Glanzvergleich zwischen einem mit konventionellem Ansatz gefrästen Werkstück (links) und einem mit modernen Werkzeugen und Strategien bearbeiteten Vergleichsteil. Das Werkstück ist eine 20 Cent-Münze.

Glanzvergleich zwischen einem mit konventionellem Ansatz gefrästen Werkstück (links) und einem mit modernen Werkzeugen und Strategien bearbeiteten Vergleichsteil. (Bild: MMC Hartmetall)

Wenn beim Fräsen höchste Oberflächenqualität gefordert wird, wird meistens nach dem Schlichten noch poliert. Der Zeitaufwand hierfür kann bei typischen Aufgaben im Formenbau zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen liegen. Heute fällt es jedoch immer schwerer, Fachkräfte für diese Tätigkeit zu finden. Zudem untersagen viele Anwender das Polieren, weil dadurch die Geometrietreue verloren geht. Hinzu kommen Aspekte wie Automatisierbarkeit und Beherrschung der Qualität. Es bietet sich hier an, höchste Oberflächenqualitäten möglichst gleich beim Fräsen zu erzeugen. Allerdings stellt sich oft die Frage, ob der Mehraufwand für das maschinelle Erzeugen von Hochglanzflächen wirtschaftlich gerechtfertigt ist. Oft lässt sich eine recht gute Oberfläche einfach und günstig durch manuelles Polieren erzeugen. Der Maschinenhersteller Röders, der Werkzeughersteller Mitsubishi Materials und der CAM-Softwareentwickler Tebis verglichen auf einem Seminar in Attendorn diese beiden Vorgehensweisen bezüglich der Kosten beziehungsweise Wirtschaftlichkeit. Optimale Geometrietreue und Oberflächenqualität lassen sich durch Kombination von Fräszentrum, Werkzeugen und CAM-Software erreichen.

Vier Männer stehen nebeneinander.
Veranstalter des Seminars (v. l.): Moderator Ferdinand Hoischen, Tebis, Cooperation Manager, Marc Fuest, Tebis, Leiter Partnersupport, Jörg Janke, MMC Hartmetall, Technischer Trainer und Dr. Oliver Gossel, Röders, Leiter Vertrieb. (Bild: Klaus Vollrath)
Schruppstrategien: Oben: konturparallel/Hochvorschubwerkzeug, unten: Adaptiv Vollhartmetallwerkzeug.
Schruppstrategien: Oben: konturparallel/Hochvorschubwerkzeug, unten: Adaptiv Vollhartmetallwerkzeug. (Bild: Tebis)

Testwerkstücke für die Versuche waren Einsätze für ein Blechumformwerkzeug aus Kaltarbeitsstahl mit 48 HRC. Zwei Exemplare wurden in einem 5-Achs-Fräszentrum Röders RXP 601 DSH mit jeweils unterschiedlichen CAM-Strategien und dazu passenden Fräswerkzeugen aus dem Vollen gefräst. Beim „klassischen“ Ansatz (erstes Werkstück) wurden Werkzeuge und Frässtrategien gewählt, die dem aktuell im Formenbau üblichen Vorgehen entsprachen. Dieser Ansatz wird nachfolgend beschrieben. Beim zweiten Bauteil wurden dagegen die Möglichkeiten effizienter CAM-Strategien, moderner 5-Achs-HSC-Fräsbearbeitung sowie neuer Werkzeugdesigns voll ausgespielt. Dieser „moderne“ Ansatz erfordert jedoch vor allem beim Schlichten einen erheblich höheren Programmieraufwand.

Klassische Frässtrategien überwiegen

„Im Werkzeugbau dominieren häufig Frässtrategien, die sich aus der Verwendung dreiachsiger Fräszentren heraus etabliert haben“, weiß Marc Fuest, Leiter Partnersupport bei Tebis in Martinsried. Grund hierfür ist, dass den Abteilungen die Zeit für die Suche nach neuen Werkzeugen sowie Strategien fehlt. Beim traditionellen Schruppen wird das Material dabei meist mit Hochvorschubwerkzeugen ebenenweise abgetragen. Wegen des höheren Programmieraufwands wird meist auf eine Kombination aus 3-Achs- und 5-Achs-Strategien verzichtet. Dieses Vorgehens hat den Vorteil, dass die benötigten NC-Programme einfach, schnell und damit kostensparend erstellt werden können. „Bei der klassischen Vorgehensweise kommen in der Praxis häufig Hochvorschubfräser zum Einsatz“, erläuterte Jörg Janke, Technischer Trainer der MMC Hartmetall, der Europazentrale von Mitsubishi Materials. Im vorliegenden Fall wurde hierfür ein Schaftfräser mit Wendeschneidplatten eingesetzt. Entscheidender Nachteil einer solchen Fräserlösung ist, dass sich dadurch ein mannloser Betrieb und damit eine Vollautomatisierung verbieten. Grund hierfür ist das Risiko schwerer Schäden beim Bruch einer Schneidplatte. Gegenüber den Wendeplattenwerkzeugen ist die prozesssichere Standzeit der Vollhartmetallfräser erheblich höher, sodass auch mannlos geschruppt werden kann.

Trochoidal einsetzbarer VHM-Schruppfräser mit Eckenradius MPMHVRBD.
Schruppen modern: Trochoidal einsetzbarer VHM-Schruppfräser mit Eckenradius MPMHVRBD. (Bild: Röders/MMC/Tebis)

Schlichten und Oberflächenqualität

„Auch bei Schlichtstrategien steht die Oberflächenqualität leider eher selten im Vordergrund“, weiß Fuest. Oft werden zu große Fräser gewählt, wodurch mehr Restmaterial stehenbleibt, das dann aufwändig weggespant werden muss. Oft wird in der Praxis typischerweise ein Bauteil zuerst 3-achsig Z-konstant und danach 3-achsig achsparallel bearbeitet, um dieses Restmaterial zu minimieren. Das ist zwar einfach und schnell zu programmieren, kostet aber erheblich mehr an Bearbeitungszeit. Ebenfalls wegen des Programmieraufwands werden fünfachsige Ausweich- oder Kollisionsvermeidungsoptionen zu selten zugeschaltet. Sollen bessere Oberflächengüten, insbesondere Hochglanzoberflächen ohne manuelle Nacharbeit erreicht werden, ist 5-achsiges Fräsen unabdingbar. Dabei muss die Fräsbahn der Oberfläche folgen und das Werkzeug stets mit einem Neigungswinkel eingreifen, um einen Zentrumsschnitt zu vermeiden.

Schlichten modern: 5-achsig synchron mit Bahnabständen in Abhängigkeit von der Krümmungserkennung.
Schlichten modern: 5-achsig synchron mit Bahnabständen in Abhängigkeit von der Krümmungserkennung. (Bild: Tebis)

Warum es Hochleistungswerkzeuge braucht

Schlichten modern: VHM-Tonnenfräser VQT6URR mit sechs Schneiden für die hochproduktive Schlichtbearbeitung mit großer Zustellung.
Schlichten modern: VHM-Tonnenfräser VQT6URR mit sechs Schneiden für die hochproduktive Schlichtbearbeitung mit großer Zustellung. (Bild: Röders/MMC/Tebis)

„Als Alternative zum Hochvorschubfräser empfiehlt sich beim Schruppen ein VHM-Torusfräser mit langen Schneiden“, weiß Janke. Beim „modernen“ Ansatz kam deshalb ein Fräser der Marke Diaedge aus der MP-Serie von Mitsubishi Materials mit einem Durchmesser von  12 mm und einem Eckenradius von 1 mm zum Einsatz. Er eignet sich für trochoidales Fräsen mit hohem Materialabtrag über die langen seitlichen Schneiden. Auch bei klassischem Einsatz übertrifft das Zeitspanvolumen dieses Fräsers daher dasjenige eines Hochvorschubfräsers. Für das hochproduktive Schlichten von Flanken wurde ein beschichteter VHM-Tonnenfräser mit 10-mm-Schaft und sechs Zähnen mit einem Radius von 85 mm eingesetzt. Dieser ermöglicht bei 5-achsiger Anstellung hohe Tiefenzustellungen an den Werkstückflanken. Für enge Bereiche eignet sich beispielsweise ein hochpräziser 1-mm-VHM-Kugelfräser mit zwei polierten Schneiden, mit dem enge Hohlkehlen und Übergänge mit sehr guten Ergebnissen bearbeitet werden können. Grundsätzlich gilt natürlich, dass gute Ergebnisse nur mit guten Werkzeugmaschinen erzielt werden können.

Robustes als auch präzises Fräszentrum erforderlich

„Wichtig für hohe Wirtschaftlichkeit ist die Ausführung aller Arbeitsgänge in gleicher Aufspannung in der gleichen Maschine“, so Dr.-Ing. Oliver Gossel, Leiter Vertrieb bei Röders in Soltau. „Dazu muss die Maschine insbesondere in der Lage sein, neben der nötigen Schruppleistung die erforderliche Genauigkeit und Oberflächengüte zu erreichen.“ Die für die Tests verwendete fünfachsige Röders RXP 601 DSH ist äußerst robust gebaut, um sowohl schruppen als auch schlichten zu können. Die HSC-Spindel erreicht bis zu 30.000 UPM. Die Portalbauweise sowie die Rundachsen mit hochbelastbaren Gegenlagern gewährleisten höchste Steifigkeit. Für optimale Genauigkeit werden in allen Achsen reibungsfreie Direktantriebe eingesetzt, in der Z-Achse unterstützt durch einen reibungsfreien Gewichtsausgleich. Dank des besonders hohen „Rucks“ (Änderung der Beschleunigung pro Zeit) der Antriebe kann auch in stark gekrümmten Oberflächen der vorgesehene Vorschub möglichst lange gehalten werden. Eine besondere Rolle spielt das ausgefeilte Temperaturmanagement: Da Wärme der Feind der Präzision ist, verfügen alle wesentlichen Komponenten der Anlage über eine eigene Temperierung. Alleinstellungsmerkmal der Röders-Anlagen ist ihre im eigenen Hause entwickelte Steuerung. Mit einer Satzverarbeitungszeit von weniger als 0,1 ms und einem Look-Ahead von mehr als 10.000 Sätzen werden optimale Genauigkeit und Oberflächengüte erreicht. Dank der außergewöhnlich hohen Regelgeschwindigkeit mit einem Takt von 32 kHz in allen Achsen wird die Werkzeugbahn alle 0,03 ms korrigiert.

Schlichten klassisch und modern: 1-mm-Kugelfräser VFR2SBFR mit hochglanzpolierten Schneiden.
Schlichten klassisch und modern: 1-mm-Kugelfräser VFR2SBFR mit hochglanzpolierten Schneiden. (Bild: Röders/MMC/Tebis)

Diskussion: Glanzfräsen oder Polieren

Semi-Schlichten und Schlichten klassisch: VHM-Kugelfräser MP3XBR mit konischem Hals für das Semi-Schlichten und Schlichten von tiefen Kavitäten.
Semi-Schlichten und Schlichten klassisch: VHM-Kugelfräser MP3XBR mit konischem Hals für das Semi-Schlichten und Schlichten von tiefen Kavitäten. (Bild: Röders/MMC/Tebis)

Beim Vergleich der beiden Strategien zeigte sich, dass bei der „klassischen“ Strategie die Programmierzeit mit 0:27:30 nur bei einem Zehntel derjenigen der „modernen“ Variante mit 4:40:15 lag. Bei der Gesamtbearbeitungszeit lag der Unterschied dagegen lediglich bei rund 42 min zugunsten der „klassischen“ Variante. Somit hat dieser Ansatz unter diesem Aspekt deutliche Vorteile. Nach Schätzungen anwesender Fachleute ist allerdings davon auszugehen, dass der Zeitaufwand für das Polieren dieses Bauteils in der gleichen Größenordnung liegen dürfte wie der zusätzliche Programmieraufwand für das „Erfräsen“ der gleichwertigen Oberfläche bei dem „modern“ gefrästen Werkstück, bei anteiligen „echten“ Werkzeugkosten von 524 Euro zu 426 Euro.

Das für die Bearbeitungsversuche eingesetzte 5-Achs-Fräszentrum RXP 601 DSH von Röders.
Das für die Bearbeitungsversuche eingesetzte 5-Achs-Fräszentrum RXP 601 DSH von Röders. (Bild: Klaus Vollrath)

Muss jedoch eine optimale Oberflächenqualität maschinell, das heißt ohne Verzerrungen durch eine manuelle Nacharbeit erreicht werden, so spielt der Zeitaufwand nicht die Hauptrolle. Die „modern“ gefräste Variante erreichte eine Rauheit Ra von 0,238 µm gegenüber 0,617 µm beim „klassischen“ Vorgehen. Im Verlauf der Vorträge sowie der Diskussionen zeigte sich, dass beim Formenbau immer mehr Kunden hohe und höchste Ansprüche an die Oberflächenqualität stellen. Oft wird jegliches Polieren untersagt, da dadurch die Geometrietreue sowie das Niveau der Prozessbeherrschung gefährdet werden. Aus dem Teilnehmerkreis kamen Angaben zu Polierzeiten für Werkzeuge in vergleichbarer Komplexität wie der vorgestellte Einsatz von bis zu 35 Stunden. Mehrfach war zu hören, dass bessere Oberflächenqualität und die Möglichkeit, automatisiert in der „Geisterschicht“ fahren zu können, auch höhere Aufwendungen bei Programmierung und Maschinenlaufzeit rechtfertigen. Auf der anderen Seite gibt es auch weiterhin viele Anwendungen, bei denen mit dem klassischen Ansatz ein wirtschaftlich optimales Ergebnis erzielt wird. Als Fazit ergab sich, dass mit beiden Strategien sehr gute Ergebnisse erreicht werden können. Der Anwender sollte deshalb sein Vorgehen je nach Anforderungen wählen.

Quelle: Röders, MMC Hartmetall, Tebis

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