Abwechselnd rote und grüne Querstreifen.

Höhenunterschiede in der Oberfläche eines additiv gefertigten Bauteils, aufgenommen mit dem 3D-Profilometer. (Bild: Fraunhofer IPA und Fraunhofer IFAM)

Die additive Fertigung nimmt in der Industrie eine immer größere Bedeutung ein und geht inzwischen auch über den Prototypenbau hinaus. Infolgedessen werden an die Oberflächenqualität der 3D-gedruckten Teile sehr hohe Anforderungen gestellt. So besteht die Herausforderung, die Porigkeit, Rauheit und Welligkeit oder Stufenbildung aus dem Aufbauprozess auszugleichen. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt von Fraunhofer IFAM, Bremen, und Fraunhofer IPA, Stuttgart, wird das Ziel verfolgt, diese Oberflächen durch Beschichtungen aus Lacken mit speziell angepassten Eigenschaften zu optimieren. In dem Forschungsprojekt werden Bauteile aus den 3D-Druckprozessen FDM (Fused Deposition Modeling), SLS (Selective Laser Sintering) und MJF (Multi Jet Fusion) mit den Kunststoffen Polyamid und ABS betrachtet. Je nach Verfahren können dabei ausgeprägte Welligkeiten mit Amplituden von mehr als 25 μm auftreten (Bild 1). Der Abstand der Berge, das heißt die Strukturwellenlänge, hängt bei einigen Verfahren von der Lage der Fläche während des Druckprozesses ab und kann von weniger als einem Millimeter bis zu mehreren Zentimetern gehen. Diese regelmäßige und richtungsabhängige Welligkeit ist für dekorative Bauteile extrem kritisch, da sie ohne besondere Behandlungen zu schlechten Oberflächenqualitäten nach der Lackierung führt. Auch aus funktionellen Gründen sind die Abweichungen von einer ebenen Oberfläche unerwünscht; so wird beispielsweise eine geometrische Passung nicht erreicht oder die Reibung verändert sich. Die Füllung von Poren und der Ausgleich der Oberflächenstruktur stellen bei der Lackierung eine große Herausforderung dar oder sind beim aktuellen Stand der Technik mit unerwünschten hohen manuellen Aufwänden verbunden. Im Forschungsprojekt stehen deshalb die Themen – Vorbehandlungsmethoden, Simulationen und die Entwicklung von Beschichtungssystemen – im Vordergrund.

Warum eine Oberflächenvorbehandlung nötig ist

Vorbehandlungsmethoden dienen der Einstellung des Benetzungsverhaltens des Lackes und der Glättung der unlackierten Kunststoffoberfläche. Hierbei werden verschiedene Techniken wie Vakuumsaugstrahlen, Atmosphärendruck-Plasmabehandlung und Laserbehandlung einzeln sowie in Kombination miteinander erforscht und erprobt. Die erzielten Vorbehandlungseffekte werden mit Hilfe von Kontaktwinkelmessungen, Lichtmikroskopie und lacktechnischen Prüfungen (Gitterschnitttests) charakterisiert.

Zitat

Eine Lackschicht kaschiert Fehler der Bauteiloberfläche nicht, sondern hebt diese hervor.

Durch eine systematische Variation der Laserprozessparameter kann die Topografie beziehungsweise Rauheit der untersuchten Polymeroberflächen gezielt modifiziert werden. So zeigt Bild 2 eine feinere Körnung im laserbehandelten Bereich eines PA12-Substrates als im unbehandelten Bereich. Weiterhin konnten PA12- und ABS-Substrate mithilfe der Atmosphärendruck-Plasmabehandlung erfolgreich gereinigt und aktiviert werden, sodass die Benetzbarkeit der Oberflächen sowie die Adhäsion der darauf applizierten Lacksysteme im Vergleich zum unbehandelten Lieferzustand deutlich gesteigert wurden. Dies zeigt sich in einer deutlichen Verbesserung der Prüfergebnisse der Gitterschnittprüfung an einem plasmabehandelten, lackierten ABS-Substrat im Vergleich zu einem lackierten unbehandelten Substrat.

Vier Rechtecke - je zwei nebeneinander. Die oberen beiden sind grau. Die unteren beiden grün.
PA12-Substrate nach Laserbehandlung unterschiedlicher Behandlungsintensität mittels IR-Laser (links) beziehungsweise UKP-Laser (rechts). Unten: Vergleich der Topografie in laserbehandelten und unbehandelten Bereichen. (Bild: Fraunhofer IPA und Fraunhofer IFAM)

Können numerische Simulationen helfen?

Numerische Verlaufssimulationen können als Werkzeug verwendet werden, um das Fließ- und Trocknungsverhalten von Lackfilmen zu verstehen und vorherzusagen. Durch Parametervariationen können in einem „virtuellen Labor“ optimale Lackeigenschaften für bestimmte Lackieraufgaben gefunden werden. Für das Projekt werden Verlaufsmodelle angepasst, um langwellige regelmäßige Strukturen mit großen Höhenunterschieden zu glätten, wie sie für 3D-gedruckte Bauteiloberflächen typisch sind. Indem Parameter in Simulationen systematisch variiert werden, können geeignete Werte für die rheologischen Eigenschaften des Lackes (Viskosität, Thixotropie, Viskoelastizität), die Verdunstungsgeschwindigkeit und die Oberflächenspannung einzelner Lackbestandteile gefunden werden. Ein bemerkenswertes Ergebnis ist, dass diese Parameter so eingestellt werden können, dass Lack gezielt von den Substratbergen in die Substrattäler fließt. Dadurch werden zum einen Höhenunterschiede des Substrates ausgeglichen, zum anderen entstehen feinere Strukturen, die die optisch störende Substratstruktur kaschieren (Bild 3). Das überraschende Verlaufsverhalten dieses optimierten „intelligenten“ Lackes ist auf eine Variante des Marangoni-Effektes, das heißt die Strömung aufgrund lokaler Oberflächenspannungsunterschiede, zurückzuführen. Das in den Simulationen vorhergesagte Verlaufsverhalten konnte experimentell validiert werden. Dazu wurde ein Modelllack mit passend eingestellten Lackeigenschaften auf welligen Substraten appliziert und im flüssigen Zustand die Veränderung der Oberflächenstruktur des Lackes mit einem optischen Profilometer verfolgt.

Zwei rote und zwei blaue gewellte Flächen.
Simulationsergebnisse für die Topografie des getrockneten Lackfilms (rot) auf einem Substrat mit regelmäßiger Struktur (blau). (Bild: Fraunhofer IPA und Fraunhofer IFAM)

Deshalb ist die Entwicklung von Beschichtungssystemen notwendig

Die zu entwickelnden Lacke sollen hervorragende porenfüllende Eigenschaften und Glättung zeigen, sodass manuelle Nachbearbeitungsprozesse und somit Nachbearbeitungszeiten von 3D-gedruckten Bauteilen signifikant verkürzt werden können. Das im Projekt entwickelte Beschichtungssystem besteht zum einen aus einem UV-härtenden porenfüllenden Untergrund mit der Aufgabe, die Hohlräume, Lunker und Poren des Untergrunds zu füllen. Entsprechend stehen hier die Penetrationsfähigkeit (niedrige Viskosität und Oberflächenspannung passend zur Oberflächenenergie des Substrates) und ein geringer Volumenschrumpf bei der Trocknung und Härtung im Vordergrund. Am Fraunhofer IFAM wird hierfür in Kooperation mit den begleitenden Firmen an einem Lacksystem gearbeitet, das die Oberfläche nach entsprechender Vorbehandlung hervorragend benetzt, somit durch Kapillarwirkung gut in Hohlräume eindringen kann. Es wurde ein Modelllacksystem auf Basis der Thiol-En-Reaktion entwickelt, da sich diese Systeme durch niedrige Viskosität auszeichnen. Sie haben außerdem den Vorteil, dass die lebende UV-initiierte Härtungsreaktion in Schattenbereiche und Hinterschneidungen vordringt und somit auch die Verwendung höherer Füllstoffkonzentrationen möglich ist, was wiederum einen geringeren Härtungsschrumpf zur Folge hat. Als zweite Schicht wird eine einebnende Lackformulierung entwickelt. Die in numerischer Simulation gefundenen Werte werden in strukturviskose viskoelastische Formulierungen umgesetzt, mit denen die Einebnung strukturwellenlängenselektiv eingestellt werden kann.

Quelle: Fraunhofer IPA

Förderhinweis

Das Projekt wurde über die Deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e. V. (DFO) in Kooperation mit der Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e. V. (FPL) bei der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V. (AiF) als industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) eingereicht und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter dem Förderkennzeichen 21303 N gefördert. Das Projekt wird noch bis zum 31. Januar 2023 laufen.

 

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Unternehmen

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA

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