Mann auf einer Bühne vor einem Auditorium

Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann begrüßte die rund 600 Teilnehmer des diesjährigen Internationalen Kolloquium Kunststofftechnik. (Bild: Redaktion)

Die kurzatmige Hektik des zunehmend von Krisenmeldungen geprägten Alltags zu durchbrechen und innezuhalten, um Standpunkte zu reflektieren und neue Perspektiven zu erkennen, das sei derzeit besonders notwendig, sagte IKV-Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann bei der Begrüßung. Er appellierte an die Branche, dass keine Resignation gepflegt, sondern ins Tun gekommen und sich den Herausforderungen gestellt werden solle.

Neue Perspektiven bot das Kolloquium auf den verschiedensten Ebenen: bei den Plenarvorträgen sowie der Präsentation der Forschungsergebnisse in den 15 Vortragssessions, bei Führungen durch Technika und Labore des IKV, aber auch in der Industrieausstellung im Foyer des Eurogress und beim Recruiting Speeddating.

Das Recruiting Speeddating wurde in diesem Jahr von 20 Unternehmen für die Präsentation als potenzieller Arbeitgeber beziehungsweise zum Kennenlernen des möglichen Nachwuchses genutzt. Beide Seiten bewerteten die Gespräche hinsichtlich Qualität als auch der Quantität durchweg positiv.

Neue Technologien + Nachwuchs = Zukunftsfähigkeit

Viele wertvolle Denkanstöße kamen von den Keynote-Speakern, die sich den Zukunftsthemen der Branche aus unterschiedlichen Blickwinkeln näherten. VDI-Präsident Prof. Dr.-Ing. Lutz Eckstein machte deutlich, wie wichtig der Berufsstand der Ingenieure für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands ist. Es sei Konsens, dass technische Innovationen für die Wirtschaft, den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wichtig seien. Gleichzeitig seien Ingenieure und Ingenieurinnen trotz ihrer guten Ausbildung und dem, was sie für die Gesellschaft leisteten, im öffentlichen Bewusstsein wenig präsent. Er ermutigte dazu, sich selbstbewusst zu engagieren, die Menschen mitzunehmen und für Innovationen zu begeistern. Um Zukunftsfähigkeit zu erreichen, müssten Fakten klar kommuniziert und Fiktionen als solche erkennbar werden. So ließe sich Vertrauen in Technologie und Fortschritt festigen.

IKV-Institutsleiter Prof. Christian Hopmann zeigte auf, wie die Kunststofftechnik mit neuen Entwicklungen vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung einer befürchteten Deindustrialisierung entgegentreten kann. Beide Themen stehen im Mittelpunkt zahlreicher Forschungsprojekte am IKV, über die er einen Überblick gab. Er thematisierte aber auch die große Skepsis der Gesellschaft gegenüber neuen Technologien sowie die Nachwuchssorgen, die die ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen umtreiben und erklärte, was das IKV unternimmt, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu sichern.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Prof. Hopmann stellte außerdem Prof. Dr.-Ing. Achim Grefenstein vor, der seit Januar 2024 in der neu geschaffenen Position eines wissenschaftlichen Direktors für Kreislaufwirtschaft für das IKV tätig ist. Prof. Grefenstein ist Absolvent des IKV und seit 1998 neben seiner Tätigkeit in der Industrie Dozent für Compoundiertechnik und Recycling an der RWTH und dem IKV.  Seine Zeit wird er künftig zwischen der R&D-Leitung bei Constantia Flexibles und der neuen Aufgabe am IKV aufteilen. Damit unterstreicht das IKV die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für die eigene Forschung und schafft eine weitere wichtige Verbindung zur Industrie.

Denkanstöße zum Potenzial von Kunststoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe lieferte der Plenarvortrag von Dr.-Ing. Martin Bussmann, Neste. Er ordnete den Themenkomplex sehr übersichtlich ein, von der Unterscheidung zwischen biobasierten und bioabbaubaren Kunststoffen über verschiedene Quellen bis zur kommerziellen Verfügbarkeit von Biokunststoffen. Er wies auf zahlreiche verschiedene Normen für die Abbaubarkeit und Anwendung hin und deckte Widersprüche zwischen Erwartungen und Möglichkeiten auf. Sowohl für biobasierte als auch für bioabbaubare Kunststoffe gibt es bereits sinnvolle Einsatzbereiche und Ansätze, die es lohnen, weiterverfolgt zu werden.

Dr. Alexander Kronimus, Geschäftsführer und Leiter Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft von Plastics Europe Deutschland, beschrieb die Aufgaben der Kunststoffindustrie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Europas 2050. Nach einer Analyse des Status quo in Europa kam er zu dem Schluss, dass sich das Ziel mit einer ausschließlichen Klimaoptimierung des Kunststoffsystems nicht erreichen lässt. Nötig sei vielmehr eine Integration der Basischemie in die Kreislaufwirtschaft, sodass Plastikabfall nicht nur als Rohstoffquelle für die Kunststoffkreislaufwirtschaft dient, sondern für die Herstellung von Grundchemikalien genutzt werden kann.

Herausragende Leistungen für die Kunststofftechnik geehrt

Schriftzug
Der Georg-Menges-Preis wurde in diesem Jahr zum 25. Mal verliehen. (Bild: Redaktion)

Im Rahmen des Kolloquiums wurden am ersten Tag der Georg-Menges-Preis und am zweiten Tag der Reifenhäuser-Förderpreis verliehen. Der Georg-Menges-Preis 2024 würdigt den Transfer von Forschung in die Wirtschaft, wurde dieses Jahr zum 25. Mal verliehen und suchte einen würdigen Preisträger. Mit Dr.-Ing. Karlheinz Bourdon, Aufsichtsratsmitglied der Krauss Maffei Group, erhielt ihn erstmals ein „Alumni“ des IKV Aachen. Prof. Hopmann betonte in seiner Laudatio, dass der Preisträger ein ausgeprägtes Verständnis für Technik, Menschen und Märkte besitzt. Karlheinz Bourdon wies in seiner Dankesrede unter anderem darauf hin, dass Kunststoff ein Superwerkstoff sei, doch dies wüssten nur zu Wenige. Außerdem sieht er das Recycling als große Chance für die deutsche Industrie.

Der mit 3.000 Euro dotierte Reifenhäuser-Förderpreis 2024 wurde an den IKV-Wissenschaftler Tien Viet Anh-Vu, M.Sc., verliehen. Seine preiswürdige Arbeit trägt den Titel „Entwicklung eines Prozessmodells zur Modellierung des Zusammenhangs zwischen eingestelltem und tatsächlichem Einspritzvolumenstrom im Spritzgießverfahren“.

IKV 360° – Eintauchen in die Forschungsarbeit

Insgesamt gab es 15 Vortragssessions zu aktuellen Forschungsergebnissen des IKV zu Themen aus der Industrieforschung. Die Diskussionsrunden am Ende jeder Session wurden intensiv zum Austausch genutzt. Im Einklang mit der Zielsetzung des IKV „Forschung für die Praxis“ widmeten sie sich besonders den Perspektiven und Anforderungen der Industrie. Neben der übergreifenden Rolle von Nachhaltigkeit und Digitalisierung ging es unter anderem um neue Prozesstechnologien im Spritzgießen, in der Extrusion und in der Fügetechnik sowie um Simulationen und Modelle für Materialien und Verfahren.

Im Rahmen von IKV 360° hatten die Besucher am Nachmittag des ersten Konferenztages die Gelegenheit, die in den 15 Sessions vorgestellten Themen in der Praxis zu erleben und darüber hinaus weitere Einblicke in die aktuelle Forschung zu gewinnen. Auf der Tour durch sämtliche Hallen und Labore auf dem Campus Melaten standen die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an rund 80 Stationen bereit, um ihre Arbeit mit den Gästen zu diskutieren und Fragen zu beantworten. Teil der Tour war auch erstmals das 2023 eröffnete Plastics Innovation Center PIC 4.0.

Die beiden aus dem IKV hervorgegangenen Start-ups Ionkraft und Osphim gaben am Campus Einblicke in ihre Technologien. Ionkraft hat diffusionsdichte, plasmapolymere Schichten entwickelt. Auf diese Weise wird es möglich, Rezyklate für Lebensmittelverpackungen einzusetzen, da eine Migration von Werkstoffbestandteilen in das eingefüllte Gut unterbunden wird. Osphim ist die neue Ausgründung am IKV, die sich mit der Vernetzung Mensch-Maschine beschäftigt. Das selbstlernende System bedient sich verschiedener Quellen, schlägt Optimierungsmaßnahmen für den Spritzgießprozess vor und lässt aber dem Maschinenbediener die Entscheidung, ob und wenn ja, welche Maßnahme er umsetzt.

Wann lädt das IKV zum nächsten Kolloquium?

Das 33. Internationale Kolloquium Kunststofftechnik des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Aachen findet am 4. und 5. März 2026 in Aachen statt.

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

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Unternehmen

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen (Hauptsitz)

Seffenter Weg 201
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