werden für junge Menschen immer bedeutender. Für viele von ihnen steht Purpose, die gesellschaftliche Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit an erster Stelle. Da ist der Weg in eine Industrie die sich gerade selbst neu erfindet aus meiner Sicht der Richtige. Manchmal sind es aber auch die individuellen, flexiblen Lösungen, die ein Unternehmen insbesondere für Azubis interessant macht. Ich weiß zum Beispiel von einem Kunststoffverarbeiter, der seinen Azubis kostenfrei ein E-Auto für die Fahrt in die Berufsschule zur Verfügung stellt. Das Unternehmen befindet sich in einer Gegend, in der die öffentlichen Verkehrsmittel keine gute Verbindung anbieten. So ein Auto kann für einen jungen Menschen also ausschlaggebend sein, die Ausbildung dort und nicht woanders zu beginnen. Für den Mittelstand ist es umso wichtiger, vor Ort, beispielsweise beim Maus-Türöffner-Tag oder über Schülerlabore beispielsweise mit Kunststoffexperimenten aus Kunos cooler Kunststoff-Kiste sichtbar zu sein, um junge Nachwuchskräfte frühzeitig für ihr Unternehmen zu begeistern. Doch auch der Social Media-Auftritt und das sichtbare und gelebte Engagement für eine nachhaltige Unternehmenspolitik sind nicht außer Acht zu lassen. Die direkte Zugänglichkeit und der Austausch, ob persönlich oder virtuell, sind oft entscheidend.

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