Technische Verbesserungen und wachsende Anwendererwartungen beschleunigen den Fortschritt hin zur Nullfehler-Produktion in fast jeder Branche. Dies trifft auch auf das Spritzgießen zu, wo Hersteller beispielsweise ihre Spritzgießwerkzeuge mit Werkzeuginnendrucksensoren ausrüsten, um ihre Fertigungsprozesse dahingehend weiter zu optimieren. Diesen Weg verfolgt auch das 1964 in Wisconsin, USA, gegründete Familienunternehmen EVCO Plastics, das sich unter anderem auf den Bereich Spritzgießen spezialisiert hat und über elf Standorte in den USA, China und Mexiko verfügt. Bedingt durch das jüngste Wachstum ist der unternehmenseigene Maschinenpark auf mehr als 260 Spritzgießmaschinen angewachsen. Angeboten werden dabei Technologien und Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, etwa in der Automatisierung, der Verpackung oder auch der Kennzeichnung. Precision Molding ist eine der vier Hauptdivisionen von EVCO. Sie bietet Produkte und Lösungen über verschiedene Branchen hinweg, von der Landwirtschaft über Kraftsport und Verpackung bis hin zu Konsumgütern. „Wir sind in so ziemlich allem außer Kraftfahrzeugteilen und implantierbaren Geräten involviert – die Medizintechnik ist jedoch ein wichtiger Geschäftszweig für uns, der ungefähr 20 % unseres Jahresumsatzes ausmacht“, berichtet Anna Bartz, Director of Communications bei EVCO. Entsprechend sind zwei Unternehmensstandorte mit ISO-Klasse-8-Reinräumen ausgestattet: der Hauptsitz in Deforest, Wisconsin, USA, und die chinesische Produktionsstätte in Dongguan.
Produktion medizintechnischer Artikel optimieren
Bevor er zu EVCO stieß, führte Mike Busser sein eigenes Kunststoffunternehmen für Mikropräzisionsteile. Nun ist er seit mehr als drei Jahren als Innovation Center Manager bei EVCO tätig ist. Er berichtet: „Die Anforderungen an die Medizinprodukte-Herstellung bezüglich Normen und Vorschriften sind viel höher als in anderen Branchen. Der Trend zeigt klar in Richtung Nullfehler-Produktion – und da kommt Kistler ins Spiel.“ Die beiden Unternehmen sind auf der K 2019 in Düsseldorf zum ersten Mal in Kontakt getreten, als EVCO nach Optimierungspotenzial für seine Medizintechnik-Produkte suchte. Auf der Fachmesse lernte das US-Unternehmen die Werkzeuginnendrucksensoren von Kistler und das Prozessüberwachungs- und -steuerungssystem Comoneo kennen – inklusive Comoneo Multiflow, einer Funktion, welche die Heißkanalbalancierung für Mehrfachwerkzeuge basierend auf präziser Werkzeuginnendruckmessung vollautomatisch realisiert. Man entschied sich, das System bei der Produktion eines Diagnosekits auf Herz und Nieren zu überprüfen. Hier wurden gleich mehrere Optimierungsbedarfe evaluiert: Zum einen wollte das Unternehmen den auftretenden Kernversatz und damit die Menge an auszusortierenden Teilen verringern, zum anderen die Produktivität der Spritzgießlinie steigern und die Durchlaufzeit verringern.
Was welche Sensoren wo leisten
Die bei EVCO nun zum Einsatz kommende Lösung arbeitet sowohl mit direkter als auch mit indirekter Sensorik, um sämtliche 16 Formnester des Werkzeugs überwachen zu können. So sind indirekte Sensoren hinter den Auswerfern von einzelnen Kavitäten montiert, um deren Füllverhalten zu erfassen. Drucksensoren von Kistler erkennen die unvollständige Füllung von Formen mit Auswurfhülsen, die etwa durch zu geringe Schmelztemperatur oder einen zu geringen Spritzdruck entsteht. Direkte Sensoren sind nach dem Anschnitt platziert, um auf Grundlage des Werkzeuginnendrucks den Umschaltzeitpunkt zwischen Einspritz- und Nachdruckphase zu signalisieren. Nicht den Anforderungen entsprechende Formteile werden an jeder Kavität per Roboter automatisiert aussortiert. Das System ist wartungsfreundlich: Verbindungskabel können im Fall von Schäden oder Übertragungsproblemen unabhängig vom Sensor gewechselt werden.
Die Vorteile einer integrierten Messtechnik
Das Verfahrenstechnik-Team unter der Führung von Mike Busser hat außerdem ein Diagnose-Tool installiert, das den Status des Werkzeugs und des integrierten Messsystems von Kistler jederzeit überwachen kann. Dessen Funktion Comoneo Multiflow wurde speziell für die Balancierung komplexer Mehrfachwerkzeuge entwickelt. Durch einen Vergleich der Werkzeuginnendruckkurven in den unterschiedlichen Formnestern optimiert die Funktion die einzelnen Heißkanal- Düsentemperaturen und regelt damit Unterschiede im Füllverhalten aus. Unterschiede zwischen den einzelnen Formnestern kommen vor allem durch äußere Bedingungen wie Temperatur, Druck und Viskosität des Kunststoffs zustande. Der Vorteil von Multiflow: Jede Kavität des Werkzeugs wird gleich befüllt, und die dabei entstehenden Kunststoffteile haben identische Bauteileigenschaften. „Multiflow erkennt den Füllstatus in einzelnen Formnestern und passt die Temperatur der Einspritzdüsen automatisch an“, erklärt Busser. „Wir verwenden das System zurzeit für die Nullfehler-Produktion einer Komponente für ein medizinisches Diagnosekit. Im Prinzip sind jedoch heute all unsere Formen für den Einsatz von Sensoren vorbereitet. Diese Lösung hat uns sehr dabei geholfen, die Nullfehler-Produktion für unsere Kunden zu realisieren. Durch den Einsatz von Comoneo haben wir nicht nur die Herausforderung des Kernversatzes eliminiert, sondern auch die Produktivität gesteigert und die Durchlaufzeit verringert.“ Angesichts dieser Resultate sind die beiden Unternehmen bereit, eine strategische Partnerschaft zu lancieren. „Mithilfe von Kistler können wir unseren Kunden Lösungen anbieten, die sie noch gar nicht kennen. Wir schauen uns zum Beispiel bereits Projekte in unserem Großteilegeschäft an und es gibt weitere Potenziale mit einem weltweit präsenten Medizinprodukte-Hersteller, bei der wir mit Sicherheit auf Kistler zählen können“, erklärt Bartz.
Flüssigsilikon als Anwendung mit Potenzial
Das Spritzgießen ist eine Technologie, die niemals stillsteht. EVCO strebt danach, die Rückverfolgbarkeit bis hinunter zum einzelnen Formteil und dessen Manufacturing Footprint zu verbessern, einschließlich der vollständigen Aufzeichnung der Produktionsbedingungen – sogar für hohe Volumen von Millionen Formteilen. „Wir erfassen hier bereits wertvolle Daten im Como Data Center, es gibt aber noch einiges zu tun, bis wir die Daten jedem einzelnen produzierten Formteil zuweisen können – zum Beispiel mit einem QR-Code“, so Busser. Den nächsten Innovationssprung hat das Unternehmen bereits vor Augen: Flüssigsilikon oder LSR (Liquid Silicone Rubber). Der Werkstoff bietet neue Möglichkeiten für die Industrie im Allgemeinen und die Medizintechnikbranche im Besonderen. „Es gibt zahllose mögliche Anwendungen, aber auch viel Skepsis auf dem Markt, da die Technologie so andersartig ist. Mit Kistler als Trumpf in der Hinterhand sind wir jedoch optimistisch, dass wir die verbleibenden Hindernisse überwinden werden.“
Quelle: Kistler