Ein schwarzer Stecker mit umspritzten Pins und Buchsen.

Stecker mit umspritzten Pins und Buchsen. (Bild: H&B Electronic)

Im modernen Spritzguss ist eine stabile Werkzeugtemperierung die Grundvoraussetzung für einen robusten Prozess und hohe Bauteilqualität. Die genaue und lokale Temperaturführung beeinflusst nicht nur die Zykluszeit, sondern auch Schwindung und Verzug. Das Auslegen der Temperierkanäle bezüglich Anordnung und Durchfluss muss daher sorgfältig geplant werden. Für eine gleichmäßige Temperierung bietet sich die konturnahe Kühlung an, die aber aufwendig sein kann. Für das detaillierte und zuverlässige Auslegen von Spritzgießwerkzeug und -prozess ist moderne Simulation wie mit Sigmasoft Virtual Molding unabdingbar. Hier werden Form inklusive aller Heizbereiche, Kühlkanäle und Isolationsmaterialien zyklusgenau mit dem ausgewählten Kunststoff im Computer virtuell betrieben. Fehlstellen und Qualitätsprobleme werden so bereits erkannt, bevor sie auftreten. Änderungen und Optimierungen lassen sich virtuell testen, bevor sie in die Umsetzung gehen. Dies ist wichtig, wenn Mehrkosten durch bessere Ergebnisse in der Produktion eingespielt werden sollen.

Wo geht die Hitze hin?

Beim Kunststoffspritzguss wird die Schmelze mit einer materialspezifischen Temperatur (für ein PA 66 beispielsweise rund 290 °C) in ein vergleichsweise kaltes Spritzgießwerkzeug aus Stahl (zum Beispiel 90 °C) eingespritzt. Bereits während des Einspritzens beginnt die Kunststoffschmelze bei Kontakt mit der Werkzeugwand Wärme an das Spritzgießwerkzeug abzugeben. Dieser Vorgang dauert so lange an, bis die Schmelze zu einem festen Körper erstarrt ist und aus dem Werkzeug entnommen werden kann. Das Spritzgießwerkzeug muss die ihm zugeführte Wärme weiter ableiten. Dies geschieht in der Regel über Temperierkanäle, mit Flüssigkeit durchspülte Bohrungen, im Werkzeug. Der Wärmefluss innerhalb des Werkzeugs wird maßgeblich durch zwei Effekte beeinflusst. Zum einen ist die abzuführende Wärmemenge abhängig von der Geometrie des Formteils. Dünnwandigen Bauteilbereichen muss weniger Wärme entzogen werden als dickwandigen Bereichen, den sogenannten Hotspots. Zum anderen aber lassen sich die gebohrten Temperierkanäle nicht so im Werkzeug platzieren, dass sie an allen Stellen der Kavität die gleiche Wärmeabfuhr gewährleisten. Dementsprechend stellt sich im konventionell gekühlten Werkzeug eine inhomogene Temperaturverteilung ein (Bild 1, links). Die roten Bereiche des dargestellten Formeinsatzes weisen eine Temperatur von über 150 °C auf, wohingegen die blauen Bereiche bei rund 100 °C liegen. Demnach herrscht innerhalb des formgebenden Bereichs zum betrachteten Zeitpunkt ein Temperatur-unterschied von rund 50 °C. Die vorliegende Temperaturverteilung zeigt an, dass es im Bauteil lokale Bereiche gibt, die unterschiedlich schnell abkühlen. Die daraus resultierenden Eigenspannungen innerhalb des Bauteils bewirken in letzter Konsequenz einen Verzug nach dem Entformen. Zudem wird durch ein inhomogenes Abkühlverhalten auch die Zykluszeit verlängert.

Temperaturverteilung eines Formeinsatzes in der Kühlphase. Links konventionell temperiert, rechts konturnah temperiert.
Temperaturverteilung eines Formeinsatzes in der Kühlphase. Links konventionell temperiert, rechts konturnah temperiert. (Bild: Sigma Engineering)

Geht das noch besser?

Ziel bei der Auslegung der Werkzeugtemperierung ist es folglich, die Temperaturunterschiede innerhalb der Form, insbesondere in der Kavität möglichst gering zu halten und eine homogene Wärmeabfuhr zu gewährleisten. Simulativ lassen sich die Hotspots präzise ermitteln. Sind die kritischen Stellen am Bauteil bekannt, kann die Gestaltung der Kanäle im Werkzeug gezielt auf diese abgestimmt werden. H&B Electronic setzt auf Metall-3D-Druck, um hierbei nahezu frei wählbare, konturnahe Kanäle zu realisieren – dazu später mehr. In Bild 2 ist ein solcher Entwurf eines konturnahen Temperierkanals zu sehen, wie er letztendlich auch tatsächlich im Serienwerkzeug umgesetzt wurde. Abgebildet ist das Ergebnis der Reynoldszahl. Zur Erinnerung: turbulente Strömung, wenn diese größer als 2.300 ist. Das ist für die Kühlung erwünscht; laminare Strömung, wenn darunter, für guten Flüssigkeitstransport. Um auf der sicheren Seite zu sein, hat H&B den Grenzwert auf 10.000 festgelegt. Die strömungstechnische Berechnung in Sigmasoft erfolgt dabei unter anderem durch das Berücksichtigen folgender Einflussparameter:

  • Viskosität des Temperiermediums
  • definierter Volumenstrom in l/min sowie
  • geometrischer Verlauf und Oberflächenrauhigkeit der Temperierkanäle.
Entwurf eines konturnahen Temperierkanals.  Reynoldszahlen >10.000. Bei den transparenten Bereichen handelt es sich um laminare Strömungen oder die Übergangsphase.
Bild 2: Reynoldszahlen >10.000. Bei den transparenten Bereichen handelt es sich um laminare Strömungen oder die Übergangsphase. (Bild: Sigma Engineering)

Die Strömung simulativ auslegen

Die generellen Anforderungen an ein Temperiersystem bestehen bei vorgegebenem Volumenstrom aus einer guten Wärmeabfuhr bei gleichzeitig möglichst geringem Druckverlust innerhalb des Kanals und einer resultierenden homogenen Temperaturverteilung im Bauteil. Neben der Reynoldszahl stellt der Druckbedarf des Temperierkanals ein wichtiges Qualitätskriterium dar (Bild 3). Auch wenn der Druckbedarf im vorliegenden Beispiel keinen kritischen Wert erreicht, geben solche Simulationen wertvolle Hilfestellung bei der Auswahl des Temperiergerätes beziehungsweise der Machbarkeitsbewertung. Und nicht zuletzt bedeutet ein niedriger Förderdruck auch eine Verbesserung des Energiebedarfs des Temperiergeräts.

Entwurf eines konturnahen Temperierkanals: Druckbedarf Ein- zu Auslauf (blau zu rot) rund 1,8 bar.
Bild 3: Druckbedarf Ein- zu Auslauf (blau zu rot) rund 1,8 bar. (Bild: Sigma Engineering)

Ein Reduzieren des Druckbedarfs konnte über drei Iterationsschleifen durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

  • Durchmesser am Ein- und Auslaufbereich wurden stark vergrößert.
  • Erhöhung des Durchmessers des gesamten Temperierkanals.
  • Reduzierung beziehungsweise „weichere“ Gestaltung der Umlenkungen.

Bei der Optimierung konnte der Druckverlust von ursprünglich 4,5 auf 1,8 bar reduziert werden.
Bei den Bildern handelt es sich keinesfalls um eine Rohrleitung, sondern um Kanäle innerhalb von einem Block Werkzeugstahl. Im Computer sieht das nach einer perfekten Lösung aus, fertigungstechnisch setzt man aufgrund der Machbarkeit hier auf 3D-Druck (Bild 4).

Schnitt durch einen konturnah temperierten Einsatz, der so nur mit Metall-3D-Drucker herstellbar ist.
Bild 4: Schnitt durch einen konturnah temperierten Einsatz, der so nur mit Metall-3D-Drucker herstellbar ist. (Bild: H&B Electronic)

Was das Laserschmelzeverfahren ermöglicht

Früher war Metall-3D-Druck auf den Auslagerungsstahl 1.2709 eingeschränkt. Für Formeinsätze in der klassischen Fertigung wird dieser Werkstoff aufgrund seiner Nachteile in thermischen Eigenschaften wie seiner Warmhärte und Korrosionsbeständigkeit eher nicht eingesetzt. Der Warmarbeitsstahl 1.2343 zählt bei vielen Werkzeug- und Formenbauern zu den beliebtesten Werkstoffen, wenn es beispielsweise um das Herstellen von Formeinsätzen für Kunststoff-Spritzgießwerkzeuge geht. Er ermöglicht bei hohen Stückzahlen das prozesssichere Verarbeiten technischer Kunststoffe zu beispielsweise anspruchsvollen Steckverbindern. H&B ist in der Lage, im Laserschmelzverfahren (LPBF) Bauteile aus diesem kohlenstoffreichen Werkzeugstahl prozesssicher zu fertigen. Bei Werkstoffkennwerten wie Festigkeit und Härte erreichen die gedruckten Bauteile vergleichbare Werte wie konventionell gefertigte Bauteile.

Das sollten Sie zum eingesetzten Metall 3D-Druckverfahren wissen:

Beim Laserschmelzverfahren (LPBF) wird Metallpulver schichtweise durch einen Laserstrahl aufgeschmolzen. Zusätzlich bewirkt die lokal eingebrachte Wärmeenergie ein erneutes Aufschmelzen der bereits hergestellten unmittelbar angrenzenden Bereiche. Das entstandene partielle Schmelzebad sorgt für ein ähnlich homogenes und feinkörniges Gefüge wie beim konventionell durch Elektroschlackeumschmelzen (ESU) hergestellten Warmarbeitsstahl 1.2343 (H11). H&B Electronic druckt ausschließlich mit 1.2343 (H11) und einer Vorheizung der Bauplattform von 500 °C. Das reduziert die Neigung zu Mikrorissen und ermöglicht letzten Endes ein Polieren der gedruckten Bauteile.

Wie geht es weiter?

Mit der konturnahen Temperierung ist es gelungen, eine homogenere und schnellere Wärmeabfuhr zu realisieren (Bild 1, rechts). Durch Simulation konnten die Vorteile des Kühlkonzepts für dieses und ähnliche Werkzeuge so weit berechnet werden, dass sich H&B zur Anschaffung der teilautomatisierten 3D-Druckmaschine Truprint 5000 von Trumpf entschlossen hat. Diese steht auch für Kundenprojekte zusammen mit der hauseigenen Expertise bei der Werkzeugauslegung durch Simulation zur Verfügung. Die Fertigung von hybriden Bauteilen, gedruckt auf konventionell hergestellten Stahlstrukturen, ist dabei ebenso möglich wie die größerer Bau-teile bis Durchmesser 270 mm und einer Höhe von 300 mm. Die Fertigung dieser 3D-gedruckten Strukturen ist kostenintensiv, rechnet sich in aller Regel aber in der Serienproduktion durch reduzierte Zykluszeiten und die Qualitätsverbesserung. Mit der Simulation kann der damit verbundene Kosten- und Nachhaltigkeitsvorteil schon im Vorfeld quantifiziert werden.

Quelle: H&B Electronic, Sigma Engineering

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