ein vollbesetzter Hörsaal an der TH Rosenheim

Rund 100 Teilnehmer fanden den Weg an die Technischen Hochschule in Rosenheim. (Bild: Redaktion)

Für die Technischen Hochschule Rosenheim war es eine Premiere der besonderen Art. Am 4. und 5. März 2024 veranstaltete man zum 1. Mal ein Kolloquium im Bereich der Kunststofftechnik. Unter den rund 100 geladenen Gästen fanden sich zahlreiche Vertreter aus den verschiedensten Bereichen der kunststoffverarbeitenden Industrie respektive Kunststofftechnik, darunter auch viele Ehemalige der Hochschule. Das allgegenwärtige Thema der Nachhaltigkeit spiegelte sich auch in den Vorträgen der Referenten der zweitägigen Veranstaltung wider. Neben den biobasierten respektive naturbasierten Materialien waren es die Themen der Recyclingfähigkeit, verbunden mit den Einsatz von Kunststoffrezyklaten, aber auch die Potenziale hybrider Werkstoffverbunde aus Kunststoffen sowie biobasierten Werkstoffen, etwa auf Cellulosebasis.

Labore TH Rosenheim
Während und nach der Veranstaltung war es möglich, die Laborumgebungen der TH Rosenheim zu erkunden. (Bild: Redaktion)

In Rosenheim wird in die Forschung investiert

Der Vorabend des eigentlichen Kolloquiums bot die Gelegenheit, einem Impulsvortrag des Automobilherstellers Volkswagen zu lauschen. Doch zunächst eröffnete der Präsident der TH Rosenheim, Prof. Dr. hc. Heinrich Köster, die Veranstaltung und hob gleich zu Beginn die Bedeutung der Ingenieurswissenschaften und hier insbesondere der Kunststofftechnik hervor, ein Bereich auf den man in Rosenheim „stolz sein könne“, so Köster. Die Kunststofftechnik sei zugleich der forschungsstärkste Bereich der Hochschule. In Rosenheim nehme die Kunststofftechnik rund ein Drittel der Forschungsaktivitäten ein. Auch in Zukunft werde in diesen Bereich investiert – insbesondere in die Infrastruktur, also neue Labore. Man sehe hier „eine Chance“, so Köster, „sich zukunftsweisend positionieren und präsentieren zu können.“ Das gelte vor allem für die Materialentwicklung, auch im Hinblick zukünftiger biobasierter Produkte. Insgesamt 20.000 m² Bruttogeschossfläche seien hier vorgesehen, inklusive eines Studentenzentrums, Bibliothek und Mensa. Der TH-Präsident sei zudem zuversichtlich, dass der Hochschule noch dieses Jahr das Promotionsrecht verliehen werde, was, so Köster, „eine tolle Geschichte“ wäre. Ein entsprechendes Genehmigungsverfahren sei in Bearbeitung.  Köster sprach dem Studiengang Kunststofftechnik ein großes Lob zu. „Wir wissen alle, wie Kunststoffe in der Gesellschaft positioniert sind“, betonte der Präsident. „Aber es geht nicht ohne Kunststoff.“

Die erste Ausgabe des Rosenheimer Kunststoffkolloquiums sei, so Köster, „ein Enrichment für die Weiterbildung“. Beim anschließenden, bereits erwähnten Impulsvortrag gewährten VW-Mitarbeiter dann Einblicke in die Fahrzeugentwicklung hinsichtlich des Einsatzes von Kunststoffrezyklaten. Deren Einbringen in Fahrzeugkomponenten mit der EU-Altfahrzeugverordnung beispielsweise gesetzlich geregelt werden. Welche Werkstoffe prägen das Fahrzeug der Zukunft? Wo können Materialien substituiert werden? Wo sind Rezyklate sinnvoll? Der verpflichtende Einsatz von Kunststoffrezyklaten bei der Herstellung von Neufahrzeugen entfachte auch eine rege Diskussion unter den Teilnehmern. Beim abendlichen Get-together war dann ausgiebig Zeit zum Netzwerken und über Themen der Branche zu diskutieren.

Welche Themen und Forschungsaktivitäten wurden präsentiert?

Netzwerken mit Leuten auf dem Kolloquium Rosenheim
Auch am Vorabend der eigentlichen Veranstaltung trafen sich die Teilnehmer und hatten Gelegenheit sich auszutauschen. (Bild: Redaktion)

Tags darauf begrüßte dann Prof. Dipl.-Ing. Peter Karlinger, Studiendekan Bachelorstudiengang Kunststofftechnik an der TH Rosenheim, die versammelten Teilnehmer des Kolloquiums in den Räumlichkeiten der Hochschule. Über den Tag verteilt berichteten unter anderem wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der TH, aber auch Professoren und Professorinnen, geclustert in themenbasierte Vortragsreihen, über Forschungsaktivitäten in den Bereichen des hybriden Leichtbaus, des Recyclings von Organoblech-Verschnitten, der Biopolymere und damit verbunden der möglichen Einsatzpotenziale alternativer Rohstoffquellen für die kunststoffverarbeitende Industrie. Moderiert wurden die Themenblöcke von Vertretern aus der Kunststoffindustrie. In den 20-minutigen Vorträgen wurden innovative Forschungsthemen wie das Spritzgießen von Zellulosefasern, das Umwandeln von Holzreststoffen in Ausgangsstoffe für biobasiere Materialien, aber auch das offenporige Schäumen von Thermoplasten sowie der Einsatz Künstlicher Intelligenz für das Optimieren des Spritzgießprozesses vorgestellt. Ausblicke zum Einsatz von neuronalen Netzen zur Bauteillokalisierung gewährte hier beispielsweise Dr.-Ing. Michael Wagner, Professor der Fakultät für Ingenieurwissenschaften.

Beim Thema Leichtbau und Hybridisierung offerierte Dr.-Ing. Frederik Obermeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH Rosenheim, Ergebnisse der prozess- und materialtechnischen Untersuchungen von Hybridverbundstrukturen mit nachwachsenden Rohstoffen in Form von Natur- und Holzfasern. Ebenso ging beispielsweise Sebastian Wiedl, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter, der Frage nach, ob cellulosefaserverstärktes Polypropylen eine Alternative zu Glasfasern darstellt. Zeit, um die Labore der Hochschule zu besichtigen, blieb in den Pausen und im Anschluss der eigentlichen Veranstaltung. Für die Forschung und Projektarbeit ist ein vielseitiger Maschinenpark vorhanden. Verschiedenste Spritzgießmaschinen unterschiedlicher Fabrikate, Extruder oder aber auch ein eigener Reinraum sind hier vorhanden. In den angrenzenden Prüflaboren ermöglichen Prüfgeräte nach aktuellem Stand der Technik, Kunststoffproben respektive Bauteile zu analysieren, beispielsweise auch per Computertomographie, welche bei der Analyse von Defekten, Porositäten, Schaumstrukturen, Faserverbundwerkstoffen oder komplexen Multimaterial-Konstruktionen eingesetzt wird. Eine zweite Ausgabe des Kolloquiums ist geplant. Dann vermutlich frühestens in zwei Jahren. Genug Zeit also, um innovativen Themen und drängenden Herausforderungen aus der Branche nachzugehen.

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