Vor einer Leinwand sitzen drei Menschen.

Experten aus verschiedenen Bereichen der Kunststoffverarbeitung vermittelten ihr Wissen den anwesenden Gästen. (Bild: Ianus Simulation)

Insgesamt 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen fanden den Weg nach Bielefeld in den gleichnamigen „Bielefelder Hof“, der zugleich Veranstaltungsort für das Seminar „Ressourcenschonung in der Kunststoffverarbeitung“ war. Vom 24. bis 25. Mai drehte sich dabei alles um die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit und deren Potenziale für die Kunststoffverarbeitung. Referenten verschiedener Unternehmen aus der Kunststoffbranche gaben dabei an den 1,5 Tagen einen interdisziplinären Überblick über drängende Themen und Fragen aus der Welt des Kunststoffs. Die Zeit zwischen den Vorträgen bot Raum für den fachlichen Austausch und das Netzwerken. Moderiert und eröffnet wurde die Veranstaltung von Dr.-Ing. Tobias Herken, Geschäftsführer, Ianus Simulation, der als Keynote-Speaker Dr.-Ing. Christian Beinert, Abteilungsleiter Kunststoffverarbeitung und Bauteilauslegung, Bereich Kunststoffe, am Fraunhofer LBF, begrüßen durfte. Er beleuchtete die Herausforderungen und Möglichkeiten beim Einsatz von Kunststoffrezyklaten. In seinem Vortrag ging er auf die Recyclingfähigkeit von Kunststoffen und deren Einflussfaktoren ein. Denn nicht alle Kunststoffe lassen sich gleichermaßen gut wiederverwerten, begründet auch mit dem Einsatz von Additiven. Mithilfe analytischer Verfahren lassen sich dabei beispielsweise Aussagen über die Rezyklatzusammensetzung treffen. Veranschaulicht wurden die Aussagen von Beispielen aus Projekten im Umfeld des Fraunhofer-Instituts. Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen Die Bedeutung der Simulation entlang der Wertschöpfungskette offerierte Dipl.-Ing. Markus Geveler, CTO, Ianus Simulation. Insbesondere am Beispiel des Web-browser-basierten Simulation-as-a-Service Frameworks „Strömungsraum“. Potenziale vollautomatisierter 3D-Simulationen von Strömungen lassen sich hier beispielsweise mit Hilfe von digitalen Zwillingen heben. Einsparungen werden damit insbesondere bei Material, Kosten und dem CO2-Ausstoß erreicht. Mit digitalen Zwillingen lassen sich etwa einzelne Geometrien bis hin zu vollständigen Anlagen digitalisieren. Künstliche Intelligenz (KI), neuronale Netze und Algorithmen profitieren dabei auch von immer leistungsstärkeren (Hochleistungs-)rechnern. Hier gilt es, Software und Hardware in Einklang zu bringen, um Potenziale für die Simulation bestmöglich zu heben. Mit Simulation-as-a-Service, kurz (SaaS) wird es Anwendern ermöglicht, beispielsweise Bauteilanforderungen ressourcenschonend und automatisiert zu optimieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das „Hyperscaling“, deren Bedeutung für das Cloud Computing und damit der Simulation im Vortrag verdeutlicht wurde. Das Ziel einer Simulation, so Geveler, sei es, Ressourcen zu sparen und die Wertschöpfung mittels Cloud Computing beziehungsweise dem Einsatz von KI zu erhöhen. Im dritten Vortrag zeigte Dr. Stefan Seibel von Brückner Maschinenbau auf, mit welchen Möglichkeiten die Folienextrusion ressourcenschonender und damit nachhaltiger gestaltet werden kann. Am Beispiel einer Folienreckanlage wurden dabei Potenziale für Leistungssteigerung und Ressourcenschonung aufgezeigt. Seibel thematisierte auch Verbundprojekte, an denen das Unternehmen aus Freilassing aktiv involviert ist. Die unternehmensübergreifende Initiative „R-Cycle“ beispielsweise oder „Printcyc“, bei dem der Einfluss von Druckfarben auf den Recyclingprozess sowie die Rezyklatqualität untersucht wird.

Die KI macht die Musik

Welchen Nutzen die Simulation für das Extrusionsblasformen mit sich bringt, das veranschaulichte Prof. Dr. Olaf Bruch von der Dr. Reinold Hagen Stiftung. Unter anderem anhand virtueller Produktprüfungen an Kunststoffhohlkörpern. Mittels Blasformsimulation lassen sich demnach Produkteigenschaften vorhersagen und am gewünschten Endprodukt auch manipulieren – egal ob Wanddickenverteilung, Vertreckgrade, Orientierungen und mehr. Am Beispiel einer Leichtbauflasche zeigte er auf, wie sich Bauteilgeometrie-, Wanddicken- und Prozessoptimierungen vereinheitlichen und durchführen lassen. Mit seinem Vortrag „Wirklich wissen, was geht: Compound-Rezepturen und KI“, gewährte Dr. Jürgen Stebani, CEO Polymaterials, Einblicke in die Welt der Materialforschung und -entwicklung und damit auch in die Arbeitswelt eines industriellen Dienstleisters im Bereich F&E. Von neuen Monomeren zu neuen Blends bis zu zirkulärer Wirtschaft: Die Kunststoffbranche befindet sich im Strukturwandel. Der Einsatz neuer, digitalisierter Methoden ermöglicht das Entwickeln und Optimieren neuer beziehungsweise bestehender Materialzusammensetzungen. Und auch hier kommt der digitale Zwilling zum Einsatz, der so Stebani, zusammen mit anderen „digitalen Werkzeugen“ dabei hilft, den Entwicklungsaufwand wesentlich zu verringern. Weiter ging es mit Krauss Maffei und einem Vortrag von Dr.-Ing. Verena Heinz, Development Engineer bei Krauss Maffei Extrusion. Ihr Thema beinhaltete das ressourcenschonende Aufbereiten und Herstellen von Kunststoffen. Neben den Möglichkeiten des Recyclings ging sie auch auf die Energiebilanz beim Compoundieren ein und lieferte zudem Antworten auf Fragen wie: Welchen Einfluss hat beispielsweise die Kühlung beim Compoundieren? Oder: Welchen Einfluss hat die Schneckenkonfiguration auf den Aufschmelzgrad? Besondere Einblicke gewährten Prof. Dr. Stefan Turek, Technischen Universität Dortmund, und Dr. rer. nat. Patrick Westervoß, Ianus Simulation, mit ihrem Vortrag über das „High Weissenberg Number Problem“, kurz HWNP. Sie beschrieben ihre Vision der simulativen Behandlung reiner Kautschuk-Schmelzen bezüglich industrieller Anwendungen und untermauerten dies mit ausführlichen Modellierungsansätzen.

Vortragsredner vor einigen Zuhörern.
Die Keynote hielt Dr.-Ing. Christian Beinert, Abteilungsleiter Kunststoffverarbeitung und Bauteilauslegung, Bereich Kunststoffe, am Fraunhofer LBF. (Bild: Ianus Simulation)

Die Kreislaufwirtschaft im Blick

Den zweiten Tag der Veranstaltung eröffnete Andreas Kunsleben von der Effizienzagentur NRW. Gemeinsam mit Unternehmen aus verschiedensten Branchen leitet diese Maßnahmen ab, um beispielsweise Treibhausgase entlang der Wertschöpfungskette eines Unternehmens zu minieren. Demnach werden gut 80 % der Umweltauswirkungen und Kosten eines Produktes durch das Design festgelegt. Es gilt also Produkte zu analysieren, Optimierungspotenziale zu identifizierten und Herstellungsprozesse anzupassen. Im Anschluss ging Prof. Dr.-Ing. Volker Schöppner, Universität Paderborn/KTP, auf die Herausforderungen bei der Verarbeitung von Rezyklaten in der Extrusion ein. Nicht nur Biokunststoffe waren Thema, auch die Rezyklateigenschaften und deren Auswirkungen auf die Produkt- sowie Prozessqualität. Umrissen wurden auch die Simulationsmöglichkeiten in der Extrusion. Um die Potenziale von Fluoreszenz-Additiven beim Kunststoffrecycling ging es dann bei Maximilian Auer vom Fachbereich Nachhaltige Produktentwicklung der Hochschule Pforzheim. Er beschrieb die Möglichkeiten eines Marker-basierten Sortier- und Recyclingsystems für Kunststoffverpackungen. Ziel sei demnach, einen digitalen Produktpass umzusetzen, um Daten zu einem Produkt für jeden Akteur entlang des Produktlebenszyklus verfügbar zu machen. Das ermöglicht eine umweltgerechtere Kreislaufführung von Produkten. Den Schlussakt markierten Maximilian Schaller und Dr. Simon Bard von der Hans Weber Maschinenfabrik. Ihr Vortrag drehte sich um die Material- und Energieeinsparung in der Kunststoffextrusion mit Hilfe digitaler Lösungen. Sie zeigten auf, welchen Weg ihr Unternehmen in der Digitalisierung des Extrusionsprozesses verfolgt. Softwarelösungen optimieren dabei Maschinenabläufe und überwachen den Herstellungsprozess in Echtzeit. Das erhöht die Datentransparenz, minimiert den Energieeintrag und reduziert zugleich den Materialeinsatz.

Quelle: Ianus Simulation

 

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